„Electric only“: Mercedes verabschiedet Verbrennungsmotor
dpa Stuttgart. Mit dem Verbrennungsmotor verdient der Autokonzern Daimler zurzeit mit Abstand am meisten Geld. Eine Zukunft allerdings hat diese Technologie im Pkw-Bereich bei den Stuttgartern nicht mehr.
Im Ringen der führenden Autobauer um die Vorherrschaft bei der Elektromobilität zieht Daimler nach. Der Stuttgarter Konzern setzt sich deutlich ambitioniertere Ziele für den Durchbruch der eigenen E-Flotte. Zudem kündigte er bei einem Investorentag am Donnerstag für seine Pkw-Stammmarke Mercedes-Benz im Kern auch den baldigen Abschied vom Verbrennungsmotor an. Und das, obwohl das Unternehmen mit dieser Technologie heute noch den Großteil seines Geldes erwirtschaftet.
Man werde unter dem Leitbegriff „Electric only“ künftig das ganze Mercedes-Geschäft auf elektrisches Fahren ausrichten, hieß es. Schon im Jahr 2025 wollen die Schwaben rund 50 Prozent ihrer Neuverkäufe mit vollelektrischen oder Plug-in-Autos erzielen - das sind doppelt so viel wie bisher geplant. Man bereite sich zudem vor, bis zum Ende des Jahrzehnts „vollelektrisch zu werden“ - unter anderem auch durch den Aufbau einer eigenen Zellproduktion im großen Stil. Hier will Daimler mit Partnern weltweit acht Gigafabriken mit einer Gesamtkapazität von mehr als 200 Gigawattstunden errichten.
Das alles sind forschere Töne und Pläne als bislang bekannt, auch wenn die bisherige Mercedes-Langfriststrategie unter dem Titel „Electric first“ bereits einen klar batterieelektrischen Schwerpunkt hatte. Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer sagte der Deutschen Presse-Agentur, diese nochmalige Strategieverschärfung spiegele den „eindeutigen Trend“ auf dem gesamten Automarkt wieder, „dass die Hersteller im vollelektrischen Auto das Fahrzeug der Zukunft sehen“.
Das habe vor allem damit zu tun, dass das politische Ansinnen, den von Verbrennern verursachten CO2-Ausstoß auf der Straße stark zu minimieren, in den drei entscheidenden Absatzmärkten Europa, USA und China inzwischen groß sei. Nicht nur der Verbrenner stehe in wenigen Jahren vor dem Aus, auch Hybridautos - derzeit in Deutschland nicht zuletzt wegen staatlicher Förderungen im Trend - hätten schon bald keine Zukunft mehr.
Bisher verdient Daimler das mit Abstand meiste Geld mit herkömmlichen Verbrennungsautos, also Benzinern oder Dieselfahrzeugen. Die Zahl der verkauften vollelektrischen Pkw machte im ersten Halbjahr gerade mal etwas mehr als 3 Prozent aller ausgelieferten Autos aus, hinzu kommt ein etwas höherer Anteil von Hybridautos. Die Branche rechnet allerdings - auch angesichts politischer Vorgaben - in den nächsten Jahren mit rasant wachsenden Absatzquoten bei E-Autos.
Im Vergleich der deutschen Autohersteller richtet sich Mercedes aus Dudenhöffers Sicht damit ähnlich radikal wie der Volkswagen-Konzern auf die neue Zeit aus. VW hatte zuletzt unter anderem milliardenteure Pläne zum Aufbau sechs eigener Batteriezellfabriken bekanntgemacht, die mittelfristigen Verkaufsziele sind ebenso ambitioniert. So soll beispielsweise die Kernmarke VW Pkw bis 2030 in Europa mindestens 70 Prozent ihrer Verkäufe aus dem Absatz reiner Stromer bestreiten.
Die Daimler-Pkw-Tochter Mercedes-Benz kündigte an, zwischen 2022 und 2030 seien Investitionen von mehr als 40 Milliarden Euro in batterieelektrische Fahrzeuge vorgesehen. Konkret sollen bei Mercedes im Pkw- und Van-Bereich alle neuen Fahrzeug-Architekturen - die technische Basis von Fahrzeugmodellen - ab 2025 ausschließlich elektrisch sein. Im gleichen Jahr werde man drei neue dieser Plattformen einführen. Ebenfalls bis Mitte des Jahrzehnts soll den Kunden für jedes Mercedes-Modell in jedem Fall auch eine vollelektrische Alternative zur Auswahl stehen.
Eine Abkehr von bisherigen Plänen steckt hinter der Ankündigung, dass Daimler bald mit Partnern auch selbstständig Batteriezellen - also sozusagen das Herzstück von Batterien - produzieren wird. Eigentlich hatte Konzernchef Ola Källenius hier Geld sparen und auf Zulieferer setzen wollen. Zuletzt hatten allerdings Berichte über eine ungenügende Qualität von gelieferten Zellen die Runde gemacht, Daimler hatte das nicht näher kommentiert.
Zu den Gigafabriken blieben am Donnerstag noch viele Fragen offen. Daimler teilte lediglich mit, dass vier der acht Fabriken in Europa stehen sollen, drei in Asien, hinzu kommt eine in den USA. Wo die Fabriken jeweils genau gebaut werden sollen und mit welchen Partnern man hier zusammenarbeiten will, blieb vorerst offen. Die Zellfabriken sollen in jedem Fall das bereits geplante Netz an neun Fabriken ergänzen, die Batteriesysteme aus den Zellpaketen zusammensetzen.
Natürlich führt das alles zu einem noch wesentlich größeren Strombedarf bei Daimler. Das Projekt sei aber nur dann sinnvoll, wenn dieser Strom dann aus erneuerbaren Energien stamme, sagen Naturschützer. Die Umweltorganisation BUND forderte den Konzern zu Transparenz auf: „Wer den Weg einer rein elektrischen Marke einschlägt, muss auch klarmachen, woher die dafür benötigten erneuerbaren Energien kommen.“ Für die Produktion und den Betrieb aller Fahrzeuge brauche es erneuerbaren Strom, der naturverträglich zugebaut werden müsse. „Der Kauf von CO2-Zertifikaten oder Rechentricks beim eingesetzten Strom wären Greenwashing und sind nicht akzeptabel.“
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