Der Erfinder, der Star und der Neue
Im großen Trubel des Backnanger Straßenfestes gibt es auch die ruhigen Ecken – Unwetter und Regen können dem Festvergnügen nichts anhaben
Das Backnanger Straßenfest wird auch in der 49. Auflage seinem Ruf gerecht: Es ist der große Besuchermagnet für Besucher aus der ganzen Region und bringt Zigtausende auf die Beine. Was auf dem Fest und am Rande passiert – hier eine bunte Auswahl.
Von Ingrid Knack, Silke Latzel und Armin Fechter
Bierkrug-Star: Die Johanneskirche ist der Straßenfest-Bierkrug-Star 2019. Denn sie feiert heuer bekanntlich 125-jähriges Bestehen. Auf dem Straßenfest ist die Kirche aber noch in anderer Form präsent: Beim Straßenfestgottesdienst am Sonntagmorgen mischte sie mit, außerdem ist sie mit einem Waffel-Stand der Ministranten auf dem „Kindertreff“ vertreten. „Historisch ist die Kombination von Kirmes und dem Johannisfest natürlich der Hintergrund für das Zusammenfallen des sogenannten Patroziniums, dem Namenstag der Kirche am 24. Juni und dem Straßenfest“, meint Reiner Schulte augenzwinkernd.
Der Straßenfest-Erfinder: Auch der Straßenfest-Erfinder Klaus Erlekamm lässt sich gerne auf den Bandhaus-Stühlen im Markgrafenhof nieder. „Man ist dort ein bissle weg, aber doch im Geschehen.“ Bisher hat der ehemalige Kulturamtsleiter und Autor des 2017 erschienenen Buches „Backnanger Straßenfest - Erfolgsgeschichte des ersten deutschen Straßenfests“ noch kein Backnanger Straßenfest versäumt. „Nach der Eröffnungsfeier mache ich meinen Rundgang. Das habe ich irgendwie beibehalten. Da kommt gleich Straßenfestfeeling auf.“ Besonders hebt er hervor, dass am Freitagabend auch die Murrtreppen voll besetzt waren und viele Jugendliche zwischen Murrbrücke und (fürs Straßenfest gesperrter) Treppe, die zum Stiftshof führt, friedlich gefeiert haben. „Obwohl da kein Programm ist.“ Dass man von vornherein weiß, welche Art von Musik die Bands und Orchester auf den verschiedenen Bühnen präsentieren, findet er gut. „Auf dem Stiftshof wird kein Wiener Walzer gespielt.“ Jedes Jahr besucht Erlekamm auch die Partnerschaftsstände. Dieses Jahr sind zum Beispiel die Gourmandises d’Ardèche aus Annonay und ein Stand aus Bácsalmás vertreten. 25 Jahre führte Erlekamm voll verantwortlich Regie beim Straßenfest. Bis zum 33. Straßenfest hatte er noch die Fäden in der Hand. In dieser Zeit wurden Jürgen M. Häfner mehr und mehr Aufgaben übergeben. Vor allem die Security sei damals immer wichtiger geworden. Wie professionell Häfner das Straßenfest bis heute organisiert, beeindruckt Erlekamm.
Der neue Bürgermeister aus Chelmsford: Bob Massey, der neue Bürgermeister von Backnangs englischer Partnerstadt, ist das erste Mal in Backnang. Massey hat rein repräsentative Pflichten. Er kommt aus dem Lager der Konservativen, doch in dem Jahr, in dem er der Stadtobere von Chelmsford ist – die Bürgermeister in Chelmsford werden jedes Jahr neu gewählt – darf dies keine Rolle spielen. Freilich ist auch rund um das Straßenfest der Brexit ein Thema. Die Rede ist davon, dass die Konservativen bei den jüngsten Kreistagswahlen im Mai eine Mega-Schlappe bekommen haben. Die Gewinner waren die Liberaldemokraten. Vor der Wahl am 2. Mai waren es 52 Conservatives und 5 Liberal Democrats. Jetzt sind es 21 Conservatives, 31 Liberal Democrats und 5 Independents. So gab es auch zahlreiche Veränderungen bei den politischen Ämtern. Die für das Bürgermeisteramt vorgesehene Frau beispielsweise konnte nicht als Rathauschefin ernannt werden, weil sie nicht mehr als Kreisrätin gewählt worden war.
Stand-Wechsel: Veränderungen gibt es an der sogenannten Balustrade zwischen Galerie und Helferhaus. Ursprünglich waren dort einige kulinarische Angebote zu finden. Da der Förderverein der TSG Tennis dieses Jahr nur noch Verantwortung für den eigenen Stand bei der Galerie übernehmen wollte, gab er die vertraglich auf mehrere Jahre gepachtete restliche Fläche – für Straßenfestorganisator Jürgen M. Häfner relativ kurzfristig – wieder zurück. „Es hat nicht so geklappt, wie wir uns das vorgestellt hatten“, sagt Fördervereinsvorsitzender Hans-Ulrich Kirmse. Nun fielen aber auch die bisher dort zu findenden Essens-Angebote weg. Daraufhin hat sich Häfner nach Kräften bemüht, einen Stand zu organisieren, der Kulinarisches anbietet. Das war nicht ganz einfach, da in dem Bereich nur Stände stehen dürfen, die maximal zwei Meter tief sind. „Das ist sehr klein, um Essen zuzubereiten und zu verkaufen“, so Häfner. Doch es geht darum, dass die Feuerwehr im Ernstfall noch durchfahren kann. Nun kommen Langosch-Freunde in diesem Bereich auf ihre Kosten.
Oase mitten im Getümmel: Schon das siebte Jahr gibt es das „Bandhaus-Wohnzimmer“ im Markgrafenhof. Die Theaterleute verkaufen aus einer Kiosk-Luke heraus Getränke und kleine Snacks. Dort ist man mitten in der Feiermeile und doch an einem der ruhigsten und gemütlichsten Stände des Staßenfests. „Berühmt“ sind die blauen Sessel, in denen sich schon so mancher „festgesetzt“ hat. Am Samstagabend allerdings war der Kiosk geschlossen. Wegen des Regens empfing Juliane Putzmann, eine der Bandhaus-Theaterchefinnen, die Gäste im Theaterfoyer. Doch heute Abend stehen die Chancen gut, in einem der blauen Sessel Platz nehmen zu können.
Übersetzer und Schlagzeuger: David Whitehead switcht beim Straßenfest von einer Rolle zur anderen. Der Vorsitzende des Partnerschaftsvereins Backnang-Chelmsford ist vor allem als Übersetzer gefragt. Die Vertreter der Chelmsford Town Twinning Association sowie der Stadtverwaltung können sich auch sonst auf ihn verlassen. Wo immer sie sind in diesen Festtagen, ist meist auch David Whitehead nicht weit. Obendrein unterstützt er als Schlagzeuger die Rhythmusfraktion der Kreuz & quer-Band, die den Gottesdienst am Sonntagmorgen musikalisch begleitet. Normalerweise spielt Whitehead nicht in einer Band, zu viele andere Aufgaben gilt es zu erfüllen. Bei besonderen Gelegenheiten sagt er aber gerne zu: „Ich spiele hin und wieder in der Stiftskirchen-Band für Herrn Renz und habe bis 2018 für das CVJM Kleinaspach-Allmersbach gespielt. Ich helfe eben aus, weil’s Spaß macht. Mal wünsche ich mir, dass ich öfters spielen könnte, aber das wäre noch eine Verpflichtung zusätzlich zu den anderen.“
Aus OneNightBand wird TwoNightBand: Sie heißt OneNightBand, weil sie gewöhnlich in dieser Besetzung nur einmal im Jahr auftritt. Beim Seenachtsfest in Oppenweiler. 2019 könnte sie sich allerdings TwoNightBand nennen. Denn aus Anlass des 100-Jahr-Jubiläums des Städtischen Blasorchesters Backnang spielte die Formation zur Party des Orchesters am Freitagabend im Biegel auf. Der Hintergrund: Die Hälfte der Bandmitglieder kommt vom Städtischen Blasorchester. Die andere Hälfte spielt beim Musikverein Reichenberg. Allerdings gab es keine klassischen Bigband-Titel. Unter der Leitung von Bandleader Andreas Ermer hatten die Musiker vor allem Coversongs aus den Bereichen Pop, Soul und Rock einstudiert, die vor allem tanzbar sein sollten. Mit einem satten Sound, unter anderem mit rund 20 Bläsern, und den Parts von drei Sängerinnen und einem Sänger verwöhnten sie das Partyvolk.
Regen, Regen, Regen: Es dauert nur Sekunden, dann scheint es, als haben sich sämtliche Tore des Himmels geöffnet, das Gewitter ist direkt über Backnang. Samstag gegen 16 Uhr ist das Straßenfest wie leer gefegt. Jede Möglichkeit wird genutzt, um sich unterzustellen, selbst unter dem kleinsten Vordach herrscht Gedrängel. Doch es nutzt alles nichts. Die Marktstraße verwandelt sich in einen Bach, auch diejenigen, die in weiser Voraussicht Schirme dabei haben, sind den Regenmassen fast hilflos ausgeliefert, innerhalb von Minuten sind Schuhe und Hosen nass, die Menschen stehen dicht gedrängt. Und doch tut das der guten Stimmung keinen Abbruch, es wird gelacht, neue Regenfreundschaften werden geschlossen. Und immer wieder hört man: „Zum Straßenfest gehört mindestens ein Gewitter.“
Gesang ohne Bands: Man muss nicht auf einer Bühne stehen, um zu singen – zumindest nicht beim Straßenfest, zu fortgeschrittener Stunde und mit dem einen oder anderen Bier intus. Da singen dann selbst erwachsene Männer und Frauen lautstark das Titellied von „Disneys Gummibärenband“, „Wannabe“ von den Spice Girls oder den Backstreet-Boys-Klassiker „I want it that way“ mit, der an irgendeinem Stand aus den Boxen dröhnt. Die 90er lassen grüßen und wecken bei dem ein oder anderen Straßenfestfan Erinnerungen an die Jugend.
Stille Helden: Im allgemeinen Festtrubel sorgt der ökumenische Gottesdienst am Sonntagvormittag immer für Momente der Besinnung. Die Stunde des Innehaltens, die von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen organisiert wird, stand dieses Mal unter dem Motto „Stille Helden und Heldinnen“. Die Gedanken in seiner Predigt entwickelte Pastor Ulrich Roock von der Biblischen Gemeinde aus einem Wort im Markus-Evangelium, wo Jesus den Jüngern erklärt: „Wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein.“ Roock sprach Fragen des Leitungsstils und des Umgangs miteinander an und warnte vor falschen Helden. Die Band unter Leitung von Andi Lux und mit Sängerin Katrin Knoll gestaltete den Gottesdienst musikalisch mit.
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