Delta: SPD fordert Filter in allen Klassenzimmern
dpa/lsw Stuttgart. Die Sorge vor einer vierten Corona-Welle im Herbst steigt. Womöglich droht ein weiterer Schul-Lockdown, weil Kinder nicht geimpft werden können. Bisher haben sich Kretschmann und seine neue Kultusministerin gegen teure und angeblich zu laute Luftfilteranlagen gesträubt.
Angesichts der Gefahr durch die Delta-Variante des Coronavirus steigt der Druck auf Grün-Schwarz die Schulen im Südwesten bis zum Herbst mit Luftfiltern auszurüsten. „Es muss jetzt jede Maßnahme ergriffen werden, um das Infektionsrisiko für unsere Kinder im Herbst zu senken“, sagte SPD-Fraktionschef Andreas Stoch am Freitag in Stuttgart. Viele Schülerinnen und Schüler würden dann noch nicht geimpft sein. „Deshalb braucht es Luftfilter in allen Klassenzimmern des Landes“, forderte der Ex-Kultusminister Stoch. Es dürfe nicht an der falschen Stelle gespart werden. Die Regierung dürfe sich „nicht erneut sehenden Auges in Schulschließungen hineinmanövrieren“. Auch die FDP und Lehrerverbände fordern seit langem die Anschaffung von mobilen Raumluftfiltern.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann und auch Kultusministerin Theresa Schopper (beide Grüne) hatten sich zuletzt beide skeptisch über die Wirkung der mobilen Filteranlagen geäußert, die etwa 3000 bis 4000 Euro kosten sollen. „Das ist nicht das Ei des Kolumbus“, hatte Kretschmann gesagt. Mobile Geräte seien zu laut und große Umbaumaßnahmen auch nicht die Lösung. Schopper erklärte erst am Donnerstag im Landtag: „Diese Luftfilter, ehrlicherweise sind die, wie wenn Du eine kleine Cessna in deinem Raum mithättest.“
Der FDP-Bildungsexperte Timm Kern forderte dagegen: „Die Landesregierung muss ihren Widerstand gegen die Luftfilter in den Klassenzimmern endlich aufgeben.“ Er hat die Regierung per Antrag gefragt, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse sie über die Luftfilter hat. „Denn solange die Kultusministerin die Lautstärke eines Luftfilters mit einem startenden Kleinflugzeug vergleicht, werden wir wohl keine sachliche Diskussion zum Thema führen können.“
Das Umweltbundesamt hatte erklärt, dass mobile Luftfilter nur eine Ergänzung zum aktiven Lüften sein könnten. Doch nun ist der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) mal wieder vorgeprescht und hat das Ziel ausgerufen, dass es bis zum Herbst in allen bayerischen Klassenzimmern einen Luftreiniger geben soll. Der Freistaat will den Kommunen dafür 50 Prozent der Anschaffungskosten erstatten. Auch die Grünen-Bundestagsfraktion fordert schon länger die Ausrüstung der Klassenzimmer mit Luftfiltern, um die Schulen offen halten zu können.
In Baden-Württemberg kommen Landesregierung und Kommunen an diesem Montagabend zur Gemeinsamen Finanzkommission zusammen. Dabei soll es dem Vernehmen nach neben Corona-Hilfen für gebeutelte Städte und Gemeinden auch um die Luftfilter gehen. Im Südwesten gibt es mehr als 67 000 Klassenzimmer. Die SPD schätzt die Kosten für die Ausrüstung auf etwa 120 Millionen Euro. Das Kultusministerium verwies noch mal darauf, dass das Land den Schulen über die Schulträger schon ein Budget von 40 Millionen Euro zur Verfügung gestellt habe, das auch für die Beschaffung mobiler Luftreiniger eingesetzt werden könne. Allerdings konnten mit dem Geld auch digitale Geräte beschafft werden.
Langfristig sprechen sich die Fachleute des Umweltbundesamtes dafür aus, Schulen mit Wärmetauschanlagen auszustatten. Bei solchen Lüftungsanlagen wird Frischluft von außen angesaugt und gleichzeitig durch die nach außen strömende Abluft erwärmt. Das sei die nachhaltigste Lösung für den Abtransport von Viren, verbrauchter Luft und Feuchte. In Neubauten ist das mit einer zentralen Lüftungsanlage am einfachsten umzusetzen, in bestehenden Schulgebäuden wären aufwendige Umbauten nötig. Schopper hatte mehrfach auch mit Blick auf ein entsprechendes Bundesförderprogramm erklärt, dass solche Umbaumaßnahmen nicht so schnell umzusetzen seien.
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