Das verflixte zweite Buch

Was folgt auf das Debüt? In der neuen Reihe „Secondo“ hat Kristine Bilkau in der Stadtbibliothek darüber berichtet

Literatur - Was folgt auf das Debüt? In der neuen Reihe „Secondo“ hat die Autorin Kristine Bilkau darüber berichtet.

Stuttgart Thomas Mann schrieb die „Buddenbrooks“. Und dann? Erwartungsdruck, Selbstzweifel, der Verlag, der einem im Nacken sitzt, oder alles zugleich. Der zweite Roman steht unter Schriftstellern im Ruf, schwierig zu sein. In der Stadtbibliothek Stuttgart hat nun die Hamburger Autorin Kristine Bilkau in der Reihe „Secondo“ aus ihrem Zweitling „Eine Liebe, in Gedanken“ gelesen und über die besonderen Probleme nach dem Debüt gesprochen.

Der Kampf mit dem zweiten Buch steht im Mittelpunkt dieser neuen Reihe, die mit Kristine Bilkaus aktuellem Roman eröffnet wurde. In loser Folge stellen Autorinnen und Autoren ihre literarischen Zweitgeburten vor – unter anderem Takis Würger, dessen zweiter Streich jüngst zu heftigen Debatten in den Feuilletons geführt hat.

„Wie war wohl dein letzter Abend? Wie war deine letzte Nacht?“, fragt die namenlose Erzählerin in Bilkaus neuem Werk ihre verstorbene Mutter. Es beginnt eine Suche nach dem vergangenen Leben einer Frau, die jener Erzählerin wie selbstverständlich nahestand, über die sie jedoch selbst wenig wusste. Das Buch taucht ein in die frühen sechziger Jahre; in eine von Freiheitsdrang gezeichnete Figurenwelt, in der das Knistern, das sich während der Achtundsechziger-Bewegung entlädt, schon in der Luft liegt, aber noch die Konventionen der biederen Nachkriegszeit fortwirken. Die Erzählerin rekonstruiert die Liebesgeschichte ihrer Mutter Antonia zu einem Mann namens Edgar, die trotz kurzer Dauer beider Leben geprägt hat.

„Es ist ein ganz anderes Schreiben“, sagt Bilkau im Gespräch mit der Moderatorin Caroline Grafe über den Unterschied zu ihrem Debüt „Die Glücklichen“. „Das erste Buch schreibt man frei, ganz für sich alleine, ohne zu wissen, was passiert.“ Im zweiten dagegen stünde man bereits während der Entstehungsphase in Kontakt mit dem Verlag, müsse sich mit Fragen auseinandersetzen, wie: „Wo willst du hin?“, „Wie entwickeln sich deine Figuren?“. Das bringe auf der einen Seite Struktur, aber natürlich auch Druck rein, erklärt Bilkau. Sie wirkt gelöst, als sie erzählt. Trägt einen Pullover mit rotem Kragen, dazu Jeans.

Ihr zweites Werk ist autobiografisch grundiert. Die Mutter starb, während Kristine Bilkau an den Korrekturarbeiten ihres ersten Romans saß. Zweieinhalb Jahre schrieb sie am zweiten Buch; hart sei sie zu sich gewesen. Mittlerweile kenne man die Stimmen der Kritiker und Lektoren. Viel habe sie gekürzt. Trotzdem erlebte die 45-Jährige den Schreibprozess im Vergleich zum Erstling wesentlich gelassener: „Früher war es ein hin und her zwischen Rauschzuständen und absoluter Ernüchterung“, beim zweiten Buch seien die Extreme nicht mehr so stark ausgeprägt. „Auch da gab es Zeiten, in denen ich bis in die Nacht geschrieben und Mahlzeiten vergessen habe. Insgesamt bin ich aber ruhiger geworden.“

Werde man selbstsicherer in seiner Arbeit? Was die Struktur betreffe, ja. Bei der Qualität des Textes seien immer Zweifel da, das ließe sich nicht wegzaubern. Eine Idee für den dritten Roman hat Bilkau bereits – er wird in der Provinz spielen. Thomas Manns Zweitling heißt übrigens „Königliche Hoheit“ und ist ebenfalls ein autobiografisches Stück. Es gilt als eines seiner schwächsten Werke.

Zum Artikel

Erstellt:
1. Februar 2019, 03:12 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen