Mehr Sicherheit im Kriegsfall
Das sind die Bunker-Pläne für Deutschland
Planungen für ein nationales Schutzraumkonzept laufen schon seit einiger Zeit. Bald wird die Bevölkerung über Ergebnisse des „Bunker-Plans“ informiert.
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© Imago/Bihlmayerfotografie
Ein Wegweiser zum Bunker an einer Ziegelwand.
Von Markus Brauer/dpa
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine im Jahr 2022 bedeutete auch eine Zeitenwende für den Zivilschutz in ganz Deutschland und auch in der Region Stuttgart. Bund und Länder machen sich seither auf Initiative von Baden-Württemberg Gedanken, was man unter anderem bei Gebäuden beachten kann, um den Schutz für Bürgerinnen und Bürger im Kriegs- und Verteidigungsfall zu erhöhen.
Erste Ergebnisse mit Hinweisen an die Bevölkerung soll es in der ersten Jahreshälfte 2025 geben, wie das Innenministerium in Stuttgart jetzt mitgeteilt hat. In einem weiteren Schritt wird es im Zivilschutz dem Vernehmen nach auch um Neubauten gehen.
"Lost Places" und mögliche Schutzräume werden erfasst
Laut dem Bundesinnenministerium wollen Bund und Länder öffentliche Gebäude und private Immobilien, die als Zufluchtsorte genutzt werden können, möglichst systematisch erfassen. Das können etwa Tiefgaragen, U-Bahnhöfe und Kellerräume sein, aber auch ehemalige Weltkriegsbunker, die heute nur noch ein Schattendasein unter der Erde führen..
Die Daten sollen in ein digitales Verzeichnis münden, um Bürgerinnen und Bürgern über Warn- und Kartendienste die für sie nächstgelegenen Schutzorte per Handy mitzuteilen.
Zu den Eckpunkten gehört laut dem Innenministerium in Berlin aber auch, dass man Möglichkeiten und Empfehlungen ausarbeitet, was man bei bestehenden Gebäuden beachten kann, um den Schutz im Kriegsfall zu erhöhen. Außerdem sollen Menschen über die Bedeutung von Schutzräumen und die Möglichkeiten des Selbstschutzes in umfassenden Informationskampagnen aufgeklärt werden.
Schweizer sind Bunker-Profis - Deutsche nicht
In der Schweiz gilt der Grundsatz „jeder Einwohnerin und jedem Einwohner ein Schutzplatz“: In rund 370.000 privaten und öffentlichen Schutzräumen sind laut dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) rund neun Millionen Schutzplätze vorhanden. Dies entspreche einem Deckungsgrad von mehr als 100 Prozent, wobei jedoch kantonale Unterschiede und örtliche Lücken bestehen.
Im Gegensatz zur Schweiz, die auf den Bau von Bunkern setzt, geht es in Deutschland aber um einen besseren Schutz bestehender Räume.
Spartanisch gebaut und ausgerüstet
Wie das BABS auf seiner Homepage beschreibt, sind Schutzräume – umgangssprachlich auch als Luftschutzkeller bekannt – spartanisch gebaut und ausgerüstet, um Kosten, Platzbedarf und Unterhaltsaufwand möglichst niedrig zu halten. Im Zentrum stehe die Schutzwirkung.
Danach verdankt der Schutzraum seine mechanische Widerstandsfähigkeit der Schutzraumhülle – also Boden, Wände und Decke. „Sie ist aus Stahlbeton erstellt. Öffnungen werden mit Panzertüren und Panzerdeckeln verschlossen, die ebenfalls aus Stahlbeton bestehen.“
Der Schutzraum verfügt demnach über einen Notausstieg oder eine Fluchtröhre. Somit könne er auch verlassen werden, wenn der Eingang nicht mehr benutzbar sei – etwa bei einem Gebäudeeinsturz. Um die Zufuhr frischer Luft zu gewährleisten, sei der Schutzraum mit einem Belüftungssystem ausgestattet. Größere Schutzräume verfügten über eine Schleuse.
