Fritz Kühnle bezieht Stellung zu Vorwürfen gegen Schlachtbetrieb

Interview Der Backnanger Metzgermeister Fritz Kühnle sagt: „Das Video war für mich ein großer Schock“. Der Unternehmer heißt die hohen Anforderungen an den Tierschutz gut und beteuert, sie einzuhalten. Auch betont er die Notwendigkeit regionaler Schlachthöfe.

Um die Vorwürfe ausräumen zu können, benötigt Fritz Kühnle die kompletten Filmaufnahmen, doch die wurden ihm bisher verweigert. Die Szenen, die im TV zu sehen sind, wurden seiner Ansicht nach zusammengeschnitten und bilden die Realität verzerrt ab. Archivfoto: Alexander Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Um die Vorwürfe ausräumen zu können, benötigt Fritz Kühnle die kompletten Filmaufnahmen, doch die wurden ihm bisher verweigert. Die Szenen, die im TV zu sehen sind, wurden seiner Ansicht nach zusammengeschnitten und bilden die Realität verzerrt ab. Archivfoto: Alexander Becher

Was war Ihre erste Reaktion, als Sie mit den Videoaufnahmen konfrontiert worden sind?

Mir ist gleich aufgefallen, dass es sich um einen Zusammenschnitt von Aufnahmen über einen längeren Zeitraum handelt. Es wurden genau die Aufnahmen zusammengeschnitten, auf denen Bewegungen von Tieren nach der Betäubung zu sehen sind. In den allermeisten Fällen kommen derartige Bewegungen nach der Betäubung bei uns dagegen nicht vor. Trotzdem sind Bewegungen nach einer Betäubung nicht unüblich und lassen keinen Rückschluss auf eine nicht ordnungsgemäße Betäubung zu. Das wird Ihnen jeder Experte bestätigen. Es ist mir persönlich ein Bedürfnis, dass der gesamte Sachverhalt vollumfänglich aufgeklärt werden kann. Deshalb habe ich sofort nach Ansicht der Aufnahmen entschieden, die Schlachtung auszusetzen.

Wie würden Sie den Tierschutz in Ihrem Betrieb selbst beurteilen?

Tierschutzverstöße werden bei uns nicht geduldet. Es gibt bei uns eine engmaschige und zusammen mit dem Veterinäramt erarbeitete Standardanweisung zum Tierschutz. Alle im Schlachtbetrieb und bei den dazugehörigen Abläufen eingesetzten Mitarbeiter verfügen über die erforderlichen Sachkundenachweise. Wir haben zudem regelmäßig in Modernisierungen investiert, um den stetig wachsenden Anforderungen gerecht zu werden. Unser Grundsatz war und ist es, dem Tier mit Respekt zu begegnen und im Sinne der Nachhaltigkeit auch alle Bestandteile zu verarbeiten. Es ist mir ein Anliegen, den Tieren lange Transportwege zu ersparen und gleichzeitig den Landwirten aus der Region ein verlässlicher Partner zu sein. Dass die Landwirte genau das schätzen, haben sie Ihrer Zeitung ja auch bestätigt, wie ich las.

Die Anforderungen an die Schlachthöfe hierzulande

Sind einige Anforderungen an die Schlachthöfe in Deutschland zu hoch?

Ich finde die hohen Anforderungen an den Tierschutz in Deutschland richtig. Diese Anforderungen dürfen aber nicht dazu führen, dass die Durchführung der Schlachtung in Deutschland mit viel höheren Kosten und Risiken verbunden ist als der Import der Fleischware aus dem Ausland. Dies würde dazu führen, dass die Betriebe in Deutschland aufgeben. Dann kommt unser Fleisch irgendwann nur noch aus Ländern ohne vergleichbaren Tierschutz.

Für einen Laien scheint das Rind in dem Video nicht korrekt betäubt worden zu sein. Täuscht der Eindruck?

