Das explosive Gesamtpotenzial im Blick

Joachim Spindler schaut sich in Handelsbetrieben im Kreis um, ob beim Verkauf von Raketen, Böllern und Co. alles richtig läuft

Es ist der erste Tag, an dem die knalligen Freuden zur Feier des Jahreswechsels – Raketen, Böller, Batterien und weitere Spielarten – in den Geschäften Einzug halten. Genau zu diesem Zeitpunkt ist auch Joachim Spindler vom Umweltschutzamt gefordert. Der Fachbereichsleiter für Gewerbeaufsicht und Immissionsschutz beim Landratsamt besucht einzelne Betriebe und kontrolliert, ob die Regeln eingehalten sind.

Toom-Marktleiter Ferdinand Grewe zeigt Joachim Spindler vom Landratsamt (von links) die Ware an Feuerwerkskörpern, die außerhalb in einem Container gelagert ist. Foto: T. Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Toom-Marktleiter Ferdinand Grewe zeigt Joachim Spindler vom Landratsamt (von links) die Ware an Feuerwerkskörpern, die außerhalb in einem Container gelagert ist. Foto: T. Sellmaier

Von Christine Schick


BACKNANG. Joachim Spindler hat Klemmbrett und Kuli dabei. Die abzuhakende Liste ist klein gedruckt, sollte es der Fall sein, dass er tiefer einsteigen muss, hat er aber auch noch eine ausführlichere Variante als größeren Ausdruck miteinsortiert. Trotzdem geht er angesichts der Erfahrung in den letzten Jahren davon aus, dass auf seinen Kontrollgängen nichts Spektakuläres passiert. „Wir haben ein gutes Verhältnis mit den Betrieben“, sagt er und dass auch im Vorfeld klar kommuniziert werde, was die Händler zu beachten haben. Als er in Backnang Station macht, geht es in die Weissacher Straße. Das Team des Toom-Baumarkts ist gerade dabei, dem Verkaufsbereich mit Raketen, Böllern und Batterien den letzten Schliff zu verpassen – es werden noch ein paar Preisschilder festgetackert.

Joachim Spindler lässt seinen Blick über die Auslage schweifen, einige größere Batteriepakete sind auch dabei, bei einer Rakete erklärt er, dass man zwischen Treibladung und Zerlegeladung im Kopf unterscheiden könne. Zwei Zahlen sind bei einem größeren Markt wie diesem zentral: die Nettomasse an Explosivstoff, die zusammengerechnet im Verkaufsraum (bis 70 Kilogramm) präsentiert und die in einem Lager oder außerhalb (bis 350 Kilogramm) aufbewahrt werden darf. Dies bezieht sich auf einen bestimmten Typ (Lagergruppe 1.4, gilt für Feuerwerkskörper der Kategorie F1 und in der Regel auch für F2, siehe Infobox).

Marktleiter Ferdinand Grewe begrüßt den Fachmann und hält die Unterlagen bereit. Im Verkauf vor ihnen auf der Auslage seien es schätzungsweise 40 bis 50 Kilogramm Nettoexplosivstoffmasse. Die Infotheke mit dem entsprechenden Aufsichtspersonal ist gleich gegenüber. „Das ist wichtig, damit Kinder da nichts mitnehmen können und auch schnell reagiert werden kann, wenn Waren beschädigt oder aufgerissen sein sollten“, erklärt Joachim Spindler. Auch ein Wasser- genauso wie ein Pulverlöscher befinden sich in der Nähe. Als weiteres Dokument legt der Marktleiter dem Kontrolleur den Nachweis vor, dass die Mitarbeiter eine – behördlich gesprochen – Belehrung erhalten haben. Dies machen viele Handelsbetriebe mittlerweile in Form einer Online-Schulung, bei der Regeln rund um den Verkauf erläutert werden wie beispielsweise, dass Feuerwerkskörper der Kategorie F2 an Kunden unter 18 Jahren nicht abgegeben werden dürfen. „Wir haben aber auch noch eine Besprechung, bei dem ich Wichtiges erkläre“, sagt Ferdinand Grewe. Erst seit Samstag sind auch die Kassen für die speziellen Silvesterfreuden freigeschaltet, erklärt er.

Noch hält sich der Run auf die Raketen, Böller und Co. in Grenzen, trotzdem hat der Markt Nachschub in der Hinterhand. Auch dessen Lagerung schaut sich Joachim Spindler an. Wie mittlerweile in einigen größeren Läden sind die restlichen Produkte – es kommen insgesamt rund 180 Kilogramm Nettoexplosivstoffmasse zusammen – in einem Container auf dem Parkplatz vor dem Markt untergebracht. Der Radius ist mit einem Absperrband vergrößert, damit auch keine Autos in unmittelbarer Nähe parken. Auch dort passt für Joachim Spindler alles. Auf dem Weg zur nächsten Station, dem Baywa-Markt, erzählt der Fachmann, dass die Zeiten von groben Schlampereien beim Feuerwerksverkauf seiner Einschätzung nach vorbei seien. In Backnang ist ihm ein ungewöhnlicher Fall in Erinnerung, bei dem er 2005 in puncto Menge mit einer drastischen Übertretung konfrontiert worden sei – im Betrieb fand er rund eine Tonne vor. Von einer Kollegin weiß er, dass sie bei einem Fall in Weinstadt einen Betrieb kurzfristig schließen musste, da die Ware praktisch vom Lkw abverkauft wurde.

