Das Laufleben der anderen

Laufend BKZ Der Kurs unserer Zeitung biegt auf die Zielgerade ein. Nun müssen die Teilnehmer Farbe bekennen, ob das Ziel Silvesterlauf greifbar erscheint oder doch noch einmal auf die lange Bank geschoben wird. Volontärin Carolin Aichholz möchte die Strecke laufen – eigentlich.

Die Strecke des Silvesterlaufs mitten durch die Backnanger Innenstadt hat mit Laufidylle nicht mehr viel zu tun, kritisiert Volontärin Carolin Aichholz (Mitte). In der Uhlandstraße kommt auch noch eine kleine Steigung auf die Läufer zu.  Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Die Strecke des Silvesterlaufs mitten durch die Backnanger Innenstadt hat mit Laufidylle nicht mehr viel zu tun, kritisiert Volontärin Carolin Aichholz (Mitte). In der Uhlandstraße kommt auch noch eine kleine Steigung auf die Läufer zu. Foto: Alexander Becher

Von Carolin Aichholz

Früher war alles besser, selbst wenn es noch gar nicht so lange her ist. Mitte September war es, als unser Laufend-BKZ-Kurs begann. Die Sonne schien, es war sehr warm, länger hell als bis 16 Uhr und wir waren in einem Wohlfühlkurs im Plattenwald gelandet, der in erster Linie nur einer Person guttun sollte: uns selbst. Wir liefen fröhlich unsere idyllischen Waldwege und ahnten noch nicht, was alles vor uns liegen sollte.

Doch die Zeit verging wie im Flug und parallel zu unseren Fortschritten beim Joggen wurde es leider auch immer früher dunkel, es wurde kalt und auf einmal läuft man im Slalom an Eispfützen vorbei, versucht, nicht zu stürzen, und fragt sich, ob es wirklich schon im November schneien muss.

Wir befinden uns damit mitten im Endspurt auf der Zielgeraden zur zehn Kilometer langen Hechelei durch Backnangs Innenstadt beim Silvesterlauf. Doch langsam fallen Worte wie Tempoläufe, schneller werden und mit zunehmend schlechter Witterung werden die Trainingszeiten länger.

Die Realität traf mich unerwartet hart

Ein kleines Vermögen wurde mittlerweile in wintertaugliche Laufklamotten investiert. Wasserdichte Schuhe sind plötzlich überlebenswichtig und mir wurde klar: Ich bin eine klassische Schön-Wetter-Läuferin.

Im Wald laufen zu gehen, wenn es hell ist, bei frischer Luft, das macht gute Laune und entspannt. Raus gehe ich bei Regen, Schnee und Dunkelheit nur, wenn ich einen verbindlichen Termin dafür habe. Allerdings habe ich selbst dann keinen Spaß dabei. Und nennen Sie mich romantisch, aber wenn ich an Mülltonnen vorbei und vor oder hinter fahrenden Autos mit ihren Abgasen durch die Grabenstraße renne, ist das für mich weit entfernt von der läuferischen Idylle, bei der man eins mit der Natur wird. Ich will doch nur friedlich zwischen grünen Wiesen vor mich hin traben.

So gerne ich auch in der Gruppe laufe (bei meinem miserablen Orientierungssinn hätte ich mich in der Vergangenheit sonst möglicherweise auch schon verlaufen), mich stressen meine Mitläufer gelegentlich auch. Es spornt mich nicht an, überholt zu werden, es stört vielmehr meine innere Balance. Ich habe noch nicht diese Gleichgültigkeit, die sich ein geübter Läufer bestimmt jahrelang antrainiert hat. Ich bin aufgrund meiner Unerfahrenheit noch sehr schnell aus der Ruhe zu bringen.

Doch einen eindeutigen Nutzen hat das regelmäßige Joggen schon: Meine Laufleistung ist inzwischen ein ganz guter Indikator für meinen physischen Zustand. Plagt mich irgendein Zipperlein oder naht eine Erkältung, sind weite Strecken unerreichbar, alles ist schwer und eine Qual. Laufe ich mühelos durch die Stadt, weiß ich, es geht mir gut.

Inkonstanz ist die Konstante

Dadurch verstehe ich meine eigenen Leistungen etwas besser, doch das löst ein Rätsel noch nicht ganz: Meine Laufperformance weist mehr Höhen und Tiefen als die Silvesterlaufstrecke auf. Es ist wie beim Glücksspiel, mal läufts, dann wieder nicht. Ich hinterfrage nicht mehr und beginne jeden Tag bei null. Neuer Lauf, neues Glück.

Vielleicht war ich zu Beginn auch zu euphorisiert von den schnellen Fortschritten. Irgendwann kommt der Punkt, an dem die Leistung etwas länger stagniert. Dann dauert es einfach länger, bis sich Verbesserungen zeigen, und sie sind mühsamer zu erreichen. Um sich weniger oft zu fragen, warum man sich das antut, bin ich wieder zum Musikhören auf der Strecke übergegangen. Die eigenen Zweifel werden damit leiser.

Und wenn mich der Wille ganz verlässt, klage ich meinen lauferprobten Freunden mein Leid und hole mir da eine ordentliche Portion Motivation ab. Sie sagen grundsätzlich immer bei jedem Laufproblem: „Das ist normaaaal.“ Ob sie damit recht haben oder mich nur beruhigen wollen, kann ich nicht beurteilen. Aber es hilft auf jeden Fall.

Vor zwei Tagen habe ich dann auch endlich die komplette Silvesterlaufstrecke mit allen vier erforderlichen Runden geschafft. Langsam gehts an Eingemachte, denn die Entscheidung für eine Anmeldung muss getroffen werden. Diese Entscheidung war bei mir aber schon seit Beginn des Trainings sicher, denn mein Motto lautet nach wie vor: „Irgendwie durchkommen.“

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Erstellt:
16. Dezember 2023, 06:00 Uhr

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