Den Tätern auf der Spur

Erstmals sprechen die Breisgauer Eltern eines Opfers des über der Ukraine abgeschossenen Passagierjets mit der Flugnummer MH-17

Auggen Erst war es für viele nur eine der meistgeklickten Karten im Internet. Wenig später ein Video, aufgenommen mit einem Mobiltelefon: Rauch, schwellende Feuer, Koffer, in karger Landschaft die verstreuten Trümmerteile eines Flugzeuges. Das Ende jenes Linienfluges der Malaysia Airlines, der unter der Kennung MH-17 298 Menschen von Amsterdam ins malaiische Kuala Lumpur bringen sollte. Abgeschossen von einer russischen Luftabwehrrakete am 17. Juli 2014 über der Ostukraine, wo sich russische Separatisten und Ukrainer seit Februar 2014 bekriegen. Keiner an Bord überlebte.

Unter den Toten: Edith Ploeg, damals 53 Jahre alt, geboren im Breisgau im 3000-Seelen-Dorf Auggen nahe der französischen Grenze. Gemeinsam mit ihrem niederländischen Mann Alex (58) und Sohn Robert (21) wollte sie damals in den Urlaub nach Malaysia. Der ZDF-Reporter Joachim Bartz hat jetzt erstmals mit den Eltern der Verstorbenen gesprochenen. „Ich hab’ auf N-TV unten auf den Nachrichtenstreifen geschaut, da hat es geheißen, Maschine abgeschossen, und da habe ich erst mal gedacht, das ist eine Frachtmaschine. Ein paar Minuten später klingelt das Telefon, da war unsere Jüngste dran und sagt: Opa, das Flugzeug, das abgeschossen worden ist, da sitzen Mama und Papa drinne. Da sag’ ich: Nein, das ist ein Frachtflugzeug. Da sagt sie: Nein, die Flugnummer ist MH-17. Und dann stand da MH-17 im Bild“, schildert Vater Rolf Brogghammer „Frontal 21“-Mann Bartz, wie er vom Tod seiner Tochter, seines Schwiegersohns und seines Enkels erfuhr.

Am 16. Juli hatten Rolf Brogghammer und seine Frau Wilhelmina noch mit ihrer in den Niederlanden lebenden Tochter Edith telefoniert. „Ich habe Geburtstag gehabt, mein 75. Da sagte sie, Mama wir können leider nicht dabei sein, da der Urlaub schon angefangen hat. Aber wir holen es nach. Das waren ihre letzten Worte“, erzählt die Mutter. Die Leiche ihres Schwiegersohns Alex ist verschollen. Edith wurde gefunden, sie habe so ausgesehen, als würde sie schlafen. Enkel Robert wurde bei der Explosion des Passagierflugzeugs zerfetzt.

Verantwortlich für den Tod der Ploegs und ihrer Mitflieger: Oleg Iwannikow, Deckname „Oreon“, Mitarbeiter des russischen Militärgeheimdienstes GRU. Geboren im heutigen Chemnitz. Vater General der dort stationierten Sowjetarmee. Ein mitgeschnittenes Telefonat belegt, dass der Agent am Abschuss mitwirkte: „Prima, sie (die Ukraine – die Redaktion) wollen sich für die Flieger rächen, aber wir haben noch ein paar Tage. Wir haben schon (das Flugabwehrsystem – die Red.) die BUK. Wir schießen sie ab.“ Offenbar ein Auftrag, den die aus Kursk in den Donbass beorderte 53. Luftabwehrbrigade der russischen Armee übernahm. Den Marschbefehl, so zeigt Bartz, gab Iwannikow.

Dass im Kriegsgebiet BUK-Raketen einsatzbereit waren, wussten westliche Geheimdienste und Fluggesellschaften offenbar nicht. So herrschte über dem Donbass am 17. Juli 2014 reger Flugverkehr. Auch die Lufthansa überflog die Gegend. Der Flieger von München nach Delhi passierte das Krisengebiet nur 35 Minuten vor MH-17.

ZDF-Reporter Bartz, selbst fließend russisch sprechend, machte sich in Russland auf die Suche nach Agent „Oreon“. Fand Kommilitonen von der Militärakademie in Kiew, Fotos, Vorgesetzte – und traf auf eine Mauer des Schweigens. „Wenn eine Tür sich einen Spalt weit öffnet, dann gehen gleichzeitig zwei, drei andere zu“, sagt Bartz, der zu dem „Frontal 21“-Team gehörte, das gemeinsam mit unserer Zeitung zu dem Netzwerk recherchierte, mit dem der türkische Präsident Recep Tayyib Erdogan und seine Paladine Deutschland unterwandern wollen.

Bartz ist überzeugt: Die russische Staatsführung hält ihre schützende Hand über die Täter, die für den Abschuss von MH-17 und den Tod von 298 Menschen, den Tod von Edith Ploeg verantwortlich sind. Davon ist auch Rolf Brogghammer überzeugt: „Iwannikow hatte Helfer, die die Hand drüber halten. Und erst wenn’s eng ist, dann wird die Hand verschwinden. Vorher nicht. Und das ist Putins Hand. Das ist hundertprozentig.“ Bartz hakt nach. Was die Brogghammers dem Agenten mit dem Decknamen „Oreon“ sagen würden? „Ein Schimpfwort“, sagt Edith Ploegs Mutter. Ihr Vater: „Ich glaub’, dem könnte ich nichts sagen. Ich glaube, ich könnte mit dem Mann nicht sprechen. Da wäre kein Hass, aber unheimliche Wut.“

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Erstellt:
23. April 2019, 10:19 Uhr

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