Das Frostwetter bedroht die Ernte
Der Monat April ist derzeit so frostig wie selten zuvor. Für die Obstbauern und Weingärtner kommen die kalten Nächte zur Unzeit. Noch im Dezember wären ihre Pflanzen nicht so anfällig dafür gewesen wie in der aktuellen Vegetationsphase.

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Martin Körner prüft die Apfelpflanzen der Sorte Cameo auf einer seiner Anbauanlagen bei Strümpfelbach auf Frostschäden. Fotos: A. Becher
Von Bernhard Romanowski
BACKNANG/ASPACH. „Die Lage ist ernst, aber vorerst schwer zu beurteilen“, sagt Martin Körner und lässt den Blick über seine Anbauanlagen in Strümpfelbach schweifen. Als Obstbauer hat er nicht nur seine Pflanzen, sondern auch die Wetterlage immer genau im Blick. Auch weiß er nur zu gut, dass der April bekanntlich macht, was er will. In diesem Jahr heißt das: Der Monat ist besonders von frostigen Nächten geprägt. Aufregung herrscht im Betrieb der Körners aber nicht. „Ich war zuletzt angenehm überrascht. So schlimm wie angenommen ist es mit den Frostschäden wohl noch nicht“, sagt er. Für eine Prognose, wie die Ernte ausfallen könnte, ist es ihm noch zu früh. Bis auf die ersten Blütenblättchen ist an den Apfelbäumen auch noch nicht viel zu sehen. Das Steinobst steht schon in Blüte, die Birne ist auch schon weiter als der Apfel, so Körner.
Es lässt sich also noch kaum sagen, ob die Kälte und der Frost der Qualität der Früchte zugesetzt haben. Wenn die Äpfel zum Beispiel Risse oder andere Schönheitsfehler aufweisen, lässt sich die Ware nicht mehr so gut verkaufen. Früher wären sie gar nicht im Verkauf gelandet, heutzutage werden sie im Rahmen von Aktionen gegen die Lebensmittelverschwendung von den Supermärkten und Discountern doch an den Mann gebracht. Die Erzeugerorganisation, der Martin Körner angehört, ist im Raum Neckar und Bodensee angesiedelt. Dieses Gebiet ist die Nummer zwei im Apfelanbau in Deutschland. Rund 80000 Tonnen Äpfel pro Jahr werden hier produziert. Die Nummer eins als Anbaugebiet ist das Alte Land südlich der Elbe in Hamburg und in Niedersachsen.
Ganze Täler einzunebeln in einem Ballungsraum, ist laut Martin Körner keine Option.
Erwerbsbauer Körner bedient derweil auch noch seine regionale Abnehmerschaft und verkauft die Früchte auch in seinem Hofladen. Im Alten Land profitieren die Obstbauern womöglich noch von der Wetterlage, kann sich Körner vorstellen. Denn dort ist viel Wasser vorhanden, das für die Frostschutzberegnung genutzt werden kann. Hierbei werden die Nutzpflanzen gezielt mit feinen Wassertropfen besprüht, die sich auf den Pflanzen verteilen. Wenn diese dann gefrieren, wird sogenannte Kristallisationswärme freigesetzt. Damit sollen die Blüten und Blätter in der Vegetationsphase vor Frostschäden geschützt und Ernteausfälle später im Jahr vermieden werden. „Für die Beregnung braucht man aber 20 bis 30 Kubikliter Wasser pro Stunde und das die ganze Nacht durch“, sagt Körner. Diese Methode komme im Raum Neckar eher nicht infrage. Man könne auch Kerzen aufstellen, um gegen den Frost vorzugehen. Das sind dann keine handelsüblichen Wachsgebilde, sondern ganze Eimer voll mit Paraffinwachs, um die Anbauflächen einzunebeln. Das ist allerdings ein aufwendiger Akt, der auch ins Geld geht. Außerdem: „Etwa ein ganzes Tal einzunebeln – das geht im Ballungsraum wie bei uns nicht“, so Körner.
Beim Anbau von Kirschen oder Aprikosen, die man unter einem Dach heranzieht, ginge das schon eher, so der Strümpfelbacher Bauer. So bleibt Körner und seinen Kollegen dann wohl nicht viel mehr übrig, als alle Blüten aufzuschneiden und nachzusehen, inwieweit der Frost ihnen geschadet hat. „Das ist eine Art Bullshit-Bingo“, zitiert Körner die Aussage eines Kollegen zu dieser Tätigkeit. „Die frühen Sorten hat’s erwischt“, bilanziert derweil Günther Ferber, der Vorsitzende der Weingärtnergenossenschaft Aspach, die sich mit ihren knapp 60 Mitgliedern um rund 25 Hektar Fläche kümmert. Von einem Totalausfall könne aber wohl noch keine Rede sein. Doch die Reben der Anlagen im zweiten bis fünften Lebensjahr mit Sorten wie Chardonnay, Merlot und Lemberger haben arg gelitten unter dem jüngsten Frost und weisen Ferber zufolge schon sehr dünne Zweige auf, die leicht wegbrechen. Beim Muskaris, einer sehr pilzbeständigen Weißweinsorte, sehe es übel aus: „Die waren vorletzte Woche schon kaputt.“ Beim Trollinger und Riesling hofft Ferber, dass „wir noch mit einem blauen Auge davonkommen“. Dabei sei man mit der Vegetationsreife noch nicht ganz so früh dran wie etwa im Zabergäu oder in der Freiburger Region, wo es immer noch ein wenig wärmer sei als in der Region um Aspach. Aber nach über einer Woche mit frostigen Nächten direkt hintereinander und dem nun zweiten Frostjahr in Folge hätten die Reben eben arg zu kämpfen und würden das kaum noch verkraften, so Ferber. Beim Steinobst sei schon alles kaputt.
Auf die klimatischen Veränderungen müssen sich die Weingärtner künftig einstellen und auf Sorten setzen, die nicht so früh austreiben, mahnt Ferber. Lemberger beispielsweise sei zwar als späte Sorte bekannt, treibe aber früh aus und habe eben eine lange Vegetationsphase. „Natürlich gab es früher auch schon Frostereignisse. Aber da handelte es sich um Bodenfrost im Tal. Oben am Berg ist aber mittlerweile auch Frost“, so Ferbers Erfahrung. Bei einigen Sorten könne man dann froh sein, wenn man noch auf zehn bis 25 Prozent des sonst üblichen Ertrags kommt: „Damit die Sorte nicht ausgeht auf der Karte.“

© Alexander Becher
Diese Blüte ist durch Frost geschädigt.