Joschka Fischer bei Caren Miosga
„Das war’s mit dem Westen“
Der grüne Ex-Außenminister wettert über Trumps Verrat an der Ukraine und beschwört die europäische Einigung. Mit unserem „großartigen Deutschland“ sei die zu schaffen.

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Joschka Fischer bei Caren Miosga.
Von Christoph Link
Am Ende der Talkrunde von Caren Miosga am Sonntagabend in der ARD ist Joschka Fischer dann patriotisch geworden. Eine Stunde lang malte der Grüne und Ex-Außenminister ein düsteres Bild von der Weltlage, um dann – gefragt, was ihm Zuversicht gebe – doch etwas Optimismus zu verbreiten: Er habe den Glauben, dass dieses „großartige Deutschland“ und der alte Kontinent Europa ihre Demokratien, ihre offene Gesellschaften und „unseren Alltag“ nicht preis geben werden. Man werde sich nicht „kruden und imperialen Ideen“ unterwerfen. Deutschland sei kein armes Land, es habe ein wissenschaftliches und finanzielles Potenzial und wenn es das zusammenfüge mit anderen, dann könne Europa auch zu einer globalen Macht werden. Und die ist bitter notwendig. Das jedenfalls glaubt Fischer nach Donald Trumps „Verrat“ an der Ukraine, die offen sichtbar geworden sei in der demütigenden Szene mit Präsident Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus. Seitdem müsse Europa zur Kenntnis nehmen, dass es allein sei und den USA nicht mehr vertrauen könne. „Das war’s mit dem Westen“, sagte Fischer. „Wir können uns nur noch auf unsere eigene Stärke verlassen“, man solle aber auch nichts unternehmen, was den Bruch mit den USA jetzt noch vertiefen könnte.
Was wird Trump noch zerstören?
Dass Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) den von Trump entfesselten Handelskrieg mit hohen Zöllen mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine verglichen hat, dem stimmte sein Parteifreund Fischer im Prinzip zu. Ja, denn dies werde eine Destabilisierung der Weltwirtschaft bringen, die alle treffen werde. „Am meisten aber nimmt mich mit, dass diese großartige Land USA durch ihren eigenen Präsidenten an den Abgrund geführt wird“, so Fischer. Er frage sich nur, was Trump in seinem Land noch alles zerstören werde. Die Demokratie werde ohne die USA jedenfalls schwächer, das müsse man nüchtern so feststellen. Auf die Beschimpfungen Europas durch die Trump-Regierung riet der Ex-Minister mit Gelassenheit zu reagieren, wichtiger seien doch die Konsequenzen, die man aus so einem Verhalten zu ziehen habe. Wenn Friedrich Merz nach Washington fliege, dann werde er ihn nicht für diese Reise beneiden. „Da wünsche ich ihm alles erdenkliche Gute, jeden Erfolg im Interesse unseres Landes und Europas.“ Gefragt von Miosga, wie man mit so schwierigen Charakter wie Trump umgehe, antwortete Fischer, er würde es niemandem vorwerfen, der da eine „gewisse Geschmeidigkeit“ ausüben würde, aber Unterwürfigkeit sei fehl am Platz.
Friedensmission mit deutschen Soldaten
Abwartend, sachlich, ruhig und längst nicht so emotional wie in jüngeren Jahren positionierte sich der 77 Jahre alte Ex-Politiker in der Talkrunde. Auf Friedrich Merz sieht er die Aufgabe zukommen, jetzt Europa zu stärken. Deutschland, Frankreich und Großbritannien müssten „der neuen Bedrohung“ in dieser sehr chaotisch gewordenen Welt gerecht werden. Und die sieht Fischer ganz klar in Moskau. Auf die Frage, ob er Taurus-Raketen an die Ukraine liefern würde, sagte er, jetzt müsse alles dafür getan werden, dass die Ukraine ihre Souveränität bewahren könne. „Sonst werden wir ein größeres Problem bekommen, Putin und weite Teile der russischen Elite wollen die Macht der alten Sowjetunion wieder herstellen wollen. Dazu brauchen sie Territorium, das verloren gegangen ist.“ Die Frage nach einer Beteiligung deutscher Soldaten an einer Friedensmission würde er im Prinzip bejahen, wenn Frankreich und Großbritannien da mitmachten, könne man nicht abseits stehen. Aber der Teufel stecke im Detail. Bis jetzt sei ja noch unklar, wie diese Friedensmission aussehen solle, denn Putin habe sich ja „noch keinen Millimeter“ bewegt, er sei von seinen Maximalforderungen noch nicht abgerückt.
Eine Antwort fällt vage aus
Auch eine europäische Armee hält der Ex-Minister „perspektivisch“ für eine Option, aber er würde zunächst einmal mit ersten Schritten beginnen, mit gemeinsamen Stäben und Rüstungsvorhaben sowie einer besseren Koordination. Gefragt, ob er rückblickend zu seiner früheren Kriegsdienstverweigerung stehe, antwortete das grüne Urgestein – Parteimitglied seit 1982 - ausweichend. Bei so einer „Zeitreise“ sei es für einen 77-Jährigen schwierig, eine ehrliche Antwort zu geben, meinte Fischer. Als es aber später in der Studiorunde allgemein um die Verteidigung von Deutschland ging, da legte er nach und meinte, das müsse jeder selbst prüfen, ob er dabei sein würde, „mir wäre es das heute natürlich wert“.
Experten zweifeln an Wehrpflicht
Laut dem jüngsten ARD-Deutschland-Trend sind 72 Prozent der Befragten für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht. Aber die Studiogäste Jana Puglierin – eine Verteidigungsexpertin – und Hauke Friederichs – ein „Zeit“-Korrespondent – zeigten sich skeptisch, ob eine Wehrpflicht die Personalprobleme der Bundeswehr lösen würde. Mit seinen 182.000 aktiven Soldaten sei die Bundeswehr viel zu klein zur Landesverteidigung, meinte Friederichs, und an die 900.000 Reservisten komme man nach der Auflösung der Kreiswehrersatzämter gar nicht richtig ran, da fehlten die Adressen. Er habe früher selbst gedient, würde aber heute nicht mehr zur Bundeswehr gehen, so Friederichs. Die sei als Arbeitgeber zu bürokratisch und ineffizient. Ein Zitat des Vorsitzenden des Bundeswehrverbandes, die Bundeswehr sei „blanker als blank“ treffe zu. Im Verteidigungsfall hätte die Armee nach wenigen Tagen keine Munition mehr für die zentralen Waffensysteme. Experten gehen davon aus, dass Russland bis 2029 die Fähigkeit hat, ein Nato-Land anzugreifen – die Zeit drängt also. Friederichs hält den Aufbau einer Wehrpflichtarmee für zu zeitraubend, zunächst gehe es darum die bestehende Parlamentsarmee gut auszurüsten. Auch sie dürfe nicht schlecht ausgestattet in einen Auslandseinsatz geschickt werden. „Die Wehrpflicht ist keine Lösung für die grundlegenden Probleme der Bundeswehr“, meinte auch Jana Puglierin. Da fehle es an Ausbildungskapazitäten, Kasernen und Kreiswehrersatzämtern. Sie hält eine stufenweise Wiedereinführung über ein Modell der Freiwilligkeit, wie es Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vorschlägt, für besser. Da könne man mit jährlich Zugangszahlen von 10.000 bis 15.000 beginnen, aber bei der Ausrüstung und Besoldung müsse die Bundeswehr „attraktiver“ werden.