Schiffsbergung am Bodensee

Der Kapitän will es noch einmal wissen

Die Bergung der alten „Säntis“ vom Grund des Bodensees scheiterte im Frühjahr. Nun nimmt Silvan Paganini einen zweiten Anlauf.

1933 wurde die „Säntis“ versenkt. Jetzt soll sie geborgen werden. Der erste Versuch schlug fehl.

© Verein

1933 wurde die „Säntis“ versenkt. Jetzt soll sie geborgen werden. Der erste Versuch schlug fehl.

Von Uli Fricker

Eigentlich hatte Silvan Paganini längst aufgegeben. Nachdem er und seine Mitstreiter beim Versuch gescheitert waren, ein versunkenes Salonschiff zu bergen, hatte er in einer ersten Reaktion bereits alles hingeworfen. Doch dann besann sich der Schweizer und erklärte der staunenden Öffentlichkeit, dass er und seine Unterstützer im kommenden Jahr einen neuen Anlauf nehmen würden. Im Frühjahr 2025 soll die „Säntis“ aus den Tiefen des Schweizer Bodensees gehoben und geborgen werden.

Die Ankündigung Paganinis löste weit über den Heimatkanton Thurgau große Zustimmung aus. Das Projekt hatte bereits im vergangenen Jahr für ein breites Echo gesorgt. In den Jahren zuvor war ein Schiffshebeverein gegründet worden, dem Paganini als Präsident vorsteht. Der Verein hatte 259 000 Franken eingesammelt, um teure Geräte für die Bergung zu beschaffen. Die Pläne des Ingenieurs hatten buchstäbliche Wellen geschlagen. Unterstützung kam aus aller Welt.

Am meisten staunte der Verein über eine Spende aus Arabien: Der Emir von Abu Dhabi schickte spezielle knallgelbe luftgefüllte Säcke, die dem verschlammten Schiff den nötigen Auftrieb geben sollen. Die großen Ballons wurden beim ersten Bergungsversuch an Stahlseilen über der „Säntis“ so platziert, dass das Wrack gleichmäßig und langsam nach oben gleitet. Das teure Material Made in China wurde in mannshohen Kisten aus Paris angeliefert. Paganini kann es bis heute kaum fassen, dass sich reiche Menschen auf der Arabischen Halbinsel für die „Säntis“ interessieren. „Das ist doch unglaublich“, sagte er im Gespräch mit dieser Zeitung.

Sporen auf hoher See erworben

Der 40-Jährige hatte sich schon immer für die Schifffahrt interessiert. Paganini ist der Sohn italienischer Einwanderer, er wurde in Gossau (Kanton St. Gallen) geboren. Bevor er sich die ersten Sporen auf hoher See erwarb, hat er manch anderes probiert. Er arbeitete als Landschaftsgärtner, später als Lastwagenfahrer. Als Schweizergardist diente er zeitweise dem Papst, seinen Wehrdienst versah er als Kampfmittelräumer. Dann erfolgte der Schwenk zur Seefahrt. Als Zweiter Offizier fuhr er auf dem Arbeitsschiff „Pioneer Spirit“ mit, später erwarb er sein Kapitäns-Patent. Auch ein Studium zum Wirtschaftsingenieur hat er absolviert.

Und doch kehrte Silvan Paganini an den verhältnismäßig kleinen Bodensee zurück. Als Betriebsleiter schafft er für die Schweizer Bodenseeschifffahrt, die im und am Hafen von Romanshorn sitzt und unter anderem auch die Fähre nach Friedrichshafen laufen lässt.

Versenkung war früher üblich

Auf dem Grund des Bodensees liegen einige Dutzend Schiffe. Es war bis weit ins 20 Jahrhundert üblich, dass abgenutzte Schiffe auf dem Seegrund versenkt werden. Umweltauflagen, wie es sie heute in der strengen Schweiz gibt, waren damals noch nicht geschrieben.

Auf einem Vortrag erfuhr der begeisterte Nautiker Paganini, dass vor dem Schweizer Ufer auch die „Säntis“ liegt. Dieses sogenannte Halbsalonschiff war für damalige Verhältnisse gut ausgestattet. Elegant geformt, wurde es durch Dampfkraft angetrieben, die zwei große Schaufelräder in Gang setzt. 1933 wurde die „Säntis“ ohne Zaudern versenkt. Seitdem liegt sie 210 Meter unter dem Wasserspiegel und damit an einer der tiefsten Stellen des Schwäbischen Meeres. Das 48 Meter lange Schmuckstück war seit 1892 auf dem Gewässer unterwegs gewesen. Es konnte damals und in guten Zeiten 400 Passagiere befördern.

Eine Million Franken als Ziel

Bis Januar soll ein neuerliches Crowdfunding mindestens eine Million Franken bringen. Neues Material muss beschafft werden, die Hebetechnik soll verfeinert werden. Dazu gehört auch ein Multibeam-Sonar, um unter Wasser den Durchblick zu behalten. „Superman wäre neidisch auf uns“, sagt Paganini der „Thurgauer Zeitung“. Und: „Wir können unter Wasser sehen, was das Auge nicht sieht.“ Der erste Bergeversuch war an einem gerissenen Bremsseil gescheitert, was zu spät erkannt worden war.

Entscheidend für einen neuen Anlauf ist freilich nicht die neue technische Strategie, um das Dampfschiff an die Oberfläche zu holen. Auch die Aussicht auf ein vierfaches Budget (eine Million Euro) ist es nicht. Der Pionier erfährt den größten Schub zuhause: Seine Frau Yvonne, ebenfalls Ingenieurin, unterstützt ihn unbedingt. Dass Frau und Kinder den ehrgeizigen Vater ob seiner großen Aufgabe in den kommenden Wochen und Monaten kaum sehen werden, nimmt die Familie dabei in Kauf. Familie Paganini steht voll hinter dem zweiten Anlauf, der das elegante Schiff endlich nach oben befördern soll.

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Erstellt:
27. November 2024, 14:24 Uhr

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