Bundesregierung streitet am Jahrestag ums Geld
Union und SPD setzen vor dem Koalitionsgipfel ganz unterschiedliche Prioritäten
Nach dem verflixten ersten Jahr stellen sich viele die Frage, was die Groko bei ihrem Finanzplan bis 2023 noch hinkriegt. Dabei läuft die Zusammenarbeit besser als vor einem Jahr.
Berlin Vor dem Koalitionsgipfel an diesem Donnerstag, der genau ein Jahr nach Amtsantritt der Regierung stattfindet, sind die Parteien uneins über die Haushaltsplanung und die Prioritäten der nächsten Jahre. CDU und CSU werfen Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) dabei vor allem vor, sozialdemokratische Ministerien und deren Projekte in den laufenden Etatverhandlungen zu bevorzugen, ehe das Bundeskabinett am kommenden Mittwoch die entsprechenden Eckwerte des Haushalts 2020 und der mittelfristigen Finanzplanung beschließen soll.
„Beim Finanzplan bis 2023 geht es um die Zukunft unseres Landes, nicht um kurzfristige Wahlkampfmanöver“, sagte Eckhardt Rehberg, der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, am Mittwoch unserer Zeitung, Scholz müsse endlich „eine konsistente Haushaltspolitik“ betreiben: „Sein Finanzplan weist ein großes Finanzierungsdefizit auf, gleichzeitig hält er die Grundrente mit fünf Milliarden Euro pro Jahr für finanzierbar – das passt nicht zusammen.“
Scholz mache „schlicht und einfach seine Arbeit, wenn er allen Ministerinnen und Ministern abverlangt, dass sie Schwerpunkte definieren und Prioritäten setzen“, konterte Rehbergs SPD-Amtskollege Johannes Kahrs gegenüber unserer Zeitung auch entsprechende Anwürfe der neuen CDU-Chefin: „Dass Frau Kramp-Karrenbauer behauptet, er behandle dabei die unionsgeführten Ministerien schlechter als die SPD-geführten, ist einfach Unsinn.“ Vielmehr versuchen „einige Leute bei CDU und CSU, den Finanzminister mit überzogenen Forderungen unter Druck zu setzen, zum Beispiel bei den Rüstungsausgaben“.
Diese gehören zu den vorrangigen Vorhaben der Union, die am „Zielkorridor“ in Richtung des Nato-Ziels von zwei Prozent der Wirtschaftsleistung festhält. „Wir müssen bei knapper werdenden Kassen die richtigen Prioritäten setzen, um Deutschland nach vorne zu bringen: Infrastruktur, Bildung, innere und äußere Sicherheit“, so Rehberg. Kahrs’ SPD ist anderes wichtiger in einer Zeit, da die Einnahmen nicht mehr automatisch höher ausfallen als geplant. „Wir können ohne neue Schulden die zentralen Zukunftsprojekte finanzieren, die wir uns gemeinsam vorgenommen haben, um unser Land voranzubringen – bessere Leistungen für Familien, gerechte Renten, Investitionen in den Breitbandausbau und in die digitale Infrastruktur unserer Schulen.“ Zur Bundeswehr sagte Kahrs, es sei entscheidend, „ob das Geld sinnvoll eingesetzt wird und auch tatsächlich ausgegeben werden kann, und nicht, ob irgendwelche abstrakten Quoten erfüllt werden“.
Trotz der inhaltlichen Unterschiede, die Scholz und Kanzlerin Angela Merkel am Mittwoch im Hintergrund zu überbrücken versuchten, war sich zumindest SPD-Mann Kahrs „sicher, dass sich die Koalition auf Eckwerte für den nächsten Haushalt und die mittelfristige Finanzplanung verständigen wird“.
Dass die Koalition aktuell zumindest reibungsloser verläuft als zu ihren Anfangszeiten kann auch dem geschuldet sein, dass Merkel und ihr Innenminister Horst Seehofer nicht mehr an der Spitze von CDU und CSU stehen. Und Merkels Nachfolgerin, Kramp-Karrenbauer, ist dabei, mit konservativerem Kurs und härteren Aussagen in der Migrationspolitik den tiefen Riss zwischen den Unionsschwestern zu kitten – und zugleich die CDU nach ihrem knappen Sieg über Friedrich Merz beim Parteitag im Dezember wieder zu vereinen.
Von ungewohnter Seite wie Gewerkschaften und Verbraucherschützern kommt durchaus Lob für das ungleiche Liebespaar SPD und CDU/CSU: Es sei mehr geschafft, als viele Unkenrufe glauben ließen – von Milliardenentlastungen der Krankenversicherten und Familien über Verbesserungen für die Kitas, die Stabilisierung des Rentenniveaus bis hin zum Start des Baukindergelds oder zu einer Einigung der Kohlekommission. Für Neu-CSU-Chef Markus Söder hingegen ist die große Koalition nach wie vor in schweren Gewässern unterwegs. Die Groko einfach aufgeben will er aber mangels Alternativen auch nicht. „Wir müssen hart daran arbeiten“, appelliert Söder an CSU, CDU und SPD.