Das Backnanger Häuserbuch hat jetzt eine Internetpräsenz

Das alte Backnang – Haus für Haus: Die Schaffung eines Häuserbuchs ist ein Mammutprojekt, Heiner Kirschmer und Daniel Waack sprechen von einem Jahrhundertwerk. Die Daten und Geschichten von jedem Haus in Backnang werden zusammengetragen. Im Internet werden inzwischen erste Ergebnisse präsentiert.

Heiner Kirschmer vor dem Backnanger Löwen. Die wechselhafte Geschichte des Gebäudes wird von den Initiatoren des Backnanger Häuserbuchs umfassend beschrieben. Foto: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Heiner Kirschmer vor dem Backnanger Löwen. Die wechselhafte Geschichte des Gebäudes wird von den Initiatoren des Backnanger Häuserbuchs umfassend beschrieben. Foto: Tobias Sellmaier

Von Armin Fechter

BACKNANG. Das Backnanger Häuserbuch nimmt immer mehr Kontur an. Ziel des Mammutprojekts ist es, alle Gebäude in der Innenstadt zu erfassen. „Es ist eine Jahrhundertaufgabe“, erklärt Heiner Kirschmer, der das Vorhaben zusammen mit Daniel Waack federführend betreibt. Ein großer Schritt ist jetzt geschafft: Es gibt eine Internetpräsenz mit ersten Ergebnissen.

Seit gut fünf Jahren dauern die Arbeiten bereits an und bis wann sie abgeschlossen sein werden, steht in den Sternen. Alles hängt davon ab, wie die Akteure vorankommen, die auf ehrenamtlicher Basis tätig sind. Kirschmer verweist hier auf das Beispiel der Stadt Schwäbisch Hall, die ebenfalls ein Häuserbuch angefertigt und die Kosten dafür selbst getragen hat. In Backnang müssen die Initiatoren hingegen etwas kürzertreten. Aber immerhin sollen die Ergebnisse nun Stück für Stück auf der Internetseite eingepflegt werden, die der IT-Spezialist Martin Braun, der auch schon die Homepage fürs Technikforum gestaltet hat, eigens für das Häuserbuch kreiert hat: https://backnanger-haeuserbuch.de.

Die einstige Küferei dient heute als Apotheke

Auf der Seite finden sich bereits viele Angaben über die Gebäude in der Schillerstraße. Zu diesem Straßenzug hat Kirschmer, früherer langjähriger Leiter der Heimatabteilung im Heimat- und Kunstverein und Chronist fürs Backnanger Jahrbuch, eine besondere Beziehung. Denn hier – in der Schillerstraße 36 – befindet sich sein Elternhaus: Die einstige Küferei dient heute als Apotheke.

Der Rechercheaufwand für die einzelnen Einträge ist gewaltig. Haus um Haus wird durchleuchtet, Dokumente werden beackert, Quellen gesichtet, Informationen zusammengetragen. Zu den wichtigsten Fundstücken gehören, wie Kirschmer zur Vorgehensweise erläutert, die Bauakten, die im Staatsarchiv in Ludwigsburg lagern oder von der Stadt Backnang verwahrt werden. Auch die Kaufbücher im Stadtarchiv gilt es durchzusehen. Daniel Waack hat sich sogar die Feuerversicherungsakten vorgenommen und sie komplett transkribiert, also in eine heute lesbare Form übertragen. Eine weitere wichtige Quelle stellen die früher erschienenen Einwohner- und Adressbücher dar. Letztere wurden aus Datenschutzgründen 2012 eingestellt. Hinzu kommen Schriften und Publikationen aller Art wie etwa die Berichte von Gustav Hildt, der sich schon vor dem Ersten Weltkrieg mit den Backnanger Häusern und ihren Bewohnern befasst hatte, das Backnanger Jahrbuch, der Murrtalbote beziehungsweise die Backnanger Kreiszeitung und andere mehr.

