Junger Syrer über den Sturz des Assad Regimes
„Der Gedanke, nicht mehr Flüchtling zu sein auf der Welt, ist sehr, sehr groß“
Borhan Akid ist Syrer und Volontär beim Westdeutschen Rundfunk. Die Ereignisse der letzten Tage sind auch an ihm nicht spurlos vorübergegangen. Im TV spricht er über den Sturz des Assad-Regimes und die Zukunft seiner Landsleute.
Von Gülay Alparslan
Nach fast 25 Jahren an der Macht ist der Diktator Baschar al-Assad gestürzt. Nicht nur in Syrien, auch in Stuttgart feierten am Wochenende Menschen mit syrischen Wurzeln auf den Straßen das Ende der Diktatur.
Einer, der seine Erleichterung kaum verbergen konnte, ist der WDR-Volontär Borhan Akid. Der junge Syrer sprach mit der ARD über die Ereignisse des Umsturzes und wie es vielen Syrern jetzt geht.
Akid wurde in Syrien geboren. Nach Deutschland kam er 2015. Als der Krieg in Syrien begann, war er gerade einmal 20 Jahre alt und Student. Bevor er nach Deutschland kam, waren er und seine Familie bereits zweimal innerhalb von Damaskus geflohen. Die Wohnung, in der er aufgewachsen ist, wurde damals bombardiert, erzählt er im „Podcast Deutsch-Arabisch“ in der Folge 39: „Vom Flüchtling zum Journalisten“.
Nach dem Sturz des Assad-Regimes habe er die ganze Nacht mit Freunden und Verwandten in Damaskus in Kontakt gestanden. Es gehe ihnen gut, aber sie hätten die ganze Nacht nicht geschlafen. Die Menschen in Syrien, so Akid, seien sehr glücklich, dass dieser Moment endlich gekommen sei. Es gebe aber auch ein Gefühl der Unsicherheit. „Man weiß nicht, wie es jetzt weitergeht, man weiß nicht, wie die nächsten Tage und Wochen sein werden - vor allem bei denen in Damaskus, wo das Machtzentrum war“, so Borhan Akid.
Meinungs- und Pressefreiheit durfte man in Syrien nicht erwähnen
Wie sich das Leben in einer Diktatur anfühlt, weiß der junge Syrer aus eigener Erfahrung. „Syrien war ein Geheimdienststaat. Wir haben in Syrien immer gesagt, die Wände haben Ohren“, erklärt er im Gespräch. Man habe immer Angst gehabt, etwas gegen das Regime zu sagen oder es zu kritisieren. Meinungs- und Pressefreiheit seien Dinge gewesen, die man laut Akid nicht einmal erwähnen durfte.
Wenn er heute daran denke, wie er in Syrien aufgewachsen sei, wie er jeden Morgen in der Schule die syrische Hymne rezitiert habe, wie er schon als Kind seine Loyalität zu diesem Präsidenten, zu dieser Familie ausgedrückt habe, dann sei das aus heutiger Sicht ein sehr unangenehmes Gefühl.
Unter den Syrern in Deutschland, mit denen Akid gesprochen hat, seien sich sehr viele sicher, sehr bald nach Syrien zurückkehren zu wollen. Viele würden sich gerade ernsthaft überlegen, wie sie Deutschland jetzt verlassen und für immer nach Syrien zurückkehren könnten. Kein leichtes Unterfangen, denn viele Familien hätten hier Arbeit und Kinder, die hier zur Schule gehen. „Aber der Gedanke, nicht mehr Flüchtling zu sein auf der Welt, ist sehr, sehr groß“, sagt Akid.
Syrer wünsche sich Neuwahlen und einen Rechtsstaat
Derzeit bestehe unter den Syrern die Hoffnung, über die Zukunft des Landes entscheiden zu können. Man spreche bereits von Neuwahlen in Syrien. Die Syrer in Deutschland überlegten bereits, wie sie in Syrien wählen könnten - nicht alle haben laut Akid noch ihren syrischen Pass. Die Menschen, mit denen er gesprochen hat, wünschten sich einen Rechtsstaat, einen demokratischen Staat. Die Sorge, dass es auch anders kommen könnte, schieben viele im Moment beiseite.
Am Ende des Gesprächs wird Borhan Akid dann emotional. Auf die Frage, wann er Syrien wieder besuchen werde, antwortet der junge Mann den Tränen nahe: „Syrien besuchen werde ich auf jeden Fall. Diese Frage wurde mir in den letzten Jahren sehr oft gestellt. Ich habe immer gesagt, ich kann mir das nicht mehr vorstellen. Ich habe ganz oft mit mir selbst ausgemacht: ,Dein Land, das musst du vergessen, da kannst du nicht mehr zurückkehren.’ Und jetzt scheint das möglich zu sein und ich glaube, es wird sehr bald sein.“