„Da brauchst du echt ein gutes Team“

Sommerreportage: Was vor dem Wochenmarkt geschieht – Marktbeschicker muss mit Wetterwidrigkeiten klarkommen

Wochenmarkt in Backnang. Mittwochs und samstags gibt es in der Fußgängerzone die Möglichkeit, bei Erzeugern und Marktfrauen, Direktvermarktern und Händlern Obst und Gemüse, Blumen, Eier und vieles mehr einzukaufen. Für die Marktbeschicker beginnt der Tag jedoch schon lange bevor die ersten Kunden kommen, um ihre Körbe zu füllen.

Als Cornelia Schaaf am Verkaufsstand in Aktion ist, erinnert nichts mehr daran, dass an diesem Morgen nur eine Stunde vorher ein Wolkenbruch den Aufbau behindert hat. Fotos: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Als Cornelia Schaaf am Verkaufsstand in Aktion ist, erinnert nichts mehr daran, dass an diesem Morgen nur eine Stunde vorher ein Wolkenbruch den Aufbau behindert hat. Fotos: J. Fiedler

Von Armin Fechter

BACKNANG. Normalerweise kommt Johannes Schaaf mit seinem Lastwagen gegen 6 Uhr früh an. Den mit Kühlung ausgestatteten Lkw hat er schon am Abend davor mit Blumen, Obst, Beeren, Gemüse vollgeladen. Palette steht dann an Palette, auf jeder sind Holzkisten und Obststeigen gestapelt. Daneben sind Bretter, Stangen, Planen und Platten verstaut. Tetris für Praktiker. Doch das Innenleben auf der Ladefläche wird erst sichtbar, wenn Schaaf gewendet hat und rückwärts vom Obstmarkt her in die Uhlandstraße hineingefahren ist und die Rückwand des Lasters sich öffnet.

Doch an diesem Morgen ist der geregelte Ablauf gestört: Ein gewaltiges Gewitter hat sich zusammengebraut, um Punkt 6 Uhr entlädt es sich über der Stadt. Blitze zucken, Donner grollt, und es schüttet wie aus Eimern. Einem Sturzbach nicht unähnlich schießt das Wasser die Schillerstraße abwärts. An Ausladen ist vorerst nicht zu denken. Schaaf und sein Team sind nicht die einzigen Betroffenen: Auch andere Marktbeschicker bleiben lieber im Fahrzeug sitzen oder suchen Schutz unter überstehenden Dächern oder an Eingängen.

Als der Wolkenbruch nachlässt, wird in Windeseile aufgebaut

Nach einer halben Stunde lässt der Regen ein wenig nach. Jetzt ist Eile geboten. Zum Glück haben Schaaf, seine Frau Cornelia sowie Melanie Kirsten und Kris Zubek die Abläufe längst verinnerlicht. Routiniert werden erst große Metallständer aufgestellt und darüber die großen Schirme mit dem Schäfchenmotiv aufgespannt. „So, a Dächle hemmer“, lacht der Aspacher. Obwohl es immer noch dunkel ist und der Regen anhält, geht der Aufbau weiter: Die Stangen für die Verkaufstische werden zusammengesteckt, Bretter aufgelegt und Platten darüber, um eine Unterlage für die Kisten mit der Ware zu haben. Regen ist aber längst nicht die einzige Widrigkeit, mit der die Marktleute rechnen müssen. Im Winter etwa liegt manchmal Schnee oder ist der Boden vereist. Dann müssen zum Aufbau auch Lampen her. „Aber das haben wir uns heute gespart“, sagt Schaaf. Und er kann sich einen flotten Spruch nicht verkneifen: „Bei gutem Wetter kann jeder Dackel Heu machen.“

Sesam, öffne dich: Eine Ladebühne und zwei Hubwagen erleichtern für Johannes Schaaf das Ein- und Ausräumen am Lastwagen.

© Jörg Fiedler

Sesam, öffne dich: Eine Ladebühne und zwei Hubwagen erleichtern für Johannes Schaaf das Ein- und Ausräumen am Lastwagen.

