Das Abschiednehmen hat für Uwe Bossert begonnen
Nach dann 23 Jahren im Amt zieht sich Uwe Bossert als Bürgermeister von Spiegelberg im November 2023 zurück. Bei der Wahl des Zeitpunkts hat er vor allem das Wohl der Gemeinde, die ihm sehr ans Herz gewachsen ist, im Blick. Das Rathausteam wird ihm fehlen, doch Ehrenämter und schöne Erinnerungen werden bleiben.
Von Nicola Scharpf
Spiegelberg. Nun beginnen die letzten Male für Uwe Bossert. Der Haushalt 2023 zum Beispiel wird der Letzte sein, den der Spiegelberger Bürgermeister einbringt. Oder Ausschusssitzungen von Feuerwehr oder Fördervereinen, sie wird er zum letzten Mal in seiner Funktion als Bürgermeister besuchen. Für den 57-Jährigen hat das Abschiednehmen begonnen, schließlich plant Bossert, in einem Jahr, im November 2023, nicht mehr der Spiegelberger Rathauschef zu sein. „Ich lasse es sicherlich nicht gemütlich auslaufen“, sagt er.
Das wäre auch untypisch. Der Sportler – Fußball, Mountainbike, Wandern – geht auch die dienstlichen Dinge sportlich an. Seine Schlagkraft bezeichnet er als hoch. „Ich habe immer viel von mir gefordert. Und auch von meinen Leuten im Rathaus.“ Noch bevor das erste Spiegelberger Sanierungsgebiet endabgerechnet ist, sind die Vorbereitungen für die Aufnahme eines zweiten Gebiets ins Landessanierungsprogramm aktuell in vollem Gange. Schließlich sollen die Antragsunterlagen dafür Ende Oktober beim Land eingereicht werden. Der Breitbandausbau beschäftigt Bossert seit Jahren enorm. Das wird auch in seinem letzten Amtsjahr so bleiben. Mit der Neuausrichtung der Wasserversorgung – ein auf viele Jahre angelegtes Zukunftsprojekt – sieht es genauso aus. An ihrer Umsetzung arbeitet Bossert Tag für Tag.
35 Jahre in Führungsfunktionhaben Spuren hinterlassen
„80 Prozent ist Tagesgeschäft“, sagt der gebürtige Pforzheimer, der in Wiernsheim im Enzkreis aufgewachsen ist. „Es ist nicht so, dass der Spiegelberger Bürgermeister repräsentieren und delegieren kann.“ Die Krisen in den zurückliegenden Jahren – 2015/2016 die Flüchtlingskrise, seit 2019 die Coronapandemie, aktuell erneut die Flüchtlingsthematik – und Großprojekte, auch wenn es sich um Herzensangelegenheiten wie die Neugestaltung der Ortsdurchfahrt handelt, und zunehmende kommunale Verantwortlichkeiten: All das „fordert einen Bürgermeister ungemein“. Wenn Bossert sich im November 2023 in den Ruhestand verabschiedet, liegen fast 40 Jahre öffentlicher Dienst hinter ihm – davon fast 35 Jahre in Führungsfunktion. Das habe Spuren hinterlassen. „Du musst 140 bis 150 Prozent bringen. Ich merke, dass ich das nicht mehr bringen kann. Aber mit 100 Prozent wird es nicht getan sein.“ Im Sommer vergangenen Jahres ist in Bossert im Austausch mit seiner Familie daher der Entschluss gereift, keine vierte Amtszeit anzustreben, sich im April 2024 nicht nochmals zur Wahl zu stellen. Dass sich der Bürgermeister nun schon ein halbes Jahr vor dem Ende seiner Amtszeit zurückzieht, ist wohlüberlegt. Bossert denkt dabei vorbeugend an seine Gesundheit. In den zurückliegenden Jahrzehnten sei er nur zweimal krankheitsbedingt ausgefallen – einmal wegen eines Sportunfalls, das andere Mal wegen einer Operation an der Nase. „Toi, toi, toi. Ich kann den Zeitpunkt aktuell selbst bestimmen.“ Hauptsächlich aber denkt er an seine Gemeinde: „Mir ist Spiegelberg unheimlich ans Herz gewachsen.“ Also hat er einen Weg gesucht für einen sinnvollen und geordneten Übergang. Beginnt sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin das Amt bereits im November 2023 und nicht erst im April 2024, liege das Königsrecht der Haushaltseinbringung beim Neuen oder bei der Neuen. Nachdem 2024 außerdem Kommunalwahlen sind, wollte Bossert es den Verantwortlichen in der Gemeinde ersparen, innerhalb eines Vierteljahres womöglich drei Wahlen stemmen zu müssen, falls der Bürgermeister erst im zweiten Wahlgang gefunden wird. Außerdem beginnen durch den zeitlichen Abstand zur Kommunalwahl nicht innerhalb kurzer Zeit ein neuer Bürgermeister und ein Gemeinderat in neuer Konstellation ihre Arbeit. „Ich habe die Rückmeldung bekommen, dass das gute Überlegungen sind.“
Die Modernisierung des Rathauses hat Bossert immer wieder hintangestellt
Verlässlichkeit und Kontinuität, das ist das, was Bossert seiner Gemeinde immer bieten wollte. Als er im Jahr 2000 Bürgermeister in der rund 2100 Einwohner zählenden Gemeinde wurde, munkelte man, der fußballbegeisterte Schultes werde als Erstes einen neuen Fußballplatz bauen. Tatsächlich ist es erst im Jahr 2017 was mit dem neuen Kunstrasenplatz geworden. Auch die Modernisierung des Rathauses hat Bossert immer wieder hintangestellt. „Ich habe Sachen gemacht, die der Allgemeinheit zugutekommen“, sagt er. Schon bei seinem Amtsantritt vor 22 Jahren habe er gemerkt, „dass man hier einiges bewegen kann“. Das alte Schulhaus in Großhöchberg wurde saniert und in Jux die Gemeindehalle, in Nassach das Schulhaus, im Hauptort Spiegelberg der Kirchplatz und die Ortsdurchfahrt. „Ich habe nie ein Wunschkonzert geben können.“ In einer Gemeinde von Spiegelbergs Größenordnung sei Pragmatismus angesagt, manchmal auch Hemdsärmeligkeit. Durch das Anzapfen diverser Fördertöpfe – bei vielen Vorhaben sogar mehrerer Fördertöpfe gleichzeitig – hat Bossert Entwicklungsmöglichkeiten für Spiegelberg geschaffen. Die Bürger dankten es ihm, indem sie ihn 2008 und 2016 bei jeweils hohen Wahlbeteiligungen mit jeweils überwältigender Mehrheit wiederwählten. Auch der Gemeinderat hat sich meistens einstimmig oder doch mit großer Mehrheit für die Vorschläge der Verwaltung ausgesprochen – bis auf das eine Mal, als es um die Wasserversorgung ging und außer Bossert im Mai 2013 niemand im Gremium dafür stimmte, dass sich Spiegelberg an einer NOW-Konzeption beteiligt.
„Ich würde das meiste wieder so machen“
Im Rückblick spricht er von einer tollen Zeit, von ereignisreichen Jahren, die für ihn und die Gemeinde positiv verlaufen sind. „Ich würde das meiste wieder so machen.“ Das „tolle Team“ im Rathaus, das fast wie eine Familie sei und eine gute Grundstimmung habe, „das wird mir schon fehlen“. Aber es bleiben auch „tolle Erinnerungen“ – an Begegnungen und Bekanntschaften, die er über den Beruf bekommen habe. Es bleiben auch die Ehrenämter – beispielsweise als Rat im Sportkreis oder als stellvertretender Vorsitzender im Tierschutzverein. Oder er übernimmt nicht länger nur bei der Augustwanderung des Fremdenverkehrsvereins die Funktion des Wanderleiters. „Vielleicht gibt es etwas Neues, wo ich einsteigen kann? Ich werde schon auch ein bisschen was arbeiten nebenher.“ Er freut sich aber vor allem auf mehr Zeit mit seiner Frau, auf längere Urlaube, in denen er kein Dienst-Tablet mit im Gepäck hat. Und er hat vor, in Spiegelberg zu bleiben. „Wir sind Spiegelberger, das ist unsere Heimat.“
Für die wünscht er sich eine weitere positive Entwicklung, eine stabile Einwohnerzahl, dass der Hauptort mit seiner Infrastruktur erhalten bleibt, dass es einen guten und starken Nachfolger geben wird. „An der Suche nach einem Nachfolger werde ich mich nicht beteiligen und mich da komplett neutral verhalten.“