US-Vizepräsident bei Sicherheitskonferenz
Der gruselige Auftritt des J.D. Vance
Die Rede von US-Vizepräsident J.D. Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz sollte für alle ein Alarmsignal sein. Deutschland und Europa müssen rasch eigenständiger werden, kommentiert unser Redakteur Tobias Peter.
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© AFP/THOMAS KIENZLE
Er hat seine eigene Sicht der Dinge: J.D. Vance.
Von Tobias Peter
Es ist schon lange klar: Mit dem Wahlsieg Donald Trumps in den USA hat sich die sicherheitspolitische Lage für Deutschland und Europa grundlegend geändert. Joe Biden hat als US-Präsident noch wie ein wohlwollender Hegemon großzügig auch für Europas Sicherheit gesorgt. Trump pocht darauf, dass die Europäer selbst mehr leisten. Das ist fair. Vor allem aber ist es dringend notwendig.
Bis zuletzt hat es immer wieder beschwichtigende Stimmen gegeben. Jene, die sagten, auch mit Trumps zweiter Präsidentschaft werde schon alles nicht so schlimm für Europa kommen. Wer auch immer das noch geglaubt hat, dem sollte der deplatzierte Auftritt von Trumps Vize-Präsidenten, J.D. Vance, bei der Münchner Sicherheitskonferenz die Augen geöffnet haben. Wie verheerend kann die Sache am Ende für Europa ausgehen? Die furchterregende Antwort ist: Niemand kann das wissen.
Abstruse Verdrehung der Realität
Das fängt schon damit an, dass Vance bei seinem Auftritt auf der Sicherheitskonferenz wenig bis gar nicht über Sicherheit gesprochen hat. Er lobte kurz, dass Europa mehr tun wolle – das sei es, was Trump erwarte. Und das war es auch schon. Stattdessen warf Vance – der Vize eines Präsidenten, der im Jahr 2020 nicht in der Lage war, seine Wahlniederlage gegen Biden anzuerkennen – den Europäern allen Ernstes eine Einschränkung gemeinsamer demokratischer Werte und der Meinungsfreiheit vor. Das, was Vance sagte, war eine abstruse Verdrehung der Realität. Zum Gruseln.
Es ist noch höflich ausgedrückt, wenn man sagt, dass Vance an einen Onkel erinnert hat, der bei einer Familienfeier wirre und irritierende Gedanken vorgetragen hat. Das Problem ist nur: Den Onkel kann man dann ignorieren, jedenfalls so gut es geht. Bei J.D. Vance geht das nicht. Er ist Vize-Präsident des Landes, das bislang den Eckpfeiler der deutschen und europäischen Sicherheit bildet. Deutschland und Europa müssen nun eigenständiger werden. Und zwar so schnell es nur geht.
Eine Zäsur für Europa
Das alles macht deutlich, dass Trumps Wahlsieg auch für Europa eine Zäsur ist – über die Sicherheitspolitik hinaus. Die USA und Europa waren eine Wertegemeinschaft. Jetzt haben die meisten Europäer und die US-Regierung nicht einmal mehr eine ähnliche Sicht auf die Realität. Das ist keine Kleinigkeit. Trump glaubt an das Recht der USA, als der Stärkere die eigene Sicht durchzusetzen. Das gilt für militärische und wirtschaftliche Interessen. Aber es gilt, wenn man Vizepräsident J.D. Vance zuhört, offensichtlich auch für den Blick auf die Wirklichkeit. Vance und Trump hätten gern, dass die Welt ihre alternativen Fakten glaubt. Wer jetzt nicht für ein starkes Europa arbeitet, handelt verantwortungslos.