Stromlinienwagen
Das teuerste Auto der Welt – Mercedes macht sich selbst Konkurrenz
Ein für 135 Millionen Euro verkauftes Uhlenhaut-Coupé ist mit Abstand der wertvollste Oldtimer. Doch die Spitze rückt bald näher zusammen, wenn die nächste Mercedes-Ikone versteigert wird: der Stromlinienwagen W 196 R, Baujahr 1954.
Von Peter Stolterfoht
Dass der Pokal seine eigenen Gesetze hat, gehört zu den etwas zu oft bemühten Weisheiten des Fußballs. Erschwerend hinzu kommt: dieses Alles-ist-möglich-Motiv passt viel besser zu anderen Branchen. Zum Auktionsgeschäft, beispielsweise. Auf Vorhersagen in diesem Metier kann man sich so wenig verlassen wie in den Bergen auf den Sieben-Tage-Wetterbericht. Und dann werden vor Versteigerungen die Fragezeichen auch noch größer, je exklusiver das Exponat ist.
Ein Liebhaberstück von noch unschätzbarem Wert wird am 1. Februar in Stuttgart versteigert. Das Mercedes-Benz-Museum ist dann die passende Kulisse für ein ganz besonderes Wettbieten. Unter den Hammer des Auktionhauses RM Sotheby’s kommt dort ein Exemplar des unverwechselbaren Mercedes-Motorklassikers aus dem Jahre 1954 mit der Typenbezeichnung W 196 R, besser bekannt als Stromlinienwagen.
Die unberechenbare Dynamik einer Auktion
Als Richtwert für das Fahrzeugs gibt RM Sotheby’s 50 Millionen Euro an. Eine Summe, die durch diese unberechenbare Dynamik einer Auktion weit überboten werden kann. So ging im Mai 2022 an selber Stelle das 300 SLR Uhlenhaut Coupé von Mercedes für den nicht für möglich gehaltenen Preis von 135 Millionen Euro an einen neuen Besitzer, dessen Identität, wie in solchen Fällen üblich, unter Verschluss gehalten wurde.
Der Stromlinienwagen könnte jetzt als zweiter Markenvertreter in diesen Spitzenbereich vorstoßen und damit die führende Rolle von Mercedes als teuerste Klassikerschmiede unterstreichen. Die Führungsposition in diesem Bereich hatte bis ins Jahr 2022 Ferrari mit den Modellen LM 330 von 1962 (verkauft für 51,7 Millionen Euro) und dem 250 GTO (48,4 Millionen) inne.
Mercedes setzt nun zum nächsten Überholmanöver an, allerdings nicht mit einem Wagen aus dem eigenen Besitz. Verkäufer des erstmals Privatpersonen angebotenen Stromlinienwagens ist das Motor Speedway Museum in Indianapolis, das den W 196 R von Mercedes 1964 geschenkt bekommen hatte. Der Erlös soll sowohl für die Sanierung des Museums verwendet werden als auch in dessen Stiftung fließen. Der Rennwagen ist bereits bei Mercedes angekommen, wo im Classic Center des Unternehmens in Fellbach ein Herstellergutachten erstellt wurde.
Andy Warhol setzt dem Auto ein Denkmal
Das schnittig-markante Design des Autos ist ein besonderes Merkmal, dem Andy Warhol 1986 im Rahmen seiner Acryl-Bilder-Serie „Cars“ein Denkmal setzte. Dazu macht eine spannende Historie diesen Rennwagen endgültig zum Kultobjekt. Zu dessen Geschichte gehört, dass Mercedes-Benz 1954 zwei Versionen des W 196 R ins Rennen um die Formel-1-Weltmeisterschaft schickte: eine mit stromlinienförmiger, aerodynamischer Karosserie mit umschlossenen Rädern für die Hochgeschwindigkeitskurse, dazu eine mit offener Karosserie und frei stehenden Rädern, die ideal für kurvenreichere Strecken war.
Drei stromlinienförmige Rennwagen hatten ihre Premiere beim Großen Preis von Frankreich in Reims. Mercedes-Benz feierte dort einen viel beachteten Doppelsieg: Die Piloten Juan Manuel Fangio, Karl Kling und Hans Herrmann kamen auf die Plätze eins, zwei und sieben. Fangio wurde 1954 mit dem neuen Silberpfeil Formel-1-Weltmeister.
Insgesamt gibt es noch vier Stromlinienwagen
Das nun zum Verkauf stehende Stromlinienmodell mit der Startnummer 16 und der Fahrgestellnummer 00009/54 steuerte Stirling Moss 1955 auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke in Monza. Weshalb der über 300 Stundenkilometer schnelle Flachmann in England und den USA als „Monza Streamliner“ bekannt ist. Davon gibt es heute noch vier Exemplare. Neben dem am 1. Februar zum Verkauf kommenden Modell, steht noch eines im Technikmuseum Wien. Im Besitz von Mercedes sind zwei weitere Wagen dieser Art mit einem Achtzylindermotor bei 2,5-Liter-Hubraum.
Weltmeister wurde in der Saison 1955 erneut Juan Manuel Fangio vor seinem britischen Teamkollegen Stirling Moss. Ergebnisse, die sich auch noch 70 Jahre später bezahlt machen dürften.