Herbert Kickl
„Daham statt Islam“ – umstritten und bald Kanzler?
Der schillernde FPÖ-Mann Herbert Kickl ist in Österreich mit der Regierungsbildung beauftragt worden. Vor Kurzem galt er noch als „Sicherheitsrisiko“ und Gefahr für die Pressefreiheit. Nun stilisiert er sich als angehender „Volkskanzler“.
Von Michael Maier
Steht FPÖ-Chef Herbert Kickl kurz vor dem Höhepunkt seiner Karriere? Der 56-jährige Politiker könnte bald Bundeskanzler in Österreich werden, nachdem Bundespräsident Alexander Van der Bellen seiner Partei offiziell den Auftrag zur Regierungsbildung erteilt hat. Eine erstaunliche Wende, nachdem Kickl noch vor Kurzem von Gegnern als „Sicherheitsrisiko“ und „Problem für die Demokratie“ bezeichnet wurde.
Kickls Werdegang ist geprägt von Widersprüchen. Geboren 1968 in einer Arbeiterfamilie in Radenthein (Kärnten) wuchs er in bescheidenen Verhältnissen auf. Nach dem Abitur versuchte er sich bei den Gebirgsjägern und später im Studium der Publizistik, Politik, Geschichte und Philosophie mit dem Spezialgebiet Hegel. Sowohl das Studium als auch die militärische Ausbildung brach er ab.
Als Hobby betreibt Herbert Kickl Extremsport (Triathlon). Sein eigentlicher Aufstieg begann in der FPÖ, wo er sich vom Mitarbeiter der Parteiakademie zum Redenschreiber Jörg Haiders (1950-2008) hocharbeitete.
Kickl-Wahlsieg 2024
Die FPÖ erreichte unter seiner Führung bei der Nationalratswahl im September 2024 mit 28,9 Prozent der Stimmen den ersten Platz – ein historischer Erfolg. Aktuelle Umfragen sehen die Partei sogar bei 35 Prozent. Besonders bemerkenswert: 50 Prozent der österreichischen Arbeiter wählten die FPÖ.
Kickls politischer Stil ist umstritten. Gegner kritisieren seine Rhetorik und werfen ihm die Verwendung historisch belasteter Begriffe vor. So nutzt er Formulierungen wie „Volkskanzler“ oder spricht von der „Familie Österreich“ und der „Festung Österreich“. In der Corona-Pandemie wetterte er gegen Lockdowns und die in Österreich verhängte Impfpflicht.
Kickl fordert Remigration
Seine Positionen zur Migration sind hart: Er plädiert für „Remigration“ und strikte Einwanderungskontrollen. Ein besonders kontroverser Slogan aus Kicksl Feder war „Daham statt Islam“ im Nationalratswahlkampf 2006. Die Parole, von der sich die FDP eigentlich schon distanziert hatte, scheint nun wieder aktuell zu werden, denn insbesondere fordert Kickl die schnelle Abschiebung aller Syrien-Flüchtlinge aus Österreich.
Bei traditionellen Konservativen gibt es wenig Widerspruch dagegen: Auch die mögliche ÖVP-Koalitionspartnerin Johanna Mikl Leitner sprach in einem TV-Interview vom „Kampf gegen den Islam“, korrigierte sich nach der Sendung dann zu „Kampf gegen den politischen Islam“. Moslemverbände zeigten sich entsetzt.
FPÖ für Neutralität
In der Außenpolitik gelten die FPÖ und ihr Vormann als EU-skeptisch mit russlandfreundlicher Haltung. Kickl lehnt Waffenlieferungen ab, spricht sich gegen die europäischen Russland-Sanktionen aus und tritt für eine vollständige Wiederherstellung der österreichischen Neutralität sowie für sofortige Verhandlungen mit allen Seiten im Ukraine-Konflikt ein. Ein NATO-Beitritt kommt für ihn nicht in Frage. Außerdem will Kickl offenbar die Defizitziele der EU aufweichen, um eine strikte Sparpolitik zu vermeiden – eine Richtung, die aber auch andere Länder wie Frankreich in letzter Zeit verstärkt einschlagen.
