Das verflixte erste Jahr
Vor genau zwölf Monaten sind die Kanzlerin und ihre Ministerriege vereidigt worden. Ihre Arbeit stand seither nicht immer im Mittelpunkt, da sich die Koalitionsparteien wie die Kesselflicker stritten – verbunden mit der Frage, ob die Ära Merkel und die Wahlperiode vor 2021 enden. Eine schwarz-rote Zwischenbilanz von Merkel, Scholz und Co – von Spitzenklasse bis ungenügend.
An diesem Donnerstag ist die Bundesregierung ein Jahr im Amt. Was sie tut, steht nicht immer im Vordergrund. Denn die Spekulationen über Angela Merkels Kanzlerschaft halten an.
BerlinBereits am Tag, als sie zum vierten Mal den Amtseid ablegte, war Angela Merkel politisch geschwächt – das Bundestagswahlergebnis und schwierigste Koalitionsgespräche hatten da schon eine Menge Schaden angerichtet. Gut sieben Monate, interne Intrigen und zwei deftige Wahlklatschen für die Unionsparteien später zog die Kanzlerin die Notbremse und sich selbst vom CDU-Parteivorsitz zurück. Merkel musste dabei einräumen, im Streit um Verfassungspräsident Hans-Georg Maaßen, der nach seinen umstrittenen Aussagen zu den Vorkommnissen in Chemnitz erst wegbefördert werden sollte, das Gefühl dafür verloren zu haben, was der Bevölkerung vermittelbar ist und was nicht.
Seit sie „nur“ noch Kanzlerin ist, wirkt die 64-Jährige befreit, hat mehr Zeit für das oberste Regierungsamt und setzt ihre Akzente vorrangig in der Außenpolitik – etwa mit dem deutsch-französischen Vertrag von Aachen sowie ihrer Rede bei der Münchner Sicherheitskonferenz, die die transatlantische Krise unter Donald Trump endlich beim Namen nannte. Ihrer Regierung eine klare Richtung zu geben vermag sie dagegen offenbar nicht mehr, ein klassisches „Machtwort“ ist kaum zu erwarten. Man kann sich gelegentlich des Eindrucks nicht erwehren, einer Abschiedstournee beizuwohnen – um beim nächsten Auftritt wieder die nüchterne Arbeiterin zu erleben, die nichts umhauen kann. „Ich denke, dass wir eine Menge geschafft haben“, hat Merkel selbst zum Regierungsjahrestag gesagt, „trotz aller Diskussionen, die wir auch hatten.“ Das wäre angesichts des teils erbitterten Streits wohl die Untertreibung des Jahres. (zie)