Das Sulzbacher Rathaus ist in Narrenhand

Kein herkömmlicher Rathaussturm, sondern ein Fastnachtsspiel auf dem Marktplatz mit anschließender Inbesitznahme der Amtsstuben ist in Sulzbach an der Murr zur Tradition geworden. In diesem Jahr ging es um das alte Handwerk der Glasbläserei.

Die Stäffeleshexen haben die neue Sulzbacher Bürgermeisterin Veronika Franco Olias aus dem Rathaus geholt. Foto: Jörg Fiedler

© Jörg Fiedler

Die Stäffeleshexen haben die neue Sulzbacher Bürgermeisterin Veronika Franco Olias aus dem Rathaus geholt. Foto: Jörg Fiedler

Von Carmen Warstat

SULZBACH an der Murr. Einer der „Erdluitle“ (Erdmännle), Reisigbären, Stäffeleshexen und Rumpelhäxn, seltsame Geisterwesen, Gespenster und hämische Fratzen, der Teufel vom Teufelstein, die Prinzengarde in Gestalt von tanzenden Fliegenpilzen und Leuchtstabmajoretten bevölkerten den abendlichen Marktplatz in Sulzbach an der Murr. Daneben gibt es wandelnde Planeten und Gestirne (dargestellt vom Elferrat), Sulzbacher Musikanten, einen Nachtwächter und einen Kanonier. Nicht fehlen darf beim Fastnachtsspiel selbstverständlich die Obrigkeit in Gestalt der amtierenden Ratsherrinnen und allerlei Volk sowie nicht zuletzt die Figur des Glasbläsers Heinrich Greiner (gespielt von Birgit Kollak), als die Zeremonienmeisterinnen von ihrem Festwagen herunterriefen: „So, ihr Lieben! Es geht los mit dem Spektakel!“

Maria Schetter-Fluor und Suse Greiner-Pflaum vom Sulzbacher Carnevalsverein hatten sich auch in diesem Jahr etwas Originelles einfallen lassen, um die Frage „Was isch los im Schwäbischen Wald?“ zu beantworten. Wobei, eigentlich müsste es „Was war los?“ heißen, denn seit nunmehr 18 Jahren stellen die Sulzbacher Narren in ihren Fastnachtsspielen historische Themen und Begebenheiten oder Berufe nach, dieses Mal also den des Glasbläsers.

Die Stäffeleshexen holen die neue Bürgermeisterin aus dem Rathaus

Nach mehreren Salutschüssen aber mussten die Stäffeleshexen erst mal die neue Bürgermeisterin Veronika Franco Olias und ihr Gefolge aus dem Rathaus herunterholen, es musste „Sulzbach Ha No“ gegrüßt und der neuen Bürgermeisterin das „sehr ernst zu nehmende Fastnachtsspiel“ erläutert werden. Alljährlich handelt es sich um ein Stegreifspiel mit vielen Teilnehmern in erfindungsreich gestalteten Kostümen und mit gediegenen Requisiten, ein großes Vergnügen um seiner selbst willen. „Wir machen das für uns“, verriet Maria Schetter-Fluor vorab, weil nicht viele Zuschauer von außerhalb kämen und es ja um den Spaß an der Freude gehe.

Und das war am schmutzigen Donnerstag auch zu spüren, als Begebenheiten aus dem Leben des Glasbläsers Greiner nachgestellt wurden und allerlei Metaphern belustigende Bezüge zur Gegenwart herstellten. So musste die Obrigkeit Kohle ausgraben und später großzügig an das Volk verteilen. Und: „Der Gemeinderat durfte sich ausnahmsweise auch mal die Hände schmutzig machen“, heißt es in dem Festspiel.

Weitere Themen

Bevor die neue Bürgermeisterin im Fastnachtsreigen willkommen geheißen wurde, waren auch Anspielungen auf die aktuelle Bundespolitik fällig. Das Heizungsgesetz und die Energiepauschale, Bauernproteste und Transportarbeiterstreiks mussten daran glauben.

Schließlich schwor Veronika Franco Olias den fastnächtlichen Eid: „Ich gelobe, stets im Sinne des Frohsinns und der guten Laune zu handeln, die Interessen der Narren und Närrinnen zu vertreten und die Stadt mit einem Lächeln zu regieren.“ Die Übergabe des Rathausschlüssels erfolgte umgehend und der Nachtwächter (Christian Schweizer aus Murrhardt) bekam einen ausgestopften Reiher geschenkt. „Des isch a gute Idee“, meinte Maria Schetter-Fluor, „dann hen älle an Vogel! Murrhardt hat den Kraftvogel, den Reiher, Sulzbach hat den Glücksvogel, den Storch, und in Berlin wohnt der Pleitegeier!“ Nach einem Schnäpsle für die Akteure auf dem Wagen gab „unser Nachtwächter aus Murred, der Christian Schweizer“eine selbst verfasste Beschwörung der Glasbläserkunst sowie später im Rathaus auch seine Parodie auf das allgegenwärtige Gendern zum Besten und resümierte: „Narren sind wie Fensterglas, manchmal undurchschaubar mit dreistem Spaß, halten den Menschen ihren Spiegel vor, drum ruft dreifach nun im Chor: Sulzbach Ha No!“

Erste Ideen für das Festspiel im kommenden Jahr gibt es bereits

Die Dankesworte der Zeremonienmeisterinnen richteten sich an alle Teilnehmer und Zuschauer, darunter die Prinzengarde und die Techniker, an den Musikverein und den gesamten Sulzbacher Carnevalsverein sowie an alle seine Gäste.

Für das nächste Jahr hat Maria Schetter-Fluor auch schon eine Idee, erzählt sie. Zusammen mit Suse Greiner-Pflaum wird sie – wie immer – aber erst um den Dreikönigstag herum mit der Arbeit des Schreibens beginnen. „Ich brauche den Zeitdruck“, offenbart sie und freut sich über den herzlichen Applaus für das diesjährige Spektakel.

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Erstellt:
10. Februar 2024, 06:00 Uhr

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