Kritiker der Corona-Politik wollten zu Kretschmanns Wohnhaus

dpa/lsw Sigmaringen/Stuttgart. Nur auf die Straße gehen, reicht manchen Gegnern der Corona-Maßnahmen nicht mehr. Sie wollen ihren Unmut vor den Privathäusern der Politiker kundtun. Das hätte um ein Haar auch der Regierungschef zu spüren bekommen.

Kritiker der Corona-Politik haben in Sigmaringen versucht, zum Wohnhaus von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) vorzudringen. Eine kleine Gruppe der insgesamt rund 60 Demonstranten wollte eine Absperrung der Straße umgehen, die zum Privathaus des Regierungschefs führt, wie ein Polizeisprecher am Montag mitteilte. Dies sei jedoch verhindert worden. Die „Schwäbische Zeitung“ berichtete zuerst darüber.

Laut Polizei informierten Beamte Kretschmanns Ehefrau Gerlinde darüber, die zur selben Zeit nach Hause kam. Ihr Mann sei nicht daheim gewesen. Insgesamt verlief der Zug der Maßnahmen-Kritiker nach Polizeiangaben friedlich.

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) warf den Demonstranten „Psychoterror“ vor und sagte: „Wer unter dem Deckmantel eines Aufzugs durch Städte und Dörfer irrlichtert und vor dem Wohnsitz von Politikern aufmarschieren möchte, überschreitet eine Grenze.“ Auch die Parteiführung der Grünen sprach von einer „deutlichen Grenzüberschreitung“. „Es handelt sich hier klar um persönliche Bedrohungsszenarien und um Einschüchterungsversuche gegen politisch Verantwortliche und ihre Familien“, sagten die Landesvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen Baden-Württemberg, Lena Schwelling und Pascal Haggenmüller. „Diese kalkulierte Einschüchterung ist erschreckend und inakzeptabel.“

SPD-Fraktionschef Andreas Stoch verurteilte den Vorfall ebenfalls: „Vor dem Privathaus des Ministerpräsidenten zu demonstrieren geht gar nicht. Da geht es nicht darum, seine Meinung kundzutun, sondern um reines Machtgehabe und den Versuch von Einschüchterung.“ Wer Kritik äußern wolle, der habe viele Möglichkeiten dazu. „Wer andere belagern und bedrängen will, geht zu weit und muss in die Schranken gewiesen werden.“

Kritik kam auch von der FDP. Deren Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke nannte den Protest „absolut inakzeptabel“ und ergänzte: „Wer an politisch Verantwortlichen in ihrer Funktion Kritik hat, hat genug Möglichkeiten zur Meinungsäußerung auf vernünftigem Wege.“ Es gebe eine Streitkultur, der sich Politikerinnen und Politiker täglich stellten. „Diese persönlichen Angriffe und Drohungen haben damit aber nichts zu tun und müssen schleunigst unterbunden und im Keim erstickt werden“, sagte der FDP-Politiker.

Es ist in der Pandemie schon häufiger vorgekommen, dass der Protest der Gegner der Corona-Maßnahmen vor die Wohnhäuser von Politikerinnen und Politiker getragen wurde. Ende Januar protestierten zum Beispiel mehr als 20 Menschen vor dem Haus von Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer gegen die Impfpflicht. Mit Rufen wurde der Grünen-Politiker offen angefeindet.

Für bundesweite Aufmerksamkeit sorgte ein Fackel-Aufmarsch vor dem Wohnhaus der sächsischen Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) Anfang Dezember. Damals verurteilte Kretschmann den Vorfall scharf. „Das sind Methoden, die hat die SA erfunden“, sagte er in Erinnerung an die Kampforganisation der NSDAP. So ein Protest gehe gar nicht.

© dpa-infocom, dpa:220214-99-117777/4

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Erstellt:
14. Februar 2022, 09:46 Uhr

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