Wir haben bislang noch immer nur den kurzen Beitrag aus „Report Mainz“ zur Analyse zur Verfügung. Nur anhand dieser Bilder kann die Frage der korrekten Betäubung schlicht nicht beantwortet werden. Dass Tiere sich nach der Betäubung mit einem Bolzenschussgerät zum Teil noch bewegen, vor allem an den Gliedmaßen, scheint für den außenstehenden Betrachter der Bildsequenzen den Eindruck zu erwecken, als seien die Tiere nicht korrekt betäubt worden. In dem Beitrag wird kein vollständiger Arbeitsablauf der Betäubung und weiteren Prozessierung der Tiere während der Schlachtung in Echtzeit gezeigt. Die dargestellten Bilder sind aus dem zeitlichen Zusammenhang und der normalen Reihenfolge geschnitten.

Die Betäubung

Wie zuverlässig läuft die Betäubung in Ihrem Schlachthof?

Die Betäubungsqualität der Schweine wurde uns vonseiten der zuständigen Behörde als sehr gut bestätigt. Die Betäubung von Rindern ist wesentlich komplexer und erfolgt manuell, ihre Effektivität hängt von mehr Faktoren ab und wird stets geprüft. Hierzu gab es keine Beanstandungen.

Würden eventuelle Schwächen in diesem Bereich mit dem geplanten Umbau der Betäubungsfalle beseitigt werden können?

Die neue Betäubungsfalle inklusive Zutrieb ist ein Baustein für noch stabilere Abläufe. Hier können auch neue Erkenntnisse über die Verhaltensweise der Tiere besser berücksichtigt werden. Rinder zum Beispiel laufen nicht gerne um die Ecke, sie bevorzugen einen gebogenen Treibgang. Schweine hingegen laufen gerne geradeaus.

Der Ausblutungsschnitt

Hat der Schlachter den Ausblutungsschnitt zu früh gesetzt?

Anhand der wenigen Bilder, die wir bisher zur Verfügung haben, lässt sich das nicht beantworten. Weitere Aufnahmen sind uns trotz Nachfragen nicht zur Verfügung gestellt worden. Ich möchte den Sachverhalt so gut wie irgend möglich aufklären und hoffe daher, die gesamte Videosequenz noch zu erhalten.

Wurde der Elektrotreiber falsch, zu häufig oder widerrechtlich eingesetzt?

Der Einsatz eines Elektrotreibers ist nach den gesetzlichen Vorgaben grundsätzlich erlaubt. Dennoch wird er von uns nur eingesetzt, wenn es gar nicht anders geht. Im Übrigen wird jeder Einsatz einer Treibhilfe, auch der stromlosen, und sogar jede Berührung eines Tieres gezählt und dokumentiert. Zudem ist es so, dass auf den Aufnahmen überwiegend der Einsatz eines Treibers ohne Strom gezeigt wurde. Diese Treibhilfe wurde von einer Fachfirma so umgerüstet, dass keine elektrischen Impulse mehr ausgelöst werden können. Von Soko Tierschutz wurde dagegen die Falschbehauptung aufgestellt, dass der stromlose Treiber als Elektroschocker eingesetzt worden sei, was wie gesagt gar nicht möglich ist.

Die Situation der kleinen Schlachtbetriebe

Die kleinen Schlachtbetriebe geben reihenweise auf. Wie beurteilen Sie das und welche Auswirkungen hat das auf den Verbraucher?

Aus dem gesamten Bundesgebiet haben mich besorgte Anrufe von Kollegenbetrieben erreicht. Der Druck auf unsere Betriebe ist riesig, nicht nur angesichts steigender Tierschutzanforderungen und der Stimmungsmache bestimmter Gruppierungen. Ich glaube aber fest daran, dass es weiterhin kleine regionale Schlachthöfe braucht, sowohl im Interesse des Tierwohls als auch der Produktqualität.

Wie beurteilen Sie generell heimliche Filmaufnahmen in Unternehmen?

Das war für mich und meine Mitarbeiter ein großer Schock. Ob Einbrüche in Betriebe zulässig sein können, müssen andere beurteilen. Ganz sicher unzulässig ist, dass zu den Aufnahmen auch Falschbehauptungen gestreut wurden. Verwunderlich finden wir zudem, dass uns die vollständigen Aufnahmen, die wir für die Aufklärung benötigen, nicht rausgegeben werden.

