Unterschriftensammeln vor der Neuwahl

Der bürokratische Spießrutenlauf der Kleinparteien

Kleinparteien kämpfen vor den vorgezogenen Neuwahlen nicht nur um Stimmen, sondern auch gegen bürokratische Hürden. Das reicht so weit, dass sogar das Porto für die Beglaubigung ihrer Unterschriften zum Problem wird.

Den Kleinparteien läuft so langsam die Zeit bis zu den Neuwahlen davon. (Symbolbild)

© IMAGO/Lobeca

Den Kleinparteien läuft so langsam die Zeit bis zu den Neuwahlen davon. (Symbolbild)

Von Janina Link

Christel Beck ist verärgert. Die 76-jährige lokale Parteifunktionärin der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD), einer kommunistischen Kleinpartei, sammelt derzeit gemeinsam mit anderen Mitstreitern Unterstützungsunterschriften für ihre Partei und für ihre Direktkandidatur im Wahlkreis Göppingen. Um zugelassen zu werden, benötigt die MLPD, genau wie andere Kleinparteien, insgesamt 2000 Unterschriften. Diese dienen als formaler Nachweis, dass die Partei über eine Mindestanzahl an Unterstützenden verfügt, um zur Wahl antreten zu dürfen. Dadurch, dass diese nun vorgezogen wurde, wird der ohnehin enge Zeitplan für kleine Parteien noch schwieriger einzuhalten sein.

Dazu kommt: Wenn Funktionäre von Kleinparteien beispielsweise an einem Infostand in der Stadt Unterschriften sammeln, unterschreiben oft nicht nur Menschen aus dem Wahlkreis, sondern auch welche, die aus anderen Städten oder Landkreisen kommen – sei es, weil sie zu Besuch sind oder nur vorübergehend in der Stadt verweilen und eigentlich wo anders gemeldet sind. Kürzlich erlebte Beck von der MLPD, die bei der vergangenen Bundestagswahl lediglich 17 799 Stimmen erzielen konnte, genau dieses Problem.

Eine Stunde Fahrt für die Beglaubigung einer einzelnen Unterschrift

„Ich musste eine Unterschrift beglaubigen lassen, deren Unterzeichnerin im Ostalbkreis gemeldet ist“, sagt sie. Ihre Hoffnung: Die beglaubigte Unterschrift wird ihr anschließend zurückgeschickt. Doch das zuständige Rathaus in Durlangen teilte ihr stattdessen mit, dass es die Beglaubigung zwar kostenlos vornehme, aber nicht verpflichtet sei, die Dokumente zurückzusenden. „Man sagte mir, ich müsse sie selbst abholen“, berichtet Beck, die das Ganze als einen enormen zeitlichen Aufwand ansieht. „Wir stehen sowieso schon alle unter großem Zeitdruck. Mit dem Beglaubigen der Unterschriften wollen wir noch vor Weihnachten durch sein, da ja über Weihnachten die Ämter wahrscheinlich alle zu sind.“

In diesem Fall bedeutet das jeweils eine halbe Stunde Fahrt hin und zurück für Beck – für die Beglaubigung einer einzelnen Unterstützungsunterschrift. Ein Einzelfall? Eine Rückfrage beim baden-württembergischen Gemeindetag deutet auf das Gegenteil hin: „Die Bundeswahlordnung sieht keine Regelung vor, dass die Unterschriften von den zuständigen Rathäusern nach der kostenlosen Beglaubigung auch wieder zurückgesendet werden müssen“, sagt Christopher Heck vom Gemeindetag in Baden-Württemberg dazu.

„Eine zentrale oder vereinfachte Lösung ist nicht ersichtlich“

Das heißt, im Grunde kann jedes Rathaus selbst entscheiden, wie es das regelt. Und es heißt auch, dass Wahlhelfer oder Mitglieder von Kleinparteien im Zweifelsfall jedes Rathaus einzeln anfahren müssen – manchmal auch nur für Beglaubigungen einzelner, weniger Unterstützungsunterschriften. Denn: „Eine zentrale oder vereinfachte Lösung ist nicht ersichtlich“, sagt Landeswahlleiterin Cornelia Nesch auf Nachfrage unserer Zeitung. 0,85 Euro Portogebühr – offenbar ein zu hoher Preis für eine Lösung, die so einfach sein könnte.