Meist sind es kleinere Mängel wie ein schlecht positionierter Feuerlöscher, die Thema sind

„Aber das läuft seit Langem mittlerweile sicher und geordnet“, sagt der Physiker, der zunächst für die Landesgewerbeaufsicht im Strahlenschutz tätig war und mit der Verwaltungsreform und der Eingliederung der Sonderbereiche zum Landratsamt kam und dort für die Gewerbeaufsicht und den Immissionsschutz zuständig ist. Bei seinen Kontrollgängen seien es kleinere Dinge, die zu bemängeln sind, beispielsweise dass der Belehrungsnachweis fürs Personal nicht mehr auffindbar oder der Feuerlöscher schlecht – direkt unter dem Tisch mit den Feuerwerkskörpern – platziert sei. „Dass sich die Pyrotechnik selbst entzündet, ist sehr unwahrscheinlich. Thema ist eher, dass an anderer Stelle etwas passiert wie ein Kurzschluss und das mit zu bedenken ist.“

Insgesamt beobachtet er, dass der Feuerwerksverkauf auf der Fläche in kleineren Läden zurückgeht, aber auch von den Händlern im Kreis höre er, dass die Nachfrage jedes Jahr etwas abnehme.

Die Auslage bei Baywa, auf der Feuerwerksvariationen bereitliegen, ist überschaubar. Spindler registriert Feuerlöscher und Wassereimer, lässt sich die Nachweise und Listen zeigen. Ein Mitarbeiter ist eingeteilt, der ein Auge auf den Bereich hat. Dann geht es mit Karin Roth, stellvertretende Marktleiterin, ins Lager des Betriebs. Dort befindet sich der Nachschub, der sich weit unter der zulässigen Obergrenze bewegt. Zurück im Laden stößt Marktleiter Lars Decker dazu. Auch nach seinem Eindruck nimmt der Verkauf an Feuerwerkskörpern etwas ab. In der aktuellen Diskussion tauchen ja auch Forderungen nach einem Abrücken vom knallig-rauchigen Jahresbegrüßungsbrauch auf. Joachim Spindler denkt aber, dass dabei weniger demonstratives Gebaren bis hin zum Ruf nach Verboten zielführend ist, sondern sich eine Art Kulturwandel sowieso vollziehen werde. „Die jüngeren Leute haben eine andere Einstellung und so wird sich das allmählich ändern“, sagt er. Profitieren würden dann die Haustiere, die deutlich unter der Knallerei leiden, sagt er. Wer aber unglaubliche Freude daran habe, dem wolle er das nicht versagen. Die echten globaleren Umweltprobleme lägen in anderen Bereichen – CO2-Emissionen, Müll- und Plastikproduktion.

Spindler geht davon aus, dass es in den nächsten Geschäften entlang der Weissacher Straße, die aber keine Presse dabeihaben wollen, ähnlich läuft. Zehn Stationen sind Pflicht, vorgenommen hat er sich für den Kreis 30 Adressen. Für die insgesamt 100 Betriebe reicht es dieses Jahr nicht, dazu liegt Silvester zu ungünstig. Der Verkauf laufe in geregelten Bahnen, wenn etwas mit geprüfter Ware – ungeprüfte, bedenkliche tauche eher in Grenzregionen auf – passiere, hänge dies in der Regel mit einem Bedienungsfehler zusammen.

Und was kann er sich selbst als Jahresbegrüßungsform vorstellen? Wenn überhaupt, dann bunt und ohne Knallerei, sagt Joachim Spindler. Das hat auch eine biografische Komponente. „Ich hab mal neben einem Munitionsdepot gewohnt, deshalb mag ich den Krach nicht“, meint er mit einem Grinsen.

Info
Kategorien und Tipps zum Umgang

Kategorie F1: Feuerwerkskörper, die eine sehr geringe Gefahr darstellen, einen vernachlässigbaren Lärmpegel besitzen und die in geschlossenen Bereichen genutzt werden können, einschließlich Feuerwerkskörpern, die zur Verwendung innerhalb von Wohngebäuden vorgesehen sind.

Kategorie F2: Feuerwerkskörper, die eine geringe Gefahr darstellen, einen geringen Lärmpegel besitzen und die zur Verwendung in abgegrenzten Bereichen im Freien vorgesehen sind.

Auf den Produkten findet sich eine CE-Kennzeichnung mit vierstelliger Zahl, zum Beispiel 0589 für die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) und eine Angabe zur Kategorie (siehe oben). Angegeben ist auch die Nettoexplosivstoffmasse (NEM).

Zu beachten: Aufstellanleitung und Sicherheitshinweise durchlesen und umsetzen, Schutzabstände (F1: ein Meter; F2: acht Meter) einhalten, Kategorie F2: nur im Freien verwenden, beim Anzünden niemals Körperteile über den Feuerwerkskörper halten, auf festen/geraden Untergrund achten, Batterien/Kombinationen gegebenenfalls stabilisieren, gewinkelte Batterien/Kombinationen: nicht in der Nähe von großen Gebäuden, Bäumen oder Ähnlichem abschießen, Knallkörper: nicht werfen, sondern einzeln auf den Boden legen, Raketen: Keine frei stehenden Einzelflaschen verwenden (keine Standsicherheit), besser Getränkekästen nutzen. Weitere Infos: www.bam.de.

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Erstellt:
31. Dezember 2019, 06:00 Uhr

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