KI-Innovation für die Automobilindustrie

Chipforschung auf Weltklasse-Niveau kommt nach Heilbronn

Das belgische Spitzenforschungszentrum Imec will mit der Industrie modernste Autochips entwickeln. Das Land fördert die Ansiedlung mit mehr als 45 Millionen Euro.

Das belgische Chip-Forschungszentrum Imec kommt mit einem Ableger nach Heilbronn.

© dpa/KDBUSCH.com

Das belgische Chip-Forschungszentrum Imec kommt mit einem Ableger nach Heilbronn.

Von Michael Weißenborn

Ein seltener Erfolg in der Aufholjagd Deutschlands und Europas bei Mikroprozessoren: Dem Land Baden-Württemberg ist es gelungen, das Top-Chip-Forschungszentrum Interuniversity Microelectronics Centre, kurz Imec, in den Südwesten zu locken. Die Belgier werden in dem geplanten KI-Innovationspark Ipai in Heilbronn ein Kompetenzzentrum eröffnen, wo sie gemeinsam mit der Automobilindustrie und Partnern aus der Forschung modernste Autochips entwickeln wollen. Das teilten Landesregierung und Imec zum Auftakt der Hannover-Messe mit.

Land will an die KI-Spitze

Das Wirtschaftsministerium fördert die Ansiedlung des „Advanced Chip Design Accelerators“ für 70 Imec-Forscherinnen und Forscher mit 40 Millionen Euro über zunächst fünf Jahre. Weitere fünf Millionen Euro gibt das Land laut Staatsministerium aus für eine Geschäftsstelle der Fraunhofer-Gesellschaft und zur Anschubfinanzierung der wissenschaftlichen Kooperation bei Chiplet-Technologien, also modularen Chips mit spezialisierter Funktion. Und das Wissenschaftsministerium will an einem angebundenen KI-Landesgraduiertenzentrum in Heilbronn zehn Professuren unter anderem für Chips, Robotik oder Cybersicherheit einrichten. Kostenpunkt dafür laut Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) „perspektivisch“: 30 Millionen Euro.

In Heilbronn soll auf dem 23 Hektar großen KI-Innovationspark für Start-ups, Reallabore und Forschungszentren – Baubeginn Ende des Jahres – nach dem Willen der Landesregierung das europaweit führende Zentrum für Künstliche Intelligenz (KI) entstehen. Dafür stellte das Land zuvor schon 50 Millionen Euro zur Verfügung – ein Großteil für den Stadtteil. Und auch die Dieter Schwarz Stiftung – dahinter der Lidl-Kaufland-Konzern – unterstützt den Aufbau dieses „Ökosystems“, das Zusammenspiel also von Forschern Wirtschaft und jungen Tech-Unternehmen. Mit wie viel Geld, wird nicht verraten.

Nach Einschätzung von Experten ist Imec mit seinen rund 6000 Beschäftigten und dem Hauptsitz im belgischen Löwen ein weltweit führendes Chip-Forschungsinstitut. Vor zwei Jahren definierte der Imec-Chef Luc Van den hove das Ziel, die weltweit modernsten Chiptechnologien in Fahrzeuge zu bringen. 2024 vereinbarten Baden-Württemberg und die belgische Region Flandern eine verstärkte Zusammenarbeit bei Halbleitern. Für die hiesige Forschungslandschaft interessant: Drei Viertel des Umsatzes in Höhe von 941 Millionen Euro (2023) stammen nach Angaben von Imec aus der Industrie. Damit ist man deutlich weniger auf staatliches Geld angewiesen als so manche deutsche Forschungseinrichtung.

Globaler Wettlauf um die besten Chips

„Wir sind begeistert, unser Fachwissen und unser globales Partnernetzwerk nach Baden-Württemberg zu bringen – der Wiege der Automobilindustrie in Deutschland“, sagte Van den hove in Hannover. Man wolle gemeinsam mit der Fraunhofer-Gesellschaft an künftigen Chiplet-Lösungen arbeiten, mit örtlichen Hochschulen Ingenieure ausbilden und mit Hochleistungsrechenlösungen „die Innovation in der europäischen Automobilindustrie beschleunigen“. Arbeitsbeginn: „Sofort“, sagte Van den Hofe. Er rechne mit der Anstellung von 20 Beschäftigten bis zum Jahresende.

Ministerpräsident Kretschmann freute sich über den Coup mit der der Imec-Ansiedlung: „Damit treiben wir die Innovation für die nächste Generation von Automobilchips aus Europa voran“. Zudem sieht er das Projekt vor dem Hintergrund der wachsenden Großmacht-Rivalität mit den USA und China: „Die Stärkung unserer Kernkompetenzen in Chips, Software und KI ist entscheidend für Europas Souveränität.“ Reinhold Geilsdörfer, Geschäftsführer der Dieter Schwarz Stiftung äußerte sich ebenfalls zufrieden: „Imec passt perfekt“, sagt er. Auch die Schwarz-Gruppe baue eine eigene Cloud auf.

Bisher aber ist die Position Europas und Deutschlands im globalen Wettlauf um modernste Halbleiter alles andere als stark. Zwar gibt es Stärken in der Forschung – siehe Imec und bei der Produktion von Maschinen, die modernste Chips herstellen – siehe das niederländische Unternehmen ASML. Die USA aber sind bei Chip-Technologie, Cloud-Infrastruktur und Kapitalstärke weit überlegen. China wiederum hat jüngst mit dem Start-up Deepseek demonstriert, was es auch ohne modernste US-Chips bei der KI vermag. Und die Chip-Fabrikation wird von TSMC auf Taiwan und Samsung aus Südkorea dominiert. Große, neue Chip-Fabriken lassen sich in Europa an einer Hand abzählen.

Chancen für Deutschland und Europa

Katja Munoz, die bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik den Wettlauf um die strategische Technologie erforscht, begrüßt daher die Initiative Baden-Württembergs zur Ansiedlung von Imec. Mit dem Aufbau eines KI-Kompetenzzentrums, das Spitzenforschung mit Industrieanwendungen verbinde, gehe das Land in die richtige Richtung: „Das muss gezielt in bestehende Industriecluster integriert werden, um die Transformation traditioneller Industriezweige zu beschleunigen“, so die Expertin. Die Förderung von Tech-Champions in Schlüsseltechnologien müsse dabei Hand in Hand mit der Integration von KI in den breiten Mittelstand gehen, um deren globale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Gerade sieht sie goldene Gelegenheiten: „Das könnte der KI-Moment für Deutschland und die EU sein.“ Und natürlich auch für Heilbronn.

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Erstellt:
1. April 2025, 08:36 Uhr

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