Coronahilfen lassen auf sich warten

Für die Einkommensausfälle im November und Dezember können kleine Unternehmen und Soloselbstständige Zuschüsse vom Bund beantragen. Doch der Großteil der Gelder ist noch nicht geflossen. So ergeht es Betroffenen aus dem Rems-Murr-Kreis.

Der Friseursalon ist leer: Während des Lockdowns darf Olga Klauser von der Impuls Hair Company keine Kunden empfangen. Sie ist auf die Zuschüsse des Bundes angewiesen. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Der Friseursalon ist leer: Während des Lockdowns darf Olga Klauser von der Impuls Hair Company keine Kunden empfangen. Sie ist auf die Zuschüsse des Bundes angewiesen. Foto: J. Fiedler

Von Melanie Maier

BACKNANG. Oliver Kettner bekommt zurzeit viele verzweifelte Anrufe. Der Referatsleiter für den Bereich Unternehmens- und Gaststättengewerbe bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) im Rems-Murr-Kreis übernimmt, wie viele seiner Kollegen, Telefon-Schichtdienste, in denen er Fragen von Unternehmern zu den Corona-November- und -Dezemberhilfen beantwortet. Manche, sagt Kettner, warten seit Wochen auf ihr Geld.

Nach Problemen bei der Entwicklung neuer Softwareprogramme sind bis auf Abschlagszahlungen noch keine Gelder geflossen. Die reguläre Auszahlung der beantragten Novemberhilfe soll am 10. Januar beginnen. Voraussichtlich, heißt es. Für manchen Soloselbstständigen, manche Unternehmerin kommt das vielleicht zu spät. „Wahrscheinlich können nicht alle die Zeit bis zum Empfang der Zuschüsse überbrücken“, sagt Kettner. Wer keine Rücklagen habe, brauche die Hilfe eigentlich sofort, für andere sei die Zeit zur Auszahlung einfacher zu überstehen. „Manche Unternehmer wissen nicht mehr, wie sie ihre Miete bezahlen sollen“, sagt er. „Für sie kommt es jetzt darauf an, wie kulant die Vermieter sind.“ Kettner befürchtet, dass in den kommenden Wochen einige Unternehmer und Einzelhändler aufgeben werden: „Das könnte zur weiteren Verödung und Leerstand in den Innenstädten führen.“

Thomas Weber von der Privatbühne Kabirinett in Spiegelberg hat die Hilfen vom Bund sowohl für den November als auch für den Dezember beantragt – vor der Coronapandemie waren das seine einkommensstärksten Monate. Für ihn wären die Zuschüsse „eine große Hilfe“.

Mit der Abwicklung der Anträge ist er bisher zufrieden. „Bei der Novemberhilfe haben wir innerhalb von einer Stunde die Info bekommen, dass sie bewilligt worden ist“, sagt er. Ausbezahlt wurde allerdings erst ein Teil der versprochenen Gelder. 50 Prozent der Novemberhilfe seien auf sein Konto geflossen, so Weber. Wann die restliche Zahlung erfolgt, wisse er nicht. Klagen möchte er aber nicht. „Ich bin ein positiver Mensch“, sagt der selbstständige Theatermacher. „Und die Gelder stehen ja in Aussicht.“

In Baden-Württemberg wurden mehr als 36000 Anträge auf die Novemberhilfe gestellt.

Er hofft, dass er zu Beginn der Freiluftsaison wieder durchstarten kann. Denn die Zuschüsse, die er vom Bund bekommen soll, seien bestimmt bald verbraucht, sagt er. „Wir haben 2020 viel investiert“, sagt er. Unter anderem in einen lange geplanten Anbau, außerdem habe er eine Lüftungsanlage ins Theater einbauen lassen. „Vorher hatten wir gar kein Raum-Luft-Konzept, jetzt pustet eine Anlage ständig frische Luft rein.“

Auch dafür hat Weber einen Zuschuss bekommen, eine Förderung für pandemiebedingte Umbaumaßnahmen aus dem Rettungsprogramm „Neustart Kultur“ der Bundesregierung. Er schließt daraus: „Hilfen sind da, aber man muss die Situation schon selbst in die Hand nehmen.“

Für die Auszahlung der Coronahilfen ist in Baden-Württemberg die L-Bank zuständig. Wie viele Anträge im Rems-Murr-Kreis gestellt worden sind, könne sie nicht sagen, teilt Pressesprecherin Cordula Bräuniger mit: Eine Auswertung der Bundesprogramme auf Landkreisebene sei „technisch leider nicht möglich“. Insgesamt wurden in Baden-Württemberg bisher 36343 Anträge auf die Novemberhilfe und 10156 Anträge auf die Dezemberhilfe gestellt (Stand: 7. Januar). Eine erste Überweisung der L-Bank hat auch Dimitrios Pinakas erhalten, der die Gaststätte Storchen in Backnang betreibt. Die Abschlagszahlung über 10000 Euro sei etwa eine Woche nach der Antragsstellung überwiesen worden, sagt er am Telefon. Der Restbetrag stehe noch aus – und wird dringend benötigt.

„Heute Morgen, als ich auf mein Konto geschaut habe, war ich schon traurig“, sagt Pinakas. Seine Mitarbeiter sind seit November in Kurzarbeit. Den Lockdown findet er „nicht mehr lustig, auch psychisch nicht“. Dass die Infektionszahlen noch immer hoch sind, er nicht weiß, wann er seine Gaststätte wiedereröffnen kann, beunruhigt den Gastwirt. „Ein bisschen können wir noch durchhalten“, sagt er, „aber auf Dauer geht das nicht.“

Angesichts der Verlängerung des Lockdowns müssten die Coronahilfen für Unternehmen mit mehr Tempo und weniger Bürokratie an die Betriebe und Selbstständigen ausbezahlt werden, fordert auch Marjoke Breuning, Präsidentin der IHK Region Stuttgart: „Uns droht eine Pleitewelle, wenn sich die Sicherung von Betrieben und Arbeitsplätzen über weitere Wochen hinzieht.“

„Das Geschäftskonto ist leer. Wir schreiben rote Zahlen.“

Ob sie auf die Coronahilfen angewiesen sei? „Na klar“, sagt Olga Klauser sogleich. Dabei hat die Inhaberin des Friseursalons Impuls Hair Company im Zentrum Backnangs die Zuschüsse des Bundes noch nicht einmal beantragt. Ihr Steuerberater sei bis 11. Januar im Urlaub. Sobald er wieder arbeite, kümmere er sich um die Anträge, sagt die Stylistin. Ihren Friseursalon musste sie am 16. Dezember schließen. Die Restaurants waren da schon lange zu. Der November sei aber auch für sie kein guter Monat gewesen, sagt Klauser. Ein Großteil der Kundschaft sei ausgeblieben. Die Miete, die Gehälter der drei Mitarbeiterinnen, die Umsatzsteuer für die vergangenen Monate sowie laufende Kosten, etwa für Versicherungen, muss sie mittlerweile aus ihrem privaten Sparbuch bezahlen. „Das Geschäftskonto ist leer. Wir haben keine Einnahmen“, sagt Klauser. „Wir schreiben rote Zahlen.“

Die Friseurin hofft, dass der Lockdown am 31. Januar endet – und dass ihre Anträge auf die Coronahilfen bis dahin bewilligt worden sind. Nach dem ersten Lockdown, im März, sei das Geschäft „wahnsinnig gut“ gelaufen, sagt sie. Zehn bis zwölf Stunden am Tag haben sie und ihre Mitarbeiterinnen gearbeitet. Der Bedarf nach einem neuen Haarschnitt war groß.

Klauser geht davon aus, dass das auch dieses Mal der Fall sein wird, und freut sich darauf, nach dem Ende des Lockdowns „nonstop“ zu arbeiten. Nun gelte es, die Zeit bis dahin zu überbrücken. „Wenn ich weiß, dass die Hilfe kommt, kann ich warten“, sagt Klauser. „Wenn das nicht funktioniert, weiß ich nicht, wie es weitergehen soll.“

November- und Dezemberhilfen

Bis zum 31. Januar können Unternehmen, Betriebe, Selbstständige und Vereine die Novemberhilfe, bis zum 31. März 2021 die Dezemberhilfe beantragen.

Die Höhe der Zuschüsse beträgt 75 Prozent des jeweiligen Vergleichsumsatzes und wird anteilig für jeden Tag im November beziehungsweise Dezember 2020 berechnet, an dem ein Unternehmen tatsächlich vom coronabedingten Lockdown direkt, indirekt oder über Dritte betroffen war.

Über die Coronahotline der IHK können sich Betroffene informieren: von Montag bis Donnerstag 8.30 bis 16.30 Uhr, Freitag bis 15 Uhr, Telefon 0711/20051677.

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Erstellt:
11. Januar 2021, 06:00 Uhr

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