Griechenlands Finanzsektor boomt
Comeback für griechische Banken
Während der griechischen Staatsschuldenkrise wären die Banken des Landes fast untergegangen. Jetzt machen sie wieder Gewinne und belohnen ihre Aktionäre mit einer Dividende. Aber mit einer Krisenfolge kämpfen die Geldinstitute noch immer.
Von Gerd Höhler
Das Jahr 2024 markiert für die griechische Finanzbranche einen Wendepunkt. Erstmals seit 16 Jahren zahlen die vier systemischen griechischen Banken eine Dividende. 3,77 Milliarden Euro verdienten die Institute im vergangenen Jahr. Davon schütten sie jetzt 814 Millionen an ihre Aktionäre aus.
Es ist ein bemerkenswertes Comeback für die griechischen Geldinstitute. Während der Finanzkrise in den 2010er Jahren stand die Branche mehrfach vor dem Zusammenbruch. Damals hatten die Hellas-Banken griechische Staatsanleihen im Nennwert von fast 30 Milliarden Euro in ihren Büchern. Beim Schuldenschnitt vom Februar 2012 verloren die Institute auf einen Schlag fast ihr gesamtes Eigenkapital.
Fast aus der Euro-Zone geflogen
Dreimal mussten die Banken mit privatem Kapital und staatlichen Hilfsgeldern rekapitalisiert werden. Zuletzt 2015, als der radikal-linke Premier Alexis Tsipras und sein exzentrischer Finanzminister Yanis Varoufakis mit ihrer Konfrontationspolitik gegenüber den internationalen Gläubigern das Land fast aus der Euro-Zone katapultiert hätten.
Durch die Kapitalflucht verloren die Banken rund die Hälfte ihrer Einlagen. Die Bilanzverluste der Krisenjahre summieren sich auf fast 47 Milliarden Euro. Weitere 5,4 Milliarden verloren die griechischen Banken durch die Rezession während der Covid-Pandemie 2020 und 2021.
Aber seit 2023 schreiben die vier systemischen Institute – Alpha Bank, Eurobank, National Bank of Greece (NBG) und Piraeus Bank – wieder schwarze Zahlen. 2024 setzt sich das Comeback fort. Die vier Banken erwirtschafteten in den ersten sechs Monaten Nettogewinne von 2,3 Milliarden Euro. Das waren 25 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.
Branchenbeobachter prognostizieren, dass die vier Banken in diesem Jahr mindestens vier Milliarden Euro Gewinn ausweisen werden. Das lässt steigende Dividenden erwarten. Kein Wunder, dass griechische Bankaktien jetzt gefragt sind.
Der griechische Bankenindex FTSE ATHEX Banks legte seit Jahresbeginn 21 Prozent zu. Mit einem Kursplus von rund 27 Prozent stechen NBG und Eurobank heraus. Die internationalen Ratingagenturen stufen die vier großen Institute, die als systemische Banken unter der Aufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB) stehen, inzwischen wieder als investitionswürdige Schuldner ein.
Schuldenkrise ist überwunden
Die Branche hat die existenzbedrohende Schuldenkrise überwunden und lässt auch die Pandemie Schritt für Schritt hinter sich. Die Liquiditätskrise ist überwunden, die Einlagen wachsen wieder. Das zeigt: Privatkunden und Unternehmen vertrauen den Instituten wieder. Sie bringen ihr Geld auf die Bank. Damit ist eine der Krisenfolgen, die mangelnde Liquidität, überwunden.
Das andere schwere Krisenerbe waren die faulen Kredite. In den 2010er Jahren verlor Griechenland mehr als ein Viertel seiner Wirtschaftsleistung. Zehntausende Unternehmen konnten ihre Darlehen nicht mehr bedienen oder gingen sogar pleite. Wegen der hohen Arbeitslosigkeit, die in der Krise auf 28 Prozent stieg, konnten auch viele Familien ihre Immobilien- und Ratenkredite nicht mehr abbezahlen. Die Folge: 2016 wurden 48,5 Prozent aller ausgereichten Darlehen nicht mehr bedient oder waren akut ausfallgefährdet.
Mit Abschreibungen und dem Verkauf notleidender Forderungen an Kreditverwerter, die sogenannten Servicers, haben die vier großen Banken diese Quote im ersten Halbjahr 2024 auf durchschnittlich 3,6 Prozent abgebaut. Das ist ein bemerkenswerter Fortschritt, auch wenn die NPE-Quote immer noch über dem Durchschnitt der Euro-Zone von zwei Prozent liegt.
Als systemische Banken unterstehen die vier großen griechischen Institute direkt der Aufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB). Es gibt trotz aller Fortschritte einen Punkt, der den Aufsehern der EZB und der griechischen Zentralbank Sorge bereitet: die Kapitalisierung der griechischen Geldinstitute. Nach Angaben der Zentralbank lag die Kernkapitalquote (Tier 1) der vier großen Banken im ersten Quartal 2024 bei 15,4 Prozent. Damit bewegen sich die Institute im Durchschnitt der Euro-Zone.
Ein Problem bleibt
Aber es hapert in Hellas an der Qualität des Eigenkapitals. Ein Großteil entfällt auf latente Steuergutschriften aus Verlustvorträgen. Damit gewährte der Staat 2012 den Banken eine Kompensation für die Verluste aus dem Schuldenschnitt. Sich Steuergutschriften aufs Eigenkapital anzurechnen, ist auch bei Banken in anderen früheren Krisenländern üblich. Aber nirgendwo hat diese Praxis solche Ausmaße wie in Griechenland. Im Durchschnitt der vier systemischen Banken entfallen nach Berechnungen der Ratingagentur Moody’s 56 Prozent des Eigenkapitals auf diese „weiche“ Komponente.
Die EZB mahnt daher die griechischen Banken, die Gewinne hauptsächlich zur Stärkung ihres Eigenkapitals zu verwenden. Entsprechend zurückhaltend sind die Institute vorerst bei den Dividenden: Eurobank und NBG schütten jeweils 30 Prozent ihrer Vorjahresgewinne aus, die Alpha Bank und die Piraeus Bank je zehn Prozent. Die Alpha Bank investiert außerdem weitere zehn Prozent des Gewinns in Rückkäufe eigener Aktien.
In den kommenden Jahren wollen die Banken aber ihre Aktionäre großzügiger an den Gewinnen beteiligen. Eurobank und Alpha Bank planen, ihre Dividenden bis 2026 auf 50 Prozent der Gewinne zu erhöhen.