Die Gebäude in der Schillerstraße sind schon gut dokumentiert, unter anderem auch das Elternhaus (rechts) Heiner Kirschmers, eine ehemalige Küferei. Foto: privat

Die Gebäude in der Schillerstraße sind schon gut dokumentiert, unter anderem auch das Elternhaus (rechts) Heiner Kirschmers, eine ehemalige Küferei. Foto: privat

Vielfältige Hürden sind bei den Nachforschungen zu bewältigen. Das fängt oft schon bei der Adresse an: Der Löwen beispielsweise, mit dem sich Kirschmer gerade beschäftigt hat, befindet sich bekanntermaßen in der Marktstraße 22. Früher hatte er einmal die Anschrift Untere Marktstraße 1. Und davor, im sogenannten Primärkataster, trug er die Nummer 429. Das war in der Zeit vor 1890, als es noch keine Straßennamen gab und die Gebäude in der Stadt durchnummeriert waren.

Das Häuserbuch listet dann für jedes Objekt die Besitzer auf – wobei die aktuellen Eigentümer nicht genannt werden. Aufschluss über das Gebäude selbst geben die Bauakten und, wo vorhanden, auch bauhistorische Untersuchungen, die etwa im Zusammenhang mit dem Denkmalschutz angestellt wurden. Im Fall des Löwen ergibt sich daraus, dass das Erd- und Obergeschoss 1815 und das Dach 1820 errichtet wurde. Der Löwen an sich muss jedoch älter sein: Die historischen Nachforschungen zeigen, dass bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ein Mann namens Johann Jacob Nisi, seines Zeichens ein Metzger, als Löwenwirt bezeichnet wurde.

Die Stadt erkaufte sich einen Schutz gegen Brand und Plünderung

Das Gebäude wurde jedoch beim Stadtbrand 1693 ein Raub der Flammen. Danach wurde der Löwen wieder aufgebaut. 1707, als erneut französische Soldaten im Land auftauchten, bekam das Haus eine wichtige Funktion: Die Stadt erkaufte sich nämlich nach den Erfahrungen von 1693 einen Schutz gegen Brand und Plünderung und quartierte die Schutzwache aus zwei französischen Offizieren im Löwen ein. Tatsächlich kamen einige Wochen später 1200 französische Reiter von Hall her vor die Stadt. Dank des Schutzbriefs durfte keiner von ihnen Backnang betreten. Aber die Truppe, die vor den Toren lagerte, musste mehrere Tage lang verpflegt werden und auch die Wache im Löwen ließ sich üppig versorgen, bis sie nach einigen Wochen wieder abrückte. – Diese und weitere Geschichten rund um den Löwen hat der Backnang-Kenner zusammengetragen. Einige beziehen sich auf Werner Lutz, den früheren Wirt und Feuerwehrkommandanten, der längst als ein Backnanger Original gilt.

Das Löwen-Gebäude ist im Übrigen – auch das gehört in so ein Häuserbuch – als Kulturdenkmal ausgewiesen und das Gasthaus ist zusammen mit dem Waldhorn eine der beiden letzten historischen Schildwirtschaften in Backnang, die noch betrieben werden. Schildwirtschaft ist ein Begriff, der ins späte Mittelalter zurückweist, er bedeutet: Dort werden nicht nur Getränke ausgeschenkt und Speisen verabreicht, sondern auch Reisende beherbergt.

Besonderheiten wie beim Löwen möchte Kirschmer auch bei den anderen Häusern aufspüren und festhalten. Deshalb ruft er dazu auf, Informationen über geschichtliche Ereignisse oder prominente Bewohner – so lebte der Maler Willy Riexinger viele Jahre in der Schillerstraße 23 – mitzuteilen. Nicht nur das: „Ich suche Mitstreiter, die am Thema Interesse haben.“ Andererseits können sich Eigentümer von Innenstadtgebäuden melden, wenn sie möchten, dass ihr Haus vorgezogen werden soll – Kirschmer will ohnedies nicht nach einem starren Plan vorgehen, sondern spannender erscheinende Objekte vorrangig behandeln. Unterstützung – vor allem auch ergänzend zu seinen eigenen Fotos – erhält er unter anderem von Stadtarchivar Bernhard Trefz, der im Archiv auch Zugriff auf die Sammlung von Rudolf Kühn hat, und von dem Fotodesigner Peter Wolf.

Kontakt Erreichbar ist Heiner Kirschmer telefonisch unter 0173/2534410 sowie per E-Mail an heiner.kirschmer@hotmail.de.

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Erstellt:
29. August 2023, 11:30 Uhr

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