6000 Jahre alte Begräbniskultur
Das Totenhaus aus der Steinzeit
Die Fläche der künftigen Stromtrasse SuedOstLink in Sachsen-Anhalt gibt immer wieder archäologische Funde frei. Jetzt sind die Spatenforscher auf eine steinzeitliche Begräbnislandschaft gestoßen.
Von Markus Brauer/dpa
Archäologen haben die Überreste eines rund 6000 Jahre alten überhügelten Totenhauses bei Aderstedt in Sachsen-Anhalt entdeckt. Die Anlage gehört zur Baalberger Kultur. Die Ausgrabungen erfolgten im Vorfeld des Baus der künftigen Gleichstromtrasse SuedOstLink.
Holzanlage von Grabhügel bedeckt
„Die trapezförmige Anlage bestand ursprünglich aus Holz und dürfte circa 12 Meter breit und 20 Meter lang gewesen sein“, sagt die Abteilungsleiterin Bodendenkmalpflege am Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Susanne Friederich.
„Darüber war viel Erdmaterial aufgebracht worden, sodass ein großer Grabhügel entstanden war. Zusammen mit einem etwa 100 Meter entfernt gelegenen weiteren, in gleicher Weise errichteten Monument können wir erstmals die Höhe der damaligen Grabhügel rekonstruieren.“
Bestattungsort wurde Jahrhunderte genutzt
Die Begräbnislandschaft wurde bis ins dritte Jahrtausend v. Chr., der Zeit der sogenannten Schnurkeramik-Kultur genutzt. Am Fuß eines Grabhügels wurden die Verstorbenen bestattet. „Fünf konzentrisch angelegte Gräber der Schnurkeramik-Kultur zeigen die Position des 6000 Jahre alten Erdhügels an, in den sie 1500 Jahre später eingetieft worden waren“, erläutert die Archäologin.
„Je weiter diese Gräber vom Zentrum des Grabhügels entfernt waren, umso tiefer mussten diese in den Boden eingebracht werden. Ansonsten hätten Füchse oder andere Tiere die Toten wieder aus dem Boden gescharrt.“
Charakteristische Doppelbestattung
Bei den Gräbern fällt besonders die Art der Doppelbestattung auf. „In der Schnurkeramischen Zeit gilt eine strenge Grabsitte: Die Toten werden in aller Regel mit Blick nach Süden niedergelegt. Das gilt auch für diese Familienbestattung, bei der die beiden Toten nicht einander zugewandt niedergelegt worden waren", erläutert Grabungsleiter Jens Markus. Den Verstorbenen war ein für damalige Zeit typisches Gefäß mitgegeben worden.
Heilige Orte der Baalberger Kultur
In der Zeit der Baalberger Kultur vor 6000 Jahren wurde die Landschaft erstmals bewusst gestaltet. Die Grabhügel konnten von Weitem gesehen werden und blieben sehr lange erhalten. Immer wieder zogen über Jahrtausende hinweg solche heiligen Orten die Menschen an. Und oft wurden weitere Begräbnisstellen angelegt.
Die Baalberger Kultur war eine jungneolithische Kultur um etwa 4200 bis 2800 v. Chr. mit Fundstätten in Mitteldeutschland und Böhmen. Benannt wurde sie nach dem Erstfund im Schneiderberg bei Bernburg (Salzlandkreis) in Sachsen-Anhalt.
Sie wird zu den Trichterbecher-Kulturen gerechnet und ist in Deutschland deren fundreichste Erscheinung. Im nördlichen Mitteleuropa, im mittleren Osteuropa, in Dänemark und in Südskandinavien ist die Trichterbecher-Kultur die erste vom Ackerbau geprägte bäuerliche Kultur des nordischen Frühneolithikums. Sie folgt im Norden der mesolithischen Ertebølle-Kultur (5100 bis 4100 v. Chr).
Begräbnislandschaften in Sachsen-Anhalt
Eine vergleichbare Begräbnislandschaft war vor wenigen Monaten bei Magdeburg entdeckt worden. Dort hatte sich sogar ein Prozessionsweg zwischen zwei baalbergezeitlichen Grabhügeln erhalten.
Der rund 150 Kilometer lange Teilabschnitt der künftigen Stromtrasse SuedOstLink durch Sachsen-Anhalt soll noch bis 2025 archäologisch untersucht werden. Die gesamte Trasse ist rund 540 Kilometer lang und reicht von Wolmirstedt bei Magdeburg bis zum Standort Isar bei Landshut in Bayern.