Ein kleiner und ein großer Hubwagen und eine Ladebühne erleichtern das Ausladen. Palettenweise wird die Ware abgesetzt und Kiste für Kiste auf die Verkaufstische gehoben. Dabei werfen die Helfer auch noch einmal einen kritischen Blick auf die Früchte: Findet sich ein angemackter Apfel oder Pfirsich, landet er sofort in der Abfallkiste. Andererseits schnappen sich der Chef und die Mitarbeiter auch mal eine saftige Aprikose.

Während sich die Tische rasch füllen, geht der Blick auch ab und zu in Richtung Himmel. Schaaf wirkt nachdenklich. „Wir wissen nicht, was der Tag bringt und was läuft“, überlegt er. Das ist zwar immer die Ungewissheit. Heute aber besonders. Deshalb fügt er hinzu: „Wenn es den ganzen Tag regnet...“ Das Weitere bleibt ungesagt. Unternehmerisches Risiko eben. „Wir müssen immer gefühlsmäßig entscheiden, was wir brauchen und was gehen könnte“, erläutert er dann weiter. Aber immerhin: Die Wetter-App kündigt Besserung an.

„Wir haben auch schöne Tage, an denen man entspannt ausladen kann“, erzählt Schaaf, „aber man muss es so und so hinkriegen. Da brauchst du echt ein gutes Team, wo jeder weiß, wo er hinlangen muss.“ Am Vorabend hat er noch Ackersalat gesät, den er im Winter als eigenes Erzeugnis auf den Markt bringt, ebenso wie im Frühsommer Erdbeeren. In seiner Landwirtschaft in Allmersbach am Weinberg baut er ansonsten noch Getreide an, auch Kürbisse und Himbeeren. Und ein paar Reben gehören dazu. Aber: „Mehr ist zeitlich nicht zu schaffen.“

Auch so ist die Woche schon recht genau durchgetaktet. Montag ist für ihn wie für andere Leute Samstag – da wird vor allem daheim herum geschafft. Am Dienstag beginnt bereits der Einkauf für den nächsten Markttag: Kartoffeln aus Lauffen am Neckar, Kirschen und neue Äpfel ebenfalls aus dem Neckartal. Auf dem Großmarkt in Stuttgart holt er Salate, Radieschen, Gemüse – Schaaf hat seine Kontakte, sein Sortiment stellt er vor allem bei kleinen Anbietern zusammen, die er seit vielen Jahren kennt. Um den Wünschen der Kunden entgegenzukommen, hat er beispielsweise auch Südfrüchte aufgenommen. „Aber man darf sich nicht verzetteln dabei.“ Mittwochs ist dann Markttag in Backnang: Die Kundschaft will versorgt sein. Nach dem Aufräumen geht es meist schon auf 15 Uhr zu, bis er nach Allmersbach zurückkommt. Dann gilt es aber noch, die Ware zurück in die Kühlzelle zu schaffen.

Melanie Kirsten sortiert die unterschiedlichen Tomaten und füllt die Kisten auf, damit kein Engpass entsteht, wenn die Kunden kommen. Gleichzeitig dient dies der Qualitätskontrolle.

© Jörg Fiedler

Melanie Kirsten sortiert die unterschiedlichen Tomaten und füllt die Kisten auf, damit kein Engpass entsteht, wenn die Kunden kommen. Gleichzeitig dient dies der Qualitätskontrolle.

Donnerstag ist wieder Einkaufstag, da werden die speziellen Sachen fürs Wochenende besorgt. Freitags, mitunter auch erst samstags holt er schließlich noch frische Beeren für den Wochenmarkt in Backnang. Die ganze Familie hilft mit: Ehefrau Cornelia, Tochter Louisa und Sohn Luca. Das war schon früher so üblich, als die Großeltern noch vom Trailhof aus auf den Wochenmarkt kamen. In diese Aufgabe ist Schaaf, obwohl gelernter Industriemechaniker, mit der Zeit hineingewachsen – nicht zuletzt weil er immer nebenher noch die Landwirtschaft hatte. Und am Montag beginnt alles von vorne.

Wo die Schirme über dem Marktstand zusammenstoßen, knüpft Kris Zubek noch eine Extrabahn ein, damit sich das Regenwasser später nicht über die Ware ergießt.

© Jörg Fiedler

Wo die Schirme über dem Marktstand zusammenstoßen, knüpft Kris Zubek noch eine Extrabahn ein, damit sich das Regenwasser später nicht über die Ware ergießt.

Zum Artikel

Erstellt:
31. August 2019, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen