Den Stars etwas vorgemacht
25. BKZ-Mini-Cup: Talente zeigen mehr Einsatz als die Nationalelf und mehr Fairness als Neymar
Satte Stars mit gleichgültiger Körpersprache? Ballbesitz als Selbstzweck und kaum Torgefahr? Eine Grüppchenbildung, die der Harmonie im Team schadet? All das, was den deutschen Fußballern seit ihrem blamablen WM-Aus unter die Nase gerieben wird, gab’s beim 25. BKZ-Mini-Cup in Allmersbach im Tal nicht, auch keine Schwalben à la Neymar. Damit das so bleibt, sollten die Stars ihrer Vorbildfunktion schnell wieder gerecht werden.
Von Steffen Grün
Der BKZ-Mini-Cup fällt seit seiner Premiere im Backnanger Etzwiesenstadion 1994 alle zwei Jahre in der Regel in den Zeitraum von Welt- oder Europameisterschaften. Immer waren die deutschen Nationalspieler und ein paar Superstars anderer Nationen bei diesem Fußballfest insofern vertreten, dass Kinder ihre Trikots trugen. Dieses Mal nicht, zumindest stach beim Rundgang über die Sportanlage des SV Allmersbach keines ins Auge. Was die Truppe von Joachim Löw angeht, ist das für Ralf Kern auch kein Wunder. „Für die Jungs war das schnell erledigt, sie haben nicht lange darüber geredet“, erzählt der Coach zweier E-Jugend-Teams des Gastgebers von den Reaktionen auf das deutsche Aus: „Es ging so schnell vorbei, dass sie es gar nicht richtig realisiert haben.“
Realisiert schon, wie ein Gespräch mit sechs F-Jugend-Kickern der TSG Backnang zeigt. Aber: Die 2010 geborenen Buben, die zum ersten Mal eine Weltmeisterschaft bewusst erleben, da die Erinnerungen an den Triumph 2014 nur rudimentär vorhanden sind, nahmen es sich nicht besonders zu Herzen. Vielleicht, weil sie die Schwächen der Elf bemerkenswert kühl analysieren. Toni Kroos und dessen Kollegen hätten „nicht richtig abgespielt“, moniert der achtjährige Dimitrios, „die Abwehr hat gepennt“. Ihm und seinen Kumpels Leon, Vedad, Kiri, Christos und Jan reicht ein Wort, um die Deutschen zu bewerten: „Schlecht“ seien sie gewesen, einfach nur schlecht. Wie es wieder besser werden kann, ahnt Jan – den Stars sollten die Ohren klingeln: „Sie sollten nicht vorher schon an den Sieg denken, denn dann glauben sie, es wäre einfach.“ Anders ausgedrückt: Hochmut kommt vor dem Fall.
Einen anderen Aspekt greift Ralf Kern auf. „Es gab keinen Teamspirit, das geht gar nicht“, schimpft der SVA-Trainer und kritisiert Jogi Löw: „Das muss der Bundestrainer spüren und gegensteuern.“ Er selbst ist in diesem Punkt nicht gefordert, denn „der Zusammenhalt ist eher unsere Stärke“. Den Nationalspielern rät er, „sich wieder mehr auf Fußball zu konzentrieren und heiß auf solche Turniere zu sein“. Die Angst, diese so enttäuschende WM könnte schwerwiegende Folgen an der Basis haben, hat Kern nicht, aber es sei natürlich keine Werbung für den Fußball gewesen.
Kinder wollen statt Thomas Müller eben Antoine Griezmann sein
„Wären wir zum Beispiel in das Halbfinale gekommen, hätte es vielleicht wieder einen richtigen Schub gegeben“, meint Jochen Math, doch der Coach des F-Jugend- Jahrgangs 2010 der SGM Auenwald befürchtet auch keineswegs das krasse Gegenteil: „Ich glaube nicht, dass der Zulauf deshalb jetzt völlig einbrechen wird.“ So habe sein siebenjähriger Sohn Levin dieses deutsche Debakel „gut weggesteckt, er guckt die anderen Spiele trotzdem noch“.
Auch Peter Liepold, der beim FV Sulzbach/Murr zusammen mit Gerhard Kikta für die F-Jugend des Jahrgangs 2009 verantwortlich ist, ist vor der Zukunft „nicht bange“. Etwas geknickt seien seine Jungs zwar schon, und „es tauchen wenige mit Deutschland-Trikots beim Training auf“, doch ihre Idole hätten die Kinder trotz allem. So, wie sie sonst zum Beispiel Thomas Müller sein wollten, „wollen sie nun plötzlich lieber Antoine Griezmann sein“.
Vielleicht eine Momentaufnahme, wenn die deutsche Nationalmannschaft schnell die Kurve kriegt und wieder überzeugt. In Russland hat sie enttäuscht, dementsprechend bekommen die Stars von denen, die ihnen eigentlich gern nacheifern würden, ihr Fett weg. „Zu viele Fehlpässe“ hat Samir registriert, „die Abwehr war schwach“, fügt der Zehnjährige von den E-Junioren des SV Steinbach hinzu: „Außer Reus und Werner hat keiner Druck gemacht.“ Hätte ihn Löw angerufen, hätte Samir dem Bundestrainer einen klaren Rat gegeben: „Er hätte früher die jungen Spieler bringen sollen – zum Beispiel Julian Brandt.“ Sein Teamkollege Oskar sah große Defizite auf der linken Abwehrseite, „der rechte Stürmer des Gegners stand immer frei“. Einen grundsätzlichen Kritikpunkt äußert Miralem, ein Kumpel der Steinbacher, der aber für Allmersbach kickt. „Der Ehrgeiz hat gefehlt“, bemängelt der Zehnjährige.
Das kann man von den rund 500 Talenten, die beim BKZ-Mini-Cup aktiv waren, nicht behaupten. Im Gegenteil: Sie kämpften um jeden Ball, blieben dabei aber fast immer fair. „Der Umgang der Spieler und der Trainer mit den Unparteiischen ist von Respekt geprägt“, sagte Referee Dominik Wagner. Eher die Zuschauer hätten ab und an über die Stränge geschlagen. Einmal habe es ein Junge mit einer Schwalbe à la Neymar probiert, „aber als ich nicht gepfiffen habe, stand er gleich wieder auf. Er wusste genau, dass es nichts war“. Ein Einzelfall, „sonst war alles super“.
Für Ralf Kern ist Neymars Gehabe dennoch ein Ärgernis. Der Brasilianer sei „absolut kein Vorbild“, klagt der SVA-Trainer und setzt alles daran, dass seine Zöglinge nichts nachahmen. In dieser Hinsicht war den Deutschen nichts vorzuwerfen, sie haben an spielerischen, taktischen und gruppendynamischen Dingen zu arbeiten. Falls es Löw gelingt, einen Umbruch zu vollziehen und ein neues Team zu basteln, könnten Trikots mit den Namen der deutschen Stars 2020 wieder das Bild beim BKZ-Mini-Cup bestimmen. Dieses Turnier fällt in den Zeitraum der europaweiten EM.