Trumps Abschiebeplan bedroht US-Milchbauern

Den USA droht der Kollaps im Kuhstall

Das ländliche Amerika hat Donald Trump zur Präsidentschaft verholfen. Doch ausgerechnet hier zeigt seine Politik verheerende Folgen: Handelskriege und geplante Massenabschiebungen irregulärer Migranten bedrohen die Milchfarmer in ihrer Existenz.

Wer im ländlichen Amerika US-Präsident Trump kritisiert, hat es nicht leicht. Milchbauer Hans Breitenmoser tut es trotzdem.

© Karl Doemens

Wer im ländlichen Amerika US-Präsident Trump kritisiert, hat es nicht leicht. Milchbauer Hans Breitenmoser tut es trotzdem.

Von Karl Doemens

Am Morgen ist das Thermometer in Merrill endlich über Null geklettert. Ein paar Schneefelder säumen noch den Hügel im Norden des Bundesstaats Wisconsin, auf dessen Rücken ein weißes Farmhaus neben einem gewaltigen blauen Silo in der Frühlingssonne strahlt. Hier lebt Hans Breitenmoser seit seiner Geburt. „Meine Eltern waren abenteuerlustig und kamen über den Atlantik“, sagt der 55-Jährige: „Ich bin in meinem Leben nur einmal von der anderen Straßenseite hierüber gezogen.“

Äußerlich mag sich für den Sohn von Schweizer Auswanderern in den vergangenen Jahrzehnten nicht viel geändert haben. Die Winter hier oben in der Region der Großen Seen sind immer noch lang und eisig. Die kaum hundert Meter entfernte kleine Kirche an der Joe Snow Road, auf deren Friedhof Breitenmosers Vater beerdigt ist, steht noch. Doch im Dach des hölzernen Gotteshauses klafft ein großes Loch. Und die historischen Fotos im Büro des Bauern machen die Veränderungen seines Berufes überdeutlich: „Als meine Eltern hier 1968 mit 25 Kühen angefangen haben, gab es in der Nachbarschaft 13 Milchfarmen“, erzählt Breitenmoser. „Heute sind es noch drei, und auf meinem Hof stehen 460 Kühe.“

Trumps Abschiebe-Drohung und Zölle treffen die Bauern ins Mark

Der Mann mit den kräftigen Händen und einem kurz geschorenen Bart hat den Wandel gut bewältigt. Selbst nach einem verheerenden Feuer vor zehn Jahren, das seinen Kuhstall vernichtete, dachte er nicht ans Aufgeben. Doch nun hadert der Vater von fünf Kindern mit seinem Job. Seine älteste Tochter möchte den Betrieb nicht übernehmen, ihre Geschwister sind noch zu jung für eine Entscheidung. Die Verkaufspreise für Rinder sind gerade hoch. „Es gibt Tage, an denen ich mich frage: Warum mache ich das? Vielleicht sollte ich aussteigen“, gesteht er.

Der Grund für den Frust des Farmers residiert 1500 Kilometer südöstlich im Weißen Haus. „Beim letzten Mal vor vier Jahren haben wir den Verrückten überlebt“, bricht es aus Breitenmoser heraus: „Aber dieses Mal fühlt es sich an, als wenn die Räder vom Wagen abfallen.“ Tatsächlich trifft die sprunghafte Politik des US-Präsidenten die amerikanische Landwirtschaft gleich mehrfach bis ins Mark: Erst stoppte Trump die Subventionen für Landschaftspflege und Umweltschutz. Dann ließ er die Entwicklungsorganisation USAID zerschlagen, die viele Farm-Produkte aus den USA aufkaufte und in alle Welt schickte. Nebenbei hat der Präsident einen beispiellosen Handelskrieg entfacht, der Ausfuhren erschwert und Einfuhren verteuert. Und über all dem schwebt das Damoklesschwert der Massenabschiebung von irregulären Migranten, ohne die viele Farmen nicht überleben können.

US-Amerikaner wollten den anstrengenden Job auf der Farm nicht machen

Auch Breitenmoser beschäftigt zwölf Mexikaner. „Ich muss meine Worte sehr vorsichtig wählen“, sagt er und beginnt mit einem kleinen historischen Exkurs. Die Milchindustrie hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in den USA dramatisch gewandelt. Überproduktion und Konkurrenzdruck haben viele Betriebe vom Markt gefegt. Wer überleben will, muss wachsen – so wie es Breitenmoser getan hat. Doch Hunderte Kühe, die dreimal am Tag gemolken werden, können unmöglich von einer Familie alleine versorgt werden. Verzweifelt habe Breitenmoser zunächst nach US-amerikanischem Personal gesucht. Niemand habe den mäßig bezahlten, körperlich anstrengenden Job machen wollen.