Zu den Kleinparteien gehören in Deutschland neben der vom Verfassungsschutz beobachteten MLPD, die wegen einer versäumten Vorstandswahl möglicherweise von der Bundestagswahl ausgeschlossen wird, unter anderem auch Parteien wie die als sozialliberal geltende Partei Volt, die Piratenpartei oder die Partei Mensch-Umwelt-Tierschutz . Die Vorsitzende der Tierschutzpartei, Paula López, beklagte bereits im November im Deutschlandfunk, dass die vorgezogenen Neuwahlen einen erheblichen Nachteil für Kleinparteien bedeuten würden – falle für sie der Wahlkampf doch vollständig weg, da sie in der Kürze der Zeit zunächst die nötigen Unterstützungsunterschriften sammeln müssten. Dass dadurch viele Kleinparteien erst gar nicht zur Wahl stehen, so López, spiele letztlich dann den großen Parteien in die Karten.

Rathäuser nicht gut mit der Thematik vertraut?

Gemeinsam mit der Piraten Partei, der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP), der Partei der Humanisten (PdH) und der Partei des Fortschritts (PdF) hat die Tierschutzpartei jüngst in Frankfurt demonstriert, um gegen die, in den Augen der Kleinparteien, überholte Regelung des Unterschriftensammelns und die erschwerte Wahlzulassung für kleine Parteien vorzugehen. Die ÖDP zog damit sogar bis vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe – jedoch ohne Erfolg. Die Klage scheiterte laut einem am Mittwoch, 18. Dezember, veröffentlichten Beschluss, demnach kleine Parteien weiter eine bestimmte Zahl von Unterschriften sammeln müssen.

Beck sei bereits wiederholt auf Schwierigkeiten bei der Beglaubigung der Unterstützungsunterschriften gestoßen – auch mit einem Rathaus in ihrem Wahlkreis gab es schon Probleme. „Dort wurde mir erst einmal fälschlicherweise gesagt, die Leute müssen einzeln ins Rathaus kommen und ihre Unterschrift selbst bestätigen lassen“, sagt Beck. „Es herrscht auf den Ämtern im Allgemeinen eine große Unsicherheit, was diese Thematik betrifft. Ich habe jetzt schon mehrfach die Erfahrung gemacht, dass die Angestellten nicht gut damit vertraut sind.“

All das frisst Zeit – eine Ressource, über die Kleinparteien gerade sowieso nicht sonderlich reichlich verfügen. Was die beglaubigte Unterschrift betrifft, zeigte Becks Beschwerde schließlich Wirkung. Das Rathaus Durlangen lenkte schlussendlich ein und schickte ihr die beglaubigte Unterschrift doch noch per Post zu. Doch dass dies der Standard wird, ist wohl eher unwahrscheinlich.

Wahlzulassung von Kleinparteien

Unterschriftenpflicht Nicht etablierte Parteien, die weder im Bundestag noch in einem Landtag seit dessen letzter Wahl ununterbrochen aufgrund eigener Wahlvorschläge mit mindestens fünf Abgeordneten vertreten sind, benötigen laut Bundeswahlgesetz für die Zulassung zur Bundestagswahl Unterstützungsunterschriften. Das soll sicherstellen, dass nur Vorschläge zur Wahl stehen, die auch eine nennenswerte Unterstützung im Wahlvolk bekommen.

Unterschriftenanzahl Kreiswahlvorschläge von nicht etablierten Parteien benötigen mindestens 200 Unterstützungsunterschriften von im Wahlkreis wahlberechtigten Personen, während Landeslisten Unterschriften von mindestens 0,1 Prozent und höchstens 2000 der bei der letzten Bundestagswahl im jeweiligen Land Wahlberechtigten benötigen.

Zum Artikel

Erstellt:
19. Dezember 2024, 13:42 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen