Das fabelhafte Comeback des Deniz Undav
Vier Minuten nach seiner Einwechslung schießt der lange verletzte Angreifer den VfB Stuttgart zum 1:0-Auswärtssieg beim FC Augsburg. Licht und Schatten begleiten das Spiel der Stuttgarter, die aber verdient gewinnen und in der Tabelle einen großen Sprung nach oben machen.
Von David Scheu
Augsburg - Der letzte Konter durch Jacob Bruun Larsen geriet schlampig, sodass der FC Augsburg noch einen Schlussangriff starten konnte. Doch der geriet wie in der gesamten Spielzeit zu harmlos, sodass sich der VfB nicht mehr sonderlich mühen musste, das 1:0 über die Zeit zu retten. Erstes Spiel im neuen Jahr, erster Sieg. So kann’s weitergehen. „Zu Null gespielt und drei Punkte: Damit können wir zufrieden sein“, sagte Ermedin Demirovic. Matchwinner Deniz Undav, der direkt nach seiner Einwechslung das Tor des Tages erzielte (65.), sprach von einem „überragenden Gefühl“.
Gegenüber den verletzungsbedingt schwierigen letzten Wochen des zurückliegenden Jahres hatte Sebastian Hoeneß durch die Rückkehr von Undav und Jamie Leweling zunächst die Qual der Wahl gehabt. Der VfB-Coach entschied sich gegen die beiden Nationalspieler – und für die bewährten Offensivkräfte Enzo Millot, Chris Führich, Nick Woltemade und Demirovic.
Für Letzteren bedeutete es die Rückkehr zu seinem Ex-Club. Wo er schon früh den „Ausgerechnet-Moment“ auf dem Kopf hatte. Doch FCA-Keeper Finn Dahmen lenkte Demirovics Abschluss über die Latte (4.). Es war der Auftakt für eine starke Anfangsphase der Stuttgarter. Mit hoher Aggressivität und Intensität schnürten sie die Gastgeber in deren Hälfte ein. Mittelstädt und Führich zogen über die linke Seite immer wieder Räume auf. Flüssig lief der Ball über den neu verlegten Augsburger Rasen. Chance um Chance spielte sich der VfB heraus, Kopfbälle von Anthony Rouault und wieder von Demirovic strichen knapp am Kasten vorbei. Allein, es fehlte das Tor.
„Richtig gute erste 30 Minuten“, sah Hoeneß. Danach war es mit der Stuttgarter Herrlichkeit unter den Augen von Meistertrainer Armin Veh auf der Tribüne aber vorbei. Die bayrischen Schwaben kämpften sich in die Partie – und profitierten von altbekannten Wacklern in der Stuttgarter Defensive. Die meisten Zweikämpfe im Mittelfeld wurden plötzlich verloren. So baut man einen Gegner auf. Der VfB konnte froh sein, mit einem 0:0 in die Pause zu kommen.
Ein eigenartiger Spielverlauf. 30 starken Minuten folgten 15 schwache, nach denen sich zwei Fragen stellten: Warum schafft es der VfB nicht, seine Überlegenheit in ein (frühes) Tor zu münzen? Und mehr noch: Wie kann der Spielfluss derart reißen? Ein Teil der Antwort: Der FCA störte früher und härter. Damit kam der VfB nicht zurecht.
Hoeneß fand bei seiner Halbzeitansprache aber offenbar die richtigen Worte. Nach Wiederanpfiff konnte sich seine Mannschaft wieder besser aus dem Pressing befreien, brachte wieder mehr Tempo und Passschärfe ins Spiel. So entwickelte sich eine ausgeglichene, aber auch zerfahrene Partie. Augsburg war vor allem darauf bedacht, der Stuttgarter Spielstärke mit körperlicher Härte entgegenzuwirken. Enzo Millot und Co. mussten einige schmerzhafte Momente überstehen.
Nach einer Stunde reagierte Hoeneß. Unter dem Jubel der 4000 VfB-Fans kehrte Undav anstelle des glücklosen Demirovic auf den Rasen zurück. Gemeinsam mit Neuzugang Jacob Bruun Larsen sollten sie neuen Schwung in den Angriff bringen. Eine Co-Produktion der beiden führte dann auch gleich zu einer guten Chance (63.).
„Die Wechsel haben Wirkung gezeigt“, freute sich Hoeneß. Denn nur zwei Minuten später hieß es endgültig: Deniz Undav ist zurück! Stiller schüttelte einen Pass aus dem Fußgelenk in den Laufweg von Undav, der erst an Dahmen scheiterte, im Nachsetzen aber den Ball über die Linie drückte: 1:0. Durch das neunte Jokertor des VfB in dieser Saison war der Bann gebrochen. Der VfB ließ nicht mehr viel zu und verteidigte das Wenige, das Augsburg noch zu bieten hatte, solide weg. Was Hoeneß seiner Mannschaft im ersten Spiel des neuen Jahres „hoch anrechnen wollte“.
Hinten zu Null – und vorne dürfte die Rangordnung zwischen Undav und Demirovic bald schon eine neue sein. Womöglich schon in der doppelten Heimspielwoche. Am Mittwoch (20.30 Uhr) gastiert RB Leipzig in Stuttgart, am Samstag (15.30 Uhr) der SC Freiburg. So hat sich an diesem kalten Winterabend von Augsburg nicht nur Deniz Undav zurückgemeldet. Sondern auch der VfB im Kampf ums internationale Geschäft. Der Sprung von Platz elf auf Rang sieben lässt den Start ins neue Jahr doch in einem angenehmen Licht erscheinen.