Degler kündigt an, weiterhin keine Maske zu tragen
Das Verhalten des Backnanger AfD-Stadtrats stößt im Gemeinderat auf Unverständnis. Die Verwaltung appelliert und droht vergebens.
Von Matthias Nothstein
BACKNANG. Weil der Backnanger AfD-Stadtrat Steffen Siggi Degler in provokanter Weise auch im Gemeinderat beim Betreten und Verlassen des Tagungsorts auf das Tragen eines Mundschutzes verzichtet, hat Willy Härtner (Grüne) in der jüngsten Sitzung des Gremiums dieses Verhalten zum Anlass genommen, an die Vorbildfunktion eines Stadtrats zu erinnern. Nicht nur bei Siegfried Janocha stieß Härtner dabei auf großes Verständnis. Der Erste Bürgermeister geißelte das Fehlverhalten Deglers ebenfalls in deutlichen Worten und erklärte, man habe bisher sehr großzügig darüber hinweggesehen. Da sich nun aber die Infektionszahlen auch in der Stadt in beängstigender Weise entwickeln würden, sei die Toleranz erschöpft.
Heinz Franke (SPD) appellierte an die Solidarität. Im Gremium gebe es eine große Gruppe, die sich viel von den Schutzmaßnahmen verspreche und sie für wichtig halte. „Akzeptieren Sie das, wir wollen geschützt werden.“ Franke sagte ferner, das Masketragen sei ein Zeichen des guten Miteinanders, und es gelte, diesen Wunsch zu respektieren. Janocha wurde noch deutlicher. Rücksichtnahme sei das eine und müsste als Motivation schon ausreichen. Wenn dies nicht der Fall ist, „dann gibt es spätestens dort Grenzen, wenn Sie andere beeinträchtigen“.
Karl Scheib vom Bürgerforum Backnang war der Einzige, der Degler die Stange hielt: „Ich habe als Arzt eine andere Sicht. Wichtig ist besonders, dass man Abstand hält.“ Mit Blick auf die Weiträumigkeit des Bürgerhauses behauptete Scheib: „Wenn jemand Abstand von drei Metern im Raum hält und trotzdem Maske trägt, dann ist das Show. Wenn wir Abstand halten, ist eine Maske nicht nötig.“ Janocha ließ dies nicht stehen: „Wir machen keine Show.“ Er erinnerte jedoch daran, dass es eine Abmachung zwischen den Gremiumsmitgliedern gebe, eine Art Gentlemen’s Agreement: „Wir tragen Maske, bis wir am Platz sind, dann nehmen wir sie ab.“
„Wir haben es so verabredet. In der Demokratie hält man sich an Regeln.“
CDU-Fraktionsvorsitzende Ute Ulfert forderte ebenfalls Respekt vor dieser Entscheidung ein und sagte, Degler habe ohnehin ein hohes Risiko, infiziert zu sein, da er erklärtermaßen überall ohne Maske unterwegs sei. Sie wandte sich zu Degler um und sagte: „Wir haben es so verabredet. Das ist auch Demokratie, dass man sich an Regeln hält.“
Der so Gescholtene zeigte in keiner Weise Einsicht und bezweifelte eine Maskenpflicht: „Dieses Land ist auf Freiheit und Eigenverantwortung aufgebaut. Ich werde keine Maske tragen.“ Er bot an, als Erster den Sitzungsraum zu betreten, immer am Tisch sitzen zu bleiben und als Letzter den Raum wieder zu verlassen. So gebe es keine Begegnungen. Und an die Adresse der Besorgten erklärte er, Alltagsmasken würden sie ohnehin nicht schützen. Wenn sie einen wirklichen Schutz haben wollten, dann müssten sie sich spezielle Masken anschaffen.
Das letzte Wort hatte nochmals Janocha. Er appellierte ein weiteres Mal: „Denken Sie nochmals über Ihr Verhalten nach.“ Zudem kündigte er an, man werde vonseiten der Verwaltung prüfen, wie das Gremium mit dem Stadtrat umgehen wird, wenn dieser weiterhin gegen die Verabredung verstößt.
Dafür wäre Hauptamtsleiter Timo Mäule zuständig. Der Amtsleiter ist selbst nicht glücklich, dass es von der Politik noch keine konkrete Handlungsempfehlung zu diesem speziellen Fall gibt. Auf Anfrage sagt er gestern: „Wir dürfen einem gewählten Mitglied eines Gremiums die Teilnahme an einer Sitzung nicht verwehren. Solche Sitzungen sind explizit aus der Verordnung ausgenommen.“ Die Verordnung also, laut der sich nicht mehr als zehn Personen aus mehr als zwei Haushalten treffen dürfen. Mäule wundert sich jedoch, dass sich Degler so vehement gegen die Maskenpflicht wehrt, vor allem beim derzeitigen Infektionsgeschehen. Schließlich handele es sich laut Mäule um keinen großen Einschnitt. Sobald die Stadträte am Platz sind, dürfen sie die Maske wieder abnehmen, da sie extrem weit auseinander sitzen. Es handelt sich also nur um dem Weg bis zum Platz.
Von Matthias Nothstein
Schon lange vor der Pandemie, als es noch keine Masken gab, lautete eine Handlungsempfehlung in der Auseinandersetzung mit der AfD, den jeweiligen Vertretern die Maske vom Gesicht zu reißen und deren undemokratisches Gebaren offen zu legen. Nun, im Backnanger Fall hat dies der örtliche AfD-Stadtrat Steffen Siggi Degler im wörtlichen Sinn selbst getan. Und was unter der Maske an unkollegialer Haltung zum Vorschein kommt, ist erschreckend: Egoismus, unsolidarisches Verhalten, Sturheit. Selbst als mehrere Fraktionsvorsitzende mit all ihrer großen Lebenserfahrung und zum Teil in gütigen Worten an den jungen AfD-Rat appellieren, prallen diese Bitten an ihm ab wie an einem trotzigen Kleinkind. Da es sich bei dem Wunsch nur um einen kleinen Gefallen handelt, ist es nur reiner Egoismus, diesen nicht zu erfüllen.
Interessant wird nun sein, wie das Gremium nach dieser Provokation mit dem AfD-Rat weiter verfährt. In einer Demokratie muss man die Regeln einhalten, auf die sich die Mehrheit verständigt hat. Jeder, der dies nicht tut, lebt damit auch vor, dass er von Demokratie nichts hält. Und da droht Gefahr. Im Kleinen als auch im Großen. Wehret den Anfängen.