Geldwäsche
Das große Schweigen des Didier Reynders
Der ehemalige Spitzenpolitiker steht in Belgien unter Verdacht, Geld im großen Stil gewaschen zu haben. Die Last der Beweise ist erdrückend, doch Reynders zieht es vor, nichts zu sagen.
Von Knut Krohn
Didier Reynders schweigt. Seit Wochen dringt kein Sterbenswörtchen von dem sonst so eloquenten belgischen Top-Politiker an die Öffentlichkeit. Einziges Lebenszeichen bleibt eine krude Pressemitteilung seiner Anwälte von Anfang Dezember. Darin heißt es, Reynders werde alles aufklären. Doch je länger der 66-Jährige schweigt, desto größer werden die Zweifel, dass sich tatsächlich „alles aufklären“ lässt.
Die Vorwürfe gegenüber dem ehemaligen liberale EU-Kommissar, Ex-Finanzminister und Ex-Außenminister seines Landes sind massiv, was sein Schweigen noch unverständlicher macht. Er steht in Verdacht, im großen Stil über Einsätze beim Glückspiel Geld gewaschen zu haben. Dazu habe er jede Woche in schöner Regelmäßigkeit für die erlaubten 500 Euro „E-Tickets“ gekauft – immer in bar. Das eingezahlte Geld wurde dann auf ein bei der Nationallotterie geführtes Spielkonto überwiesen. Die Gewinne seien auf das digitale Konto von Reynders bei der Nationallotterie eingezahlt und von dort auf sein Girokonto überwiesen worden.
Eher keine Hinweise auf eine Spielsucht
Reynders und seine Frau haben diese Einzahlungen offensichtlich über Jahre so systematisch betrieben, dass es schließlich der nationalen Lottogesellschaft aufgefallen ist. Die Vermutung, er könne spielsüchtig sein, weisen die Verantwortlichen zurück. So spiele kein krankhaft Spielsüchtiger, diese Masche kenne man von Leuten, die Schwarzgeld waschen wollen. Die nähmen auch die damit verbundenen hohen Verluste von mindestens 30 Prozent in Kauf.
Aus diesem Grund wurde die belgische Generalstaatsanwaltschaft eingeschaltet, die nur wenige Tage nach Reynders Ausscheiden als EU-Kommissar eine Hausdurchsuchung veranlasste. Die Beamten fanden dabei sehr viel Bargeld, zudem muss Reynders offenbar die Herkunft eines Millionenbetrages auf seinem Privatkonten erklären. Fragen wirft auch auf, dass laut Medienberichten das Ehepaar erst dann seine Spielleidenschaft entdeckte, nachdem ihre Hausbank 2023 nach der Herkunft ungewöhnlich hoher Bareinzahlungen auf ihren Konten gefragt hatte.
Die Öffentlichkeit ist verärgert über das Schweigen
Die Öffentlichkeit reagiert zunehmend gereizt auf das dröhnende Schweigen von Didier Reynders. Zumal die Lottogesellschaft immer neue belastende Fakten gegen ihn veröffentlicht – zuletzt ein dreizehnseitiges Dokument, in dem die Spielpraktiken von Reynders und seiner Frau minutiös beschrieben sind. Béatrice Delvaux, Chef-Kommentatorin der Tageszeitung „Le soir“, wirft dem Politiker inzwischen vor, nicht nur sich selbst, sondern auch den belgischen Staat, die EU-Institutionen und die gesamte Demokratie zu beschädigen.
Eine äußerst brisante Dimension hat der Fall zudem, weil der Belgier als Finanzminister seines Landes einst für die Bekämpfung von Geldwäsche zuständig war und gleichzeitig die Aufsicht über die staatliche Lotterie hatte. Als EU-Kommissar fiel dann die Eindämmung von Korruption in seinen Aufgabenbereich. Das heißt, sein gesamtes politisches Wirken erscheint nun in einem völlig neuen, äußerst zweifelhaften Licht.
Die belgischen Liberalen in Erklärungsnot
In Schweigen hüllt sich auch Reynders liberale Partei Mouvement Réformateur (MR). Die sucht seit dem Bekanntwerden der Vorwürfe die größtmögliche Distanz zu ihrem ehemaligen Vorzeigepolitiker. „Als Präsident der MR geht mich das nichts an, Didier Reynders hat kein Mandat mehr beim MR“, erklärt ihr Vorsitzender und ehemaliger Reynders-Intimus Georges-Louis Bouchez mit demonstrativer Gelassenheit. Er war es auch, der Didier Reynders in diesem Sommer die Nominierung für ein weiteres Mandat als Kommissar bei der EU-Kommission verwehrte. Damals wurde Bouchez auch in der eigenen Partei dafür geprügelt, heute halten das die meisten für eine sehr weise Entscheidung.