Das surrende Auge der Polizei

Bei Veranstaltungen wie Demonstrationen oder Fußballspielen und Verkehrsunfällen setzt die Polizei in Baden-Württemberg verstärkt auf Drohnen

Stuttgart Als der Landtagsabgeordnete Stefan Räpple (AfD) am 8. Dezember bei seiner Kundgebung auf dem Stuttgarter Kronprinzplatz gegen den UN-Migrationspakt wettert, surrt es über ihm am Himmel. Rund 400 Gegendemonstranten des Aktionsbündnisses „Stuttgart gegen Rechts“ sind gekommen. Nur wenige Meter und ein paar Absperrgitter trennen sie von Räpple. Die Polizei behält das Geschehen genau im Blick, will eine Eskalation frühzeitig erkennen können. Deshalb das Surren. Kundgebung und Gegendemo werden von den Beamten per Drohne von oben beobachtet: vier Rotoren und eine hochauflösende Kamera.

In Stuttgart seien Drohnen mittlerweile „fast schon ein Routine-Einsatzmittel“, sagt Polizeisprecher Olef Petersen. Laut Innenministerium kommen Polizeieinsätze mit einem unbemannten Luftfahrtsystem, wie Drohnen in der Fachsprache genannt werden, auch anderswo immer häufiger vor. Landesweit sind es im vergangenen Jahr fast 100 gewesen.

Dabei befindet sich die Polizei derzeit ­offiziell noch in einer Testphase. Das Polizeipräsidium Einsatz in Göppingen, das die zwölf regionalen Polizeipräsidien im Südwesten bei besonderen Einsatzlagen unterstützt und bei dem auch die Hubschrauberstaffel angesiedelt ist, startete mit den Drohneneinsätzen vor rund zwei Jahren. Seither sammeln speziell ausgebildete Beamte von dort Erfahrungen.

Außer bei Demonstrationen mit Konfliktpotenzial sind die Polizeidrohnen bei Veranstaltungen wie Konzerten oder Fußballspielen im Einsatz. So kann die Polizei zum Beispiel rund um ein Stadion Besucherströme leichter beobachten als vom Boden aus und Gefahren schneller erkennen – zum Beispiel, wenn rivalisierende Fangruppen aufeinanderzutreffen drohen. Um keine Personen zu gefährden, gelte stets, dass man nicht direkt über einer Menschenmenge fliege, sagt ein Ministeriumssprecher. Drohnen werden aber nicht nur bei Großveranstaltungen eingesetzt – Bilder aus der Luft helfen auch bei der Aufnahme von Verkehrsunfällen oder der Dokumentation von Tatorten.

Seit Dezember 2018 haben jetzt auch die Polizeipräsidien Stuttgart, Aalen und Freiburg eigene Drohnen – und sogenannte Luftfahrzeugfernführer im Kollegium. Bis voraussichtlich Sommer dieses Jahres sollen auch sie weitere Erfahrungen sammeln. Fallen diese positiv aus, wovon nach Lage der Dinge auszugehen ist, sollen alle Dienststellen im Land mit den surrenden Helfern ausgestattet werden.

Weil auch künftig nur Polizeibeamte, die ein intensives Training hinter sich haben, die Geräte abheben lassen und steuern dürfen, sollen aus jedem regionalen Polizeipräsidium vier bis acht Beamte eine Ausbildung beim Präsidium Einsatz zum Luftfahrzeugfernführer absolvieren. So plant es jedenfalls das Ressort von Innenminister Thomas Strobl (CDU) derzeit. Die Schulung beinhaltet sowohl rechtliche Aspekte als auch intensive Trainingsstunden für das polizeitaktische Fliegen in verschiedenen Situationen.

Dass das anspruchsvoll, aber für die Beweissicherung auch vorteilhaft sein kann, zeigt ein Beispiel in der Nähe von Reutlingen. Nach dem Absturz eines Kleinflugzeugs am Rande eines bewaldeten Hangs ermöglichte der Einsatz einer Drohne, die letzte Flugphase vor dem Absturz aus Sicht des Piloten nachzustellen und die Einflugschneise im Bereich der beschädigten Baumwipfel detailliert aufzunehmen. Mit einem Hubschrauber wäre ein solches Flugmanöver nicht möglich gewesen.

Durch die neuen Möglichkeiten könnte auch bei anderen Einsätzen, zum Beispiel bei der Suche nach Vermissten, künftig öfter auf laute und teure Hubschrauber verzichtet werden. Welche Summe das Land nach einer flächendeckenden Ausweitung von Drohnen pro Jahr einsparen könnte, kann das Innenministerium aber noch nicht beziffern.

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Erstellt:
7. Januar 2019, 03:14 Uhr

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