Dann stand ein Lateinamerikaner vor der Tür, der eine Beschäftigung suchte, erzählt Breitenmoser. Freunde und Bekannte folgten ihm. Von jedem habe sich der Farmer die Aufenthaltsgenehmigung und den Sozialversicherungsausweis zeigen lassen. „Ich bin nicht die Polizei“, sagt er, „ich muss diese Dokumente anerkennen. Nach meinem besten Wissen sind die Leute alle legal hier.“ Seit vielen Jahren schuften bei ihm und seinen Nachbarn im Stall, auf dem Acker und an der Melkanlage ausländische Arbeitskräfte für einen Stundenlohn zwischen 13 und 30 Dollar.

So ist das überall in den USA. Auf Baustellen, in der Pflege und auf Farmen sieht man nur wenige US-Amerikaner. Landesweit stammt jede fünfte Arbeitskraft aus dem Ausland. Doch Millionen von migrantischen Arbeitern sind illegal ins Land gekommen oder besitzen aus einem anderen Grund keinen gültigen Aufenthaltstitel. Jahrzehntelang haben die Politiker in Washington darüber großzügig hinweggesehen, da sie die Mehrheiten für eine echte Einwanderungsreform nicht zustande bekamen. So werden die meist aus Lateinamerika stammenden Migranten gerne als billige und verlässliche Arbeitskräfte genutzt. Sie zahlen Steuern und Sozialabgaben, dürfen aber in vielen Bundesstaaten keinen Führerschein erwerben und sind überall rechtlich schutzlos.

Mitten in diese Grauzone hinein ist Trump mit seiner Kampagne gegen Migranten gestoßen, die er als „Kriminelle“ und „Vergewaltiger“ diffamiert und rassistisch bezichtigt, „das amerikanische Blut“ zu vergiften. „Am ersten Tag werde ich das größte Deportationsprogramm in der amerikanischen Geschichte starten“, brüstete er sich im Wahlkampf. In mehreren Großstädten hat es spektakuläre Razzien gegeben. Mangels Personals sind die tatsächlichen Abschiebezahlen bislang zwar noch nicht gestiegen. Aber das dürfte sich angesichts des gewaltigen Drucks durch den Präsidenten bald ändern. Seit Trumps Amtsantritt müssen zwölf Millionen Menschen ohne Papiere in ständiger Angst leben.

Unruhe macht sich aber auch unter den US-Farmern breit. Laut Schätzungen der Universität von Michigan besitzen 40 Prozent der Beschäftigten in der Landwirtschaft keine offizielle Arbeitserlaubnis. Ihre „Dokumente“ sind oft gefälscht. Viele unterstützen mit ihrem Verdienst aus den USA die Familien in Lateinamerika, bevor sie nach einigen Jahren wieder in ihre Heimat zurückgehen.

Trumps Abschiebedrohung trifft nun vor allem die Milchfarmer, die kaum Möglichkeiten haben, Arbeitskräfte legal im Ausland anzuwerben. Ein Saisonarbeiter-Visum, das viele Getreide- oder Obstbauern nutzen, ist auf wenige Monate befristet. „Dieses Visum passt nicht zu unserem ganzjährigen Bedarf“, erklärt die National Milk Producers Federation und warnt: „Milchfarmer können auf ihr derzeitiges Personal nicht ohne massive Einbrüche der ländlichen Wirtschaft verzichten.“

Die Treue der Farmer könnte die Midterm-Wahlen beeinflussen

Bislang findet man nur wenige Bauern, die so öffentlich aufbegehren. Das ländliche Amerika ist konservativ. In Lincoln County rund um Merrill haben fast zwei Drittel der Menschen für Trump gestimmt. „Wer vorprescht, trägt eine Zielscheibe auf seinem Rücken“, sagt Breitenmoser. Er ist Anhänger der Demokraten. Deshalb habe auch er gezögert: „Aber man hat eine moralische Verpflichtung, dagegen aufzustehen, wenn seine Nachbarn bezichtigt werden, Mörder und Vergewaltiger zu sein – und tatsächlich sind sie das absolute Gegenteil.“

Ob die Treue der Farmer hält, könnte für die Midterm-Wahlen in anderthalb Jahren entscheidend sein. „Wenn sich Zölle und Vergeltungszölle weiter hochschaukeln, haben wir ein echtes Problem“, sagt Breitenmoser: „Die Kanadier haben genügend Kühe. Die brauchen unsere Milchprodukte nicht.“ Ob er sich Sorgen macht, dass Trump mit den Massendeportationen Ernst macht? „Natürlich“, sagt er. „Ich bin besorgter denn je.“

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Erstellt:
17. März 2025, 14:38 Uhr

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