Asyl in Deutschland
Das ABC des Asylrechts
Jeder redet über das Thema Migration. Was sich aber genau hinter den Begriffen in der Debatte verbirgt, ist oft unklar. Wir geben einen Überblick zu den wichtigsten Punkten.

© dpa/Patrick Pleul
Das Thema bewegt – und entscheidet Wahlen.
Von Christian Gottschalk
Kein Thema hat die deutsche Politik in den vergangenen Jahren so sehr bestimmt wie das Migrationsrecht. Bei kaum einem anderen Thema geraten allerdings die Begrifflichkeiten so durcheinander wie bei diesem. Welche Arten von Schutz gibt es überhaupt? Was ist der Unterschied zwischen Rückführung und Abschiebung?
Die beiden Stuttgarter Verwaltungsrichter Katrin Kurz und Matthias Modrzejewski haben nahezu täglich mit diesem Thema zu tun. Mit ihnen bringen wir Ordnung in das Dickicht der Begriffe.
Teil 1: Das Kommen
Neben dem grundgesetzlichen Asyl können in einem Asylverfahren drei weitere Schutzformen gewährt werden: Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention, subsidiärer Schutz und Abschiebungsverbote. Die Schutzformen sind mit unterschiedlichen Rechten für den weiteren Aufenthalt in Deutschland verbunden.
Asyl
Menschen, die durch den Herkunftsstaat oder staatsähnliche Akteure politisch verfolgt werden, erhalten in Deutschland Asyl. Das regelt das Grundgesetz. Um Asyl nach Artikel 16a GG zu erhalten, dürfen die Betroffenen nicht über einen sicheren Drittstaat nach Deutschland eingereist sein. Da Deutschland ausschließlich von sicheren Drittstaaten umgeben ist, kann diese Art von Asyl praktisch nur bekommen, wer mit dem Flugzeug einreist. Denkbar wäre zum Beispiel ein Türke, der sich in der Türkei politisch gegen die Regierung engagiert und mit dem Flugzeug einreist. Im vergangenen Jahr haben nur 0,7 Prozent aller Schutzsuchenden diese Form des Schutzes erhalten.
Flüchtlingskonvention
Der Flüchtlingsschutz basiert auf der Genfer Flüchtlingskonvention. Schutz erhält, wer in seinem Herkunftsland wegen seiner Ethnie, Religion, politischen Überzeugung oder sexuellen Orientierung verfolgt wird. Dies gilt auch bei der Verfolgung durch nicht-staatliche Akteure, wenn der Staat gegen diese Akteure keinen ausreichenden Schutz bietet. Ein Beispiel können die Mädchen aus einigen afrikanischen Ländern oder dem Irak sein, denen die Beschneidung droht, sagt Richter Matthias Modrzejewski. Dieser Eingriff erfolge nicht durch den Staat, könne aber zum Flüchtlingsschutz führen.
Subsidiärer Schutz
Der subsidiäre Schutz greift ein, wenn weder der Flüchtlingsschutz noch die Asylberechtigung gewährt werden können und im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht. Im Unterschied zum Schutz nach der Flüchtlingskonvention braucht es keine individuelle Verfolgung. Es reicht, wenn man in dem Herkunftsland einem generellen Übel ausgesetzt ist. Das kann bei Homosexuellen der Fall sein, denen in ihrem Land die Todesstrafe droht, oder bei einem Rentner in Syrien, der zwar nicht mehr befürchten muss zum Wehrdienst eingezogen zu werden, aber mitten im Bürgerkriegsgebiet lebt.
Interner Schutz
Was nach Schutz in Deutschland klingt, bedeutet praktisch das Gegenteil. In Deutschland wird kein Schutz zuerkannt, obwohl eigentlich ein Schutzgrund wie Verfolgung existiert. Allerdings ist das Herkunftsland so groß oder so schlecht organisiert, dass ein Überleben in einem anderen Teil des Landes möglich ist. „In der Türkei würde das wohl nicht funktionieren“, sagt Richterin Katrin Kurz. In Nigeria, wo es kein Meldewesen gibt, oder in Indien, könne man daran aber denken.
Ausschlussgründe
Wer in seinem Herkunftsland Kapitalverbrechen begangen hat, kann in Deutschland weder Schutz nach der Flüchtlingskonvention noch subsidiären Schutz erhalten. In der Praxis komme es vor, dass Schutzsuchende angeben, von anderen Familien verfolgt zu werden, nachdem sie gegenüber einem Mitglied dieser Familie eine schwere Straftat begangen haben, wie Tötung oder Vergewaltigung, erklärt Matthias Modrzejewski. Selbst wenn das Gericht zu dem Schluss käme, dass die behauptete Verfolgung real sei, könne dieser Schutz dann nicht gewährt werden, so der Richter.
Nationales Abschiebeverbot
Wenn die drei Schutzformen nicht greifen, kann bei Vorliegen bestimmter Gründe ein Abschiebungsverbot erteilt werden. „In der Praxis am häufigsten sind medizinische Fälle“, sagt Katrin Kurzi. Wenn der Betroffene zum Beispiel an einer lebensbedrohenden Erkrankung leide, die in seiner Heimat nicht behandelt werden kann.
Duldung
Eine Duldung ist die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung ausreisepflichtiger ausländischer Staatsangehöriger, da diese aus rechtlichen oder praktischen Gründen noch nicht ausgeführt werden kann. Zum Beispiel, weil es an Papieren oder einer Flugverbindung fehlt. Die Duldung ist kein Aufenthaltsstatus und muss regelmäßig verlängert werden, in der Regel erlischt sie mit der Abschiebung. Manche Duldungsarten, zum Beispiel aus Gründen der Ausbildung, stehen einer Abschiebung entgegen.
Dublin-Verfahren
Hierbei wird geprüft, welches Land für ein Asylverfahren zuständig ist. Laut Gesetz handelt es sich um das Land, in dem ein Schutzsuchender als erstes eingereist ist – in der Praxis ist es das Land, in dem die Person zuerst aufgegriffen wurde. „Das muss nicht identisch sein“, sagt Katrin Kurz. Neben den EU-Mitgliedstaaten wenden auch Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz die Dublin-Verordnung an.
Teil 2: Das Gehen
Wer keinen Schutz bekommt, der muss das Land wieder verlassen. Manchmal auch die, die Schutz hatten, ihn aber verwirkt haben.
Die Ausweisung
Die Ausweisung hat nicht speziell etwas mit dem Asylverfahren zu tun sondern gilt für alle Ausländer, gerade auch für solche, die seit Jahren rechtmäßig in Deutschland leben. Sie ist der „absolute Ausnahmefall“, sagt Matthias Modrzejewski. Es handelt sich um einen behördlichen Verwaltungsakt, mit dem das Aufenthaltsrecht erlischt, weil die betreffende Person als Gefahr für das Land angesehen wird. In der Praxis ergeht die Ausweisung oft ohne Ausreiseaufforderung, weil die betroffene Person ein Abschiebungsverbot hat. Sie dient dann nur dazu, dass der Aufenthaltstitel erlischt.
Vollziehbar Ausreisepflichtig
Eine Person ist unter anderem dann vollziehbar ausreisepflichtig, wenn ihr Asylantrag unanfechtbar abgelehnt wurde. Das ist die Voraussetzung für eine Abschiebung.
Abschiebung
Das ist die zwangsweise Durchsetzung einer Ausreisepflicht unter Anwendung von Zwangsmitteln, wenn der Betroffene kein Aufenthaltsrecht mehr genießt und einer Aufforderung zur Ausreise nicht freiwillig nachkommt. Zuständig sind die Länder.
Einreise- und Aufenthaltsverbot
Wer nicht freiwillig ausgereist ist, sondern abgeschoben wurde, darf die Bundesrepublik für eine gewisse Zeit nicht mehr betreten. In der Regel sind das 30 Monate.
Teil 3: Weitere Begriffe
Arbeitserlaubnis
Anerkannte Flüchtlinge dürfen arbeiten, egal ob sie Asyl haben, Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention, subsidiären Schutz oder ob ein Abschiebeverbot besteht. Während des Anerkennungsverfahrens dürfen Schutzsuchende nach einer Frist von drei oder sechs Monaten arbeiten. Für Geduldete gelten in der Regel die gleichen Fristen.
Sicheres Herkunftsland
Länder, in denen vermutet wird, dass keine Verfolgung oder unmenschliche Behandlung droht. Wenn Anträge von Menschen aus diesen Ländern abgelehnt werden, sind sie schneller vollziehbar ausreisepflichtig. Die Liste der entsprechenden Länder wird von Bundestag und Bundesrat festgelegt. Derzeit zählen neben allen EU-Mitgliedern dazu: Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro, Senegal, Serbien, Georgien und die Republik Moldau.
Sichere Drittstaaten
Zu den sicheren Drittstaaten zählen alle EU-Mitgliedstaaten sowie Norwegen und die Schweiz. Da Deutschland von sicheren Drittstaaten umgeben ist, haben nur diejenigen Schutzsuchenden, die auf dem Luft- oder Seeweg nach Deutschland gelangen, die Möglichkeit, als Asylberechtigte nach Art. 16 a GG anerkannt zu werden.
Rückführung
„Eigentlich ist das nur ein besser klingendes Wort als Abschiebung“, sagt Matthias Modrzejewski. Besonders europarechtlich wird der Begriff verwendet. So wird eine EU-Richtlinie, in der auch Regeln zur Abschiebung enthalten sind, als Rückführungsrichtlinie bezeichnet.
Familiennachzug
Wer Asyl erhalten hat oder Schutz nach der Flüchtlingskonvention, darf seine Kernfamilie nachholen. Das sind bei Erwachsenen der Ehegatte und die Kinder, bei unbegleiteten Minderjährigen die Eltern. Für Menschen mit subsidiärem Schutz gibt es die Möglichkeit, Familienmitglieder im Rahmen einer Kontingentlösung nachzuholen. Wer sich dank eines Abschiebeverbotes oder einer Duldung in Deutschland aufhält, hat dieses Recht grundsätzlich nicht.
Ukrainer
Für Ukrainer, die vor dem Krieg in ihrem Land geflohen sind, gelten grundlegend andere Regeln. Zunächst dürfen sie 90 Tage visafrei in der Bundesrepublik Deutschland bleiben, danach bekommen sie eine Aufenthaltserlaubnis. Diese gilt aktuell bis zum 4. März 2026. Das Datum ist in der Vergangenheit mehrfach pauschal verlängert worden. Mit dieser Erlaubnis dürfen die Menschen arbeiten.