Bunker, Schutzräume, Lost Places in Deutschland
- Nach Angaben des Bundesinnenministeriums sind von 2000 öffentlichen Schutzräumen in Deutschland aktuell noch 579 mit rund 480.000 Schutzplätzen übrig.
- Bestehende Anlagen wurden verkauft, andere verfielen. Im Jahr 2007 wurde entschieden, die öffentlichen Schutzräume abzuwickeln. Der Prozess wurde im März 2022 – nach Beginn des Ukraine-Kriegs – gestoppt.
- In Baden-Württemberg gab es zu Zeiten des Kalten Krieges laut dem Landesinnenministerium 547 öffentliche Schutzräume mit mehr als 400.000 Plätzen.
- Übrig blieben 220 Schutzräume mit rund 176.000 Plätzen. Keiner ist nutzbar.
Staat als "Prepper": Notreserven an Essen und Trinken?
Eine Notreserve an Grundnahrungsmitteln ist im Rahmen der staatlichen Lagerhaltung von Nahrungsmittelvorräten angelegt. Die staatlichen Nahrungsreserven bestehen zum einen aus Weizen, Roggen und Hafer (Bundesreserve Getreide). Zum anderen werden Reis, Erbsen, Linsen und Kondensmilch eingelagert (Zivile Notfallreserve).
Die Lagerstandorte und die in den einzelnen Standorten gelagerten Waren werden aus Sicherheitsgründen nicht bekannt gegeben. Ein Vorrat an Sanitätsmitteln durch den Bund wird nach Kenntnis des Innenministeriums aktuell an neun Standorten in Baden-Württemberg vorgehalten.
Bevölkerungsschutz oder Kriegsbereitschaft?
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hat bereits im Dezember 2024 gemahnt, sich für den Ausfall essenzieller Infrastruktur zu rüsten. „Ich appelliere an die Bürger: Bereiten Sie sich auf Notlagen vor, dies kann auch länger andauernder Stromausfall sein“, sagte BBK-Vizepräsident René Funk. „Notlagen müssen nicht eintreten, sind aber jederzeit möglich. Wir müssen nicht nur militärisch verteidigungsfähig sein, sondern auch im Zivil- und Katastrophenschutz.“
„Drei Tage lang selbstständig versorgen“
- „Jeder deutsche Haushalt sollte so gerüstet sein, dass er sich drei Tage lang selbstständig versorgen kann“, empfiehlt Funk.
- Das gelte auch für länger andauernde Stromausfälle. „Viele Menschen bedenken nicht, was dann alles nicht mehr funktionieren würde: das Licht, der Herd, in Teilen die Wasserversorgung, das Internet, die Geldautomaten.“
- Die Vorbereitungen müssten nicht viel kosten, betonte Funk. Wichtig seien zum einen „Lichtquellen, die nicht vom Strom abhängig sind – also zum Beispiel batteriebetriebene Lampen, Kerzen oder Streichhölzer.“
- Weiterhin rät Funk einen Vorrat von 1,5 Litern Wasser pro Tag und Person, „auch für die persönliche Hygiene“, sowie Lebensmittel für 72 Stunden. „Das können zum Beispiel Konserven von Lebensmitteln sein, die nicht gekocht werden müssen, Nüsse, Kekse oder Salzstangen“, führt der Katastrophenexperte aus.
- „Und: ein batterie- oder kurbelbetriebenes Radio, um sich weiter informieren zu können.“
- Auch Bargeld sollte vorgehalten werden.
Bunker bei Atomkrieg nutzlos
Funk räumte ein, dass eine solche Vorbereitung auf Notlagen „ein unbequemer Gedanke“ und hierzulande gewöhnungsbedürftig sei. „Wir haben in Deutschland lange von der Friedensdividende profitiert“, erklärte er. „Der Gedanke, uns für Bedrohungen von außerhalb zu rüsten, liegt uns fern.“
Dies sei aber notwendig. Die Zahl der Attacken auf die kritische Infrastruktur aus dem Ausland steige. „Wir sind bereits jetzt täglich einer Vielzahl von hybriden Angriffen ausgesetzt“, warnt Funk. Unklar ist indes, was Schutzräume und Bunker im Fall eines Atomkriegs überhaupt noch für einen Nutzen bringen würden.