Kretschmann will vorsichtig lockern

dpa/lsw Stuttgart. Ist das ein Wink aus Bayern an Baden-Württemberg? Markus Söder lockert auf breiter Front und will nicht zum „Team Stur“ gehören. Kretschmann bremst die Öffnungseuphorie: Es sei noch nicht vorbei.

Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen, r-l), Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Foto: Marijan Murat/dpa

Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen, r-l), Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Foto: Marijan Murat/dpa

Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann will zwar Mitte nächster Woche die Corona-Maßnahmen schrittweise lockern, sieht aber weiter Grund zur Vorsicht. Bei der Ministerpräsidentenkonferenz an diesem Mittwoch würden sicher schrittweise Lockerungen beschlossen, sagte der Grünen-Politiker am Dienstag in Stuttgart. Das lasse die Lage in den Kliniken zu. Ein Ende aller Corona-Maßnahmen ab dem 20. März sieht Kretschmann aber skeptisch. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir am 20. März etwa die Maskenpflicht aufheben.“ Er forderte von der Ampel-Regierung in Berlin, die am 19. März auslaufende Rechtsgrundlage für Corona-Auflagen zu verlängern.

Kretschmann will weiter „sehr vorsichtig“ sein

Es zeichnet sich ab, dass der Südwesten Mitte nächster Woche in die Warnstufe zurückkehrt und in den meisten Bereichen dann die 3G-Regeln gelten. Am Freitag will Kretschmann im Landtag über seinen Kurs informieren. Nun sagte er: „Der Ausstieg aus so einer Pandemie ist sehr herausfordernd.“ Er verwies vor allem auf Risiken für ungeimpfte, ältere Menschen. Zudem drohten wegen der hochansteckenden Omikron-Variante weitere Personalengpässe in den Krankenhäusern. „Es erfordert ein hohes Maß an Aufmerksamkeit. Wir müssen hinschauen und nicht drüberhinweggehen“, mahnte er. Man müsse weiter „sehr vorsichtig“ sein.

Leerer Instrumentenkasten: Appell an Ampel

Sollte die Koalition aus SPD, Grünen und FDP keinen neuen Beschluss im Bundestag zum Infektionsschutzgesetz herbeiführen, haben die Länder keine Möglichkeit mehr für Corona-Schutzmaßnahmen - sie können dann nicht mal mehr das Tragen von Masken vorschreiben. Kretschmann sagte deshalb: „Ich bin dagegen, dass dieser Instrumentenkasten am 19. März geleert wird.“ Ob man die Instrumente dann noch brauche, hänge von der Infektionslage ab. Darüber werde man am 9. März beim nächsten Bund-Länder-Treffen sprechen. Stand jetzt läuft die Rechtsgrundlage für jede Schutzoption gemäß Infektionsschutzgesetz des Bundes am 19. März aus. Es sei noch immer eine „fragile Lage“, meinte Kretschmann.

Südwesten soll nicht „ganz verrückt öffnen“

Baden-Württemberg werde Mitte kommender Woche seine Maßnahmen etwas lockern, sagte Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne). Dafür sollen die Grenzwerte für die Belastung des Gesundheitssystems innerhalb des Stufensystems angepasst werden. „Wir werden natürlich die Werte nach oben korrigieren“, sagte Lucha. Hintergrund ist, dass die Krankenhäuser wegen der etwas milderen Krankheitsverläufe der Omikron-Variante weniger stark belastet sind. Es zeichnet sich ab, dass Baden-Württemberg in der nächsten Woche dann in die Warnstufe zurückkehrt, in der in den meisten gesellschaftlichen Bereichen nur noch die 3G-Regel gilt. Lucha sagte, man werde „nicht sofort ganz verrückt öffnen“.

Söder will nicht zum „Team Stur“ gehören

Bayern beschloss schon vor der Bund-Länder-Runde eine Fülle von Lockerungen. Die Kontaktbeschränkungen für Geimpfte und Genesene entfallen komplett. Zudem brauchen Geimpfte und Genesene von Donnerstag an nirgendwo mehr einen zusätzlichen Test. „Wir sind Team Vorsicht und Team Freiheit, aber nicht Team Stur“, sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der in der Pandemie häufig Seite an Seite mit Kretschmann vorgegangen war.

Auf Söders Kurs angesprochen sagte Kretschmann, die Länder-Chefs würden sich bei der Ministerpräsidentenkonferenz wieder um eine einheitliche Linie bemühen. „Das ist sehr wichtig.“ Man müsse besonnen vorgehen, damit nicht der Eindruck entstehe: „Es ist alles vorbei oder es geht alles durcheinander.“

FDP lobt Söder

Der Fraktionschef der Südwest-FDP, Hans-Ulrich Rülke, nannte Söders Vorgehen vernünftig. „Ich empfehle Ministerpräsident Kretschmann eng an der Seite Bayerns zu marschieren - so wie stets in der Vergangenheit. Es gibt keinen Grund, jetzt auf die Bremse zu steigen, wenn es um die Rückgabe von Freiheitsrechten an die Bevölkerung geht.“

Schon am Montag war bekannt geworden, dass Bund und Länder in mehreren Etappen bis zum 20. März alle Auflagen bis auf die Maskenpflicht aufheben wollen. Der Vorschlag ist zwischen Kanzleramt, dem CDU-geführten Land Nordrhein-Westfalen und dem SPD-geführten Land Berlin abgestimmt. Die beiden Länder haben den Vorsitz und den Co-Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz.

Kretschmann sieht in dem Vorschlag nicht den „Exit“, weil von einem Ende der Maskenpflicht und einem Auslaufen der Tests an Schulen nicht die Rede sei. Zuletzt hatte er schon Lockerungen in Aussicht gestellt, aber vor einem zu schnellen Ausstieg aus allen Schutzmaßnahmen gewarnt. Mehrfach sagte er, dass man über einen „Exit“ erst nach Ostern reden könne. Ostersonntag ist am 17. April - und damit vier Wochen nach dem nun anvisierten Datum 20. März.

Kommunen wollen mehr Normalität für Kita und Schule

Auch der Gemeindetag dringt auf eine Lockerungsperspektive: Diese solle vor allem „die belasteten Betriebe in den Innenstädten und der breiten Kulturlandschaft in den Städten und Gemeinden berücksichtigen“, sagte Verbandspräsident Steffen Jäger und regte an: „Bund und Land sollten nun auch darüber nachdenken, ob und in welchem Maße auch in Kita und Schule weitere Schritte in Richtung Normalität gegangen werden können.“

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Winfried Kretschmann zeigt ein Blatt mit Corona-Tabellen auf der Regierungspressekonferenz. Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Winfried Kretschmann zeigt ein Blatt mit Corona-Tabellen auf der Regierungspressekonferenz. Foto: Bernd Weißbrod/dpa

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Erstellt:
15. Februar 2022, 03:37 Uhr

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