Neue Studie zum Ursprung von Sars-CoV-2
Corona-Virus stammt wohl von Wildtieren und nicht aus dem Labor
Der Ursprung der Corona-Pandemie ist und bleibt rätselhaft. Einer neuen Studie zufolge stammt das Virus wohl von Wildtieren auf einem Markt in der chinesischen Stadt Wuhan und nicht aus einem Labor. Beweisen lässt sich das aber nicht – und das aus einem eindeutigen Grund.
Von Markus Brauer/Walter Willems (dpa)
Jahrelang hielt die Corona-Pandemie die Welt im Griff. Auch fast fünf Jahre nach dem Ausbruch ist der Ursprung des viralen Erregers Sars-CoV-2 noch immer nicht zweifelsfrei geklärt. Die Pandemie hat aber eindeutig gezeigt: Krankheitserreger aus dem Tierreich, sogenannte Zoonosen, können auf den Menschen überspringen.
Nun liefert eine neue Studie weitere Hinweise darauf, dass er ursprünglich von Wildtieren stammt, die auf dem Markt der chinesischen Millionenmetropole Wuhan gehandelt wurden, und dass er nicht aus einem in der Stadt befindlichen Labor entkam.
Die Studie ist im aktuellen Fachmagazin „Cell“ erschienen.
Genetic tracing of market wildlife & viruses at the epicenter of the #COVID19 pandemic. Common ancestor of #SARSCoV2 linked to Huanan market matches the global common ancestor. Wildlife mitochondrial DNA in samples from stalls positive for SARS-CoV-2.https://t.co/4pcdkHKE0Xpic.twitter.com/H5dzkBaRJq — MicrobesInfect (@MicrobesInfect) September 19, 2024
Erbgut von Wildtieren enthielt genetische Rückstände von Sars-CoV-2
Das internationale Forscherteam analysierte mehr als 800 Proben, die das Chinesische Zentrum für Krankheitskontrolle und -prävention (CDC) ab dem 1. Januar 2020 in verschiedenen Arealen des Huanan Seafood Market in Wuhan genommen hatte. In der Umgebung des Marktes, auf dem auch Wildtiere angeboten wurden, waren Ende 2019 die ersten Covid-19-Fälle registriert worden.
Kurz vor der Entnahme war der Markt geschlossen worden, sodass die Proben nicht direkt von Tieren stammen, sondern unter anderem von Böden, Oberflächen von Käfigen und Ständen sowie von Abwasserrinnen.
Insbesondere die Proben aus jenem Marktareal, wo Wildtiere gehandelt wurden, enthielten neben dem Erbgut von Tieren auch genetische Rückstände von Sars-CoV-2. Bei den Tieren handelte es sich unter anderem um Marderhunde, Schleichkatzen, Bambusratten und Stachelschweine, wie die Wissenschaftler schreiben. Insbesondere von Marderhunden ist bekannt, dass sie Coronaviren enthalten können.
Proben enthielten beide Gründungslinien von Sars-CoV-2
„Viele Tierarten wurden von dem Markt entfernt, bevor die chinesischen CDC-Teams kamen, daher haben wir keinen direkten Nachweis dafür, dass die Tiere infiziert waren“, sagt Ko-Autorin Florence Débarre von der Universität Sorbonne in Paris. Allerdings deute die gleichzeitige Präsenz von Tiererbgut und Sars-Cov-2-Rückständen in Proben darauf hin, dass Tiere auf diesem Markt infiziert gewesen seien.
Dafür spricht zudem der Umstand, dass die Proben von dem Markt die beiden frühen Erregerlinien – genannt A und B – enthalten. Das Virus in einigen Proben liege sehr nahe an der rekonstruierbaren Ursprungsdiversität des Virus, kommentiert der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité, der nicht an der Studie beteiligt war, dieses Resultat.
„Außerdem wurden beide Gründungslinien der Pandemie auf dem Markt nachgewiesen“, so Drosten weiter. Dies sei am besten damit zu erklären, dass der Erreger mehrmals vom Tier auf den Menschen übergesprungen sei.
Kein endgültiger Beweis für die Wildtiermarkt-Theorie möglich
Einen Beweis für eine Herkunft des Erregers von Wildtieren liefert die Studie allerdings nicht. Dafür hätte man direkte Proben von gehandelten Tieren benötigt – und die scheint es nicht zu geben.
„Eine Häufung von positiven Proben an einem Marktstand, der Tiere verkauft hat, kann sowohl durch infizierte Menschen als auch durch infizierte Tiere erklärt werden“, betont der Experte für Virenevolution Richard Neher von der Universität Basel.
„Der größte Teil der Virus-RNA in den Proben kommt wahrscheinlich von infizierten Menschen“, so Neher. „Zu dem Zeitpunkt, als der Markt geschlossen wurde und die ersten Proben gesammelt wurden, waren vermutlich mehr als hundert Menschen auf dem Markt mit Sars-CoV-2 infiziert und haben sehr viel mehr Viren ausgeschieden als eventuell infizierte Tiere.“ Erste Fälle von Covid-19 gab es vermutlich schon im November 2019.
„Funke an einem Pulverfass“
Dennoch deutet Ko-Autor Michael Worobey von der University of Arizona in der US-Stadt Tuscon die Studienresultate als starke Indizien dafür, dass die Pandemie ursprünglich von Wildtieren ausging. Die Studie sei das letzte Stück in einem Puzzle, dessen Bild ohnehin bereits recht deutlich gewesen sei, betont der Virologe.
Worobey beschreibt das wahrscheinlichste Szenario: „Wildtiere mit Viren mitten in Großstädten mit hoher Bevölkerungsdichte mit Menschen in Kontakt zu bringen, zählt zu den riskantesten Dingen, die man tun kann.“ Zwar habe nicht jedes Virus das Potenzial, eine Pandemie zu verursachen, aber potenziell sei dies, wie „einen Funken an ein Pulverfass“ zu legen.
„Weiterer starker Hinweis“ auf die Wildtiere
„Diese neuen Daten sind ein weiterer starker Hinweis darauf, dass die Covid-19-Pandemie mit Sars-CoV-2-infizierten Tieren begann, die südlich von Wuhan gefangen und auf dem Huanan-Tiermarkt gehandelt und geschlachtet wurden“, unterstreicht Friedemann Weber von der Universität Gießen, der ebenfalls nicht an der Studie beteiligt war.
„Während des Transports und der Käfighaltung auf dem Markt konnte sich das Virus unter den Tieren ausbreiten und von diesen auf die Menschen des hochfrequentierten Marktes überspringen“, argumentiert Friedmann. „Für das alternative Szenario, dass das Virus aus einem Labor entkommen wäre, gibt es keine solche Daten.“
Welche Tierart genau für das Überspringen des Virus auf den Menschen verantwortlich ist, lässt die Studie offen. Besonders wahrscheinlich sei dies für Marderhunde, Schleichkatzen, Bambusratten und Malaiische Stachelschweine, heißt es in der Untersuchung.