Software-Entwickler

Das Mastermind hinter DeepSeek

Trotz eines Bruchteils der Ressourcen und rigider Tech-Sanktionen kann Entwickler Liang Wenfeng das Silicon Valley in die Schranken weisen.

Der Kopf hinter der neuen KI: Liang Wenfeng

© DeepSeek

Der Kopf hinter der neuen KI: Liang Wenfeng

Von Fabian Kretschmer

Als Liang Wenfeng Ende der Nullerjahre an der renommierten Zhejiang-Universität auf seinen Abschluss hinarbeitete, war er bereits der festen Überzeugung, dass künstliche Intelligenz die Welt von Grund auf verändern würde. Damals wurde er von vielen Kommilitonen jedoch als bloßer Träumer abgetan, wie so oft in seinem Leben. Doch über 15 Jahre später hat Liang auf atemberaubende Weis bewiesen, dass er Recht behalten sollte.

Am Montag sorgte seine KI-Software DeepSeek für eine Art Sputnik-Moment im Silicon Valley: Ein chinesischer Entwickler kann es ganz offenbar mit dem kalifornischen Platzhirschen aufnehmen, braucht dafür aber nur ein Fünfzigstel der Ressourcen. Der Schock saß derart tief, dass DeepSeek die US-Aktienkurse kurzzeitig um zwei Billionen Dollar in die Tiefe riss.

Ein Computer-Nerd lässt das Silicon-Valley alt aussehen

Hinter Chinas KI-Erfolg steckt ein klassischer Computer-Nerd, der 1985 in der südlichen Provinz Guangdong geboren ist. Liang Wenfeng zog für sein Informatik- und Ingenieurstudium schließlich nach Hangzhou, und das war kein Zufall. Die Ostküstenmetropole gilt als Mekka für Chinas große Internetfirmen, allen voran als Hauptsitz von Jack Mas Alibaba-Gruppe.

Doch anders als seine Kommilitoninnen und Kommilitonen heuerte Liang nicht bei den großen Marktführern an, sondern mietete sich in einer günstigen Wohnung ein, um in langen Nächten an seinem Computer mit Start-Up-Ideen zu experimentieren. Nach mehreren gescheiterten Versuchen landete er schließlich in der Finanzbranche – und baute einen Hedgefonds auf, bei dem einzig ein Algorithmus die Investitionsentscheidungen traf. High-Flyer wuchs schließlich rasant an, zuletzt verwaltete es ein Vermögen von umgerechnet knapp 13 Milliarden Euro.

DeepSeek ist erst vor zwei Jahren gegründet worden

Liang Wenfeng war allerdings wenig an Reichtum und Geschäftsanwendungen interessiert, wie er in einem Interview aus dem Jahr 2023 verriet. Sein Antrieb fuße vor allem auf der Neugierde eines Forschers, der grundlegende Hypothesen überprüfen möchte: „Wir stellen zum Beispiel die Hypothese auf, dass die Essenz der menschlichen Intelligenz die Sprache sein könnte, und dass das menschliche Denken im Wesentlichen ein linguistischer Prozess ist“.

Möglicherweise könnte DeepSeek nun einen Teil der Antwort liefern. Erst vor zwei Jahren wurde das Unternehmen gegründet, und es hat sich nicht trotz – sondern gerade wegen – der bestehenden Tech-Sanktionen der USA so innovativ entwickelt. Denn Not macht bekanntermaßen erfinderisch. Und so musste DeepSeek eigene Wege beschreiten.

China leidet unter historischer Schmach

Chinas Parteiführung hat schon von früh an die Bedeutung von künstlicher Intelligenz als Technologie der Zukunft begriffen. Das hat auch mit einer historischen Schmach zu tun: Laut der offiziellen Geschichtsschreibung gehört das „Reich der Mitte“ an die Spitze der Weltordnung, die letzten 200 Jahre waren dementsprechend eine Phase der Anomalie. Dass China wirtschaftlich niederging, hatte vor allem damit zu tun, dass das Kaiserreich – den Blick in sich gekehrt – die technologischen Fortschritte während der Industrialisierung verschlafen hatte. Dieser Kardinalfehler dürfe sich nun nicht wiederholen.

Dementsprechend werden in den Fünfjahresplänen der kommunistischen Partei bestimmte Zukunftstechnologien mit besonderem Elan forciert. Und dabei kann das autoritäre System aus dem Vollen schöpfen: Weder Datenschutzgesetze noch Regulierungshürden hemmen den Ein-Parteien-Staat bei der technologischen Entwicklung. Zudem kann er auf die Forschung der Universitäten und Unternehmen in ungleich stärkerem Maße zugreifen, als es in einer freien Marktwirtschaft möglich wäre.

DeepSeek befolgt Zensurvorgaben der chinesischen KP

Aus Sicht des Westens ist der Erfolg des chinesischen Start-Up besorgniserregend; nicht zuletzt, da DeepSeek strikt die Zensurvorgaben der chinesischen KP befolgen muss. Während man die Software ausgiebig nach US-amerikanischen Kriegsverbrechen befragen kann, verweigert es bei China-kritischen Themen grundsätzlich seine Aussage. Sollten sich chinesische KI-Modelle weltweit durchsetzen, wäre dies eine erhebliche Gefahr für den freien Informationsfluss.

Doch die Causa DeepSeek hält auch einige inspirierende Lehren bereit: Es zeigt, dass das Entwickeln hochkomplexer KI auch effizienter und ressourcenschonender möglich ist, als es bislang die Silicon Valley Platzhirsche vorgegeben haben. DeepSeek hat nämlich nicht nur weniger Gelder verschlungen, sondern auch einen deutlich geringeren CO2-Fußabdruck: Denn Datenzentren müssen mit riesigen Mengen an Grundwasser gekühlt und durch massive Kraftwerke betrieben werden.

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Erstellt:
28. Januar 2025, 15:48 Uhr

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