Tragen solche Videos dazu bei, das Tierwohl zu fördern oder Missstände zu beseitigen?

Ich glaube nicht, dass Zusammenschnitte, wie die aus unserem Betrieb, welche die Realität offensichtlich verzerrt wiedergeben, zum Tierschutz beitragen. Wenn Missstände jedoch aufgedeckt werden, dann werden wir alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um solche für die Zukunft mit Sicherheit auszuschließen.

Eine Kritik des Veterinäramtes lautet, Ihr Betrieb habe sich nicht immer kooperativ verhalten. Was ist an dem Vorwurf dran?

Wir standen und stehen mit der Behörde immer in Kontakt. Zu der aktuellen Thematik haben wir dem Veterinäramt gleich nach Bekanntwerden der heimlichen Aufnahmen unsere Gesprächsbereitschaft signalisiert. Zudem ist uns wichtig noch einmal klarzustellen, dass bei jeder Schlachtung zwei Mitarbeiter des Veterinäramts anwesend sind. Richtig ist aber, dass sich im Bereich des Rinderzutriebs die Umsetzung der behördlichen Vorgaben aufgrund der baulichen Gegebenheiten des Schlachthauses schwierig gestaltet haben. Aber auch hier wurden die baulichen Gegebenheiten bereits optimiert. Weitere Maßnahmen wurden zudem bereits beauftragt.

Wie es weitergeht

Gibt es bereits Überlegungen, den Schlachtbetrieb wieder zu öffnen?

Die Schlachtung haben wir aus eigener Entscheidung ausgesetzt. Wann und in welcher Form der Schlachtbetrieb fortgesetzt wird, steht noch nicht fest. Die Produktion von Fleisch- und Wurstwaren und der Verkaufsbetrieb in den 16 Filialen läuft ohne Einschränkung und mit bekannt hoher Qualität weiter.

Welche (baulichen) Maßnahmen müssten oder würden Sie davor erfüllen?

Welche Maßnahmen erforderlich sind, prüfen wir derzeit.

Was bedeutet der Vorfall für Ihren Betrieb?

Das lässt sich in seiner ganzen Tragweite heute noch gar nicht absehen. Auf jeden Fall wird es eine große Zäsur sein in der Firmenhistorie, für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und für mich ganz persönlich. Wir haben Morddrohungen erhalten, unsere Mitarbeiter wurden sogar in ihrer Freizeit bedroht und es haben uns Hassmails aus ganz Deutschland erreicht. Das kann man nicht so einfach vergessen. Aber wir haben auch sehr viel Zuspruch und Vertrauen von unseren Kunden erhalten, was mich sehr freut und dankbar macht. An dieser Stelle möchte ich mich bei meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken. Sie leisten großartige Arbeit und stehen mir loyal zur Seite.

Eine neue Konzeption für die Herausforderungen der Zukunft

Hat der Vorfall Auswirkungen auf Ihre Nachfolgeregelung?

Wenn es mir gelingt, mit einer neuen Konzeption die Herausforderungen der Zukunft zu meistern, dann bin ich auch optimistisch, dass ich einen Nachfolger für mein Unternehmen finde.

Was erhoffen Sie sich generell von der Politik?

Wir sind ein in der Region verwurzeltes Familienunternehmen mit dem eigenen Anspruch, nur Produkte und Waren von höchster Qualität anzubieten. Ich kenne die Landwirte aus der Region, die uns beliefern, alle persönlich. Die Transportwege für die aus guter Haltung kommenden Tiere sind kurz. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Politik Rahmenbedingungen schaffen muss, damit die kleinen und mittelgroßen Betriebe weiterhin bestehen können. Ich denke, wir haben alle kein Interesse daran, unser Fleisch nur noch aus Massenproduktionen oder aus dem Ausland zu erhalten.

Das Gespräch führte Matthias Nothstein.

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Erstellt:
13. September 2022, 06:00 Uhr

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