Ex-Innenminister Herbert Kickl
Seine Anhänger sehen in Kickl einen Vertreter des „kleinen Mannes“, der die Sorgen der Bevölkerung ernst nimmt. Sie verweisen darauf, dass die FPÖ bereits in fünf Landesregierungen mitregiert und Kickl selbst schon Innenminister war. Anders als bei der deutschen AfD gibt es in Österreich keine „Brandmauer“ zu den etablierten Parteien.
Die mögliche Kanzlerschaft Kickls markiert einen Wendepunkt in der österreichischen Politik. Manche sprechen sogar vom drohenden „Ende der 2. Republik“. Während seine Unterstützer auf demokratische Legitimation und notwendige politische Veränderungen verweisen, warnen Kritiker vor einer Gefährdung demokratischer Grundwerte.
Kickl und die Ibiza-Affäre
Die Ibiza-Affäre, die 2019 zur Entlassung von Kickl als Innenminister führte, bleibt ein dunkles Kapitel seiner Karriere. Er hatte die Vorwürfe gegen seine damaligen Parteifreunde Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus mutmaßlich nicht ernst genug genommen und verschleppte Ermittlungen gegen sie. Als einziger österreichischer Minister seit 1945 wurde er aus dem Amt entfernt.
Wenig später stürzte über den Skandal die gesamte Rechtskoalition von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Es ging dabei um illegale Parteienfinanzierung und Verhandlungen zum möglichen Kauf der Boulevardzeitung „Krone“ durch FPÖ-Verbündete und eine falsche russische Oligarchin – auf Ibiza heimlich mit einer versteckten Kamera gefilmt.
Kickls Verhältnis zur Pressefreiheit
Fragwürdig ist auch Kickls Haltung zur Pressefreiheit: Das Innenministerium hatte 2018 die PR-Beauftragten der Polizei angewiesen, kritische Medien wie die Tageszeitungen „Standard“ und „Kurier“ sowie das Wochenmagazin „Falter“ nur noch das „nötigste Maß“ an Informationen zukommen zu lassen. Willfährige Medien sollen dagegen großzügig mit Inseraten der Bundesregierung gefördert worden sein. Die rechtliche Aufarbeitung läuft noch.
Es wurde Kickl auch unterstellt, mit der Durchsuchung von Redaktionen zu liebäugeln, nachdem er bereits eine Hausdurchsuchung der Polizei beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) durchführen lassen hatte. Diese wurde später von einem Gericht für illegal erklärt – bislang allerdings ohne persönliche Konsequenzen für Herbert Kickl.
Herbert Kickl im Porträt
- Geboren: 19. Oktober 1968 in Villach/Kärnten
- Beruf: Studienabbrecher, Politiker und FPÖ-Chef
- Familienstand: Verheiratet, ein Sohn
- Ehemalige Positionen: Innenminister, Generalsekretär der FPÖ
- Kontroversen: BVT-Skandal, Ibiza-Affäre
- Studium der Publizistik und Politikwissenschaft (nicht abgeschlossen)
- Studium der Philosophie und Geschichte (nicht abgeschlossen)
Herbert Kickls Karriere
- 1995: Eintritt in die FPÖ-Parteiakademie
- 2002: Geschäftsführer der FPÖ-Parteiakademie
- 2005: Geschäftsführer des Parteiblatts „Neue Freie Zeitung“
- 2005-2018: Generalsekretär der FPÖ
- 2006: Erster Einzug als Abgeordneter in den Nationalrat
- 2017: Ernennung zum Bundesminister für Inneres
- 2019: Entlassung als Innenminister
- 2021: Nachfolger von Norbert Hofer als Bundesparteiobmann
Bundespräsident Alexander van der Bellen (Grüne) betonte nun, er werde unter einem Kanzler Herbert Kickl die Einhaltung von Rechtsstaat, Gewaltenteilung und EU-Verpflichtungen genau beobachten. Viele Beobachter glauben ohnehin, dass Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz von der ÖVP schon in den Startlöchern sitzt, um Kickl spätestens nach ein bis zwei Jahren wieder zu stürzen.
Kurz wurde jedoch in erster Instanz der Lüge und Freunderlwirtschaft überführt und für Falschaussagen im Zusammenhang mit der Besetzung von Aufsichtsratsmandaten bei der Staatsholding ÖBAG zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Er soll auch in die erwähnte Inseraten-Affäre verwickelt sein - und könnte die Intelligenz und Fähigkeiten von Herbert Kickl unterschätzt haben.