Was geschah am . . . 1. April 1875?
Der „King of Thriller“ Edgar Wallace wird geboren
„Hallo, hier spricht Edgar Wallace.“ Er war Workaholic und Lebemann, erschrieb sich mit seinen Krimis ein Vermögen und verlor Unsummen bei Pferdewetten. Zum Schluss erschuf er das berühmteste Monster der Filmgeschichte – King Kong.

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Um Alkohol machte Edgar Wallace selbst einen Bogen. Stattdessen schüttete er Tag für Tag 40 Tassen Tee in sich hinein und rauchte bis zu 100 Zigaretten.
Von Markus Brauer/KNA
„Eines Tages werde ich ein berühmter Mann sein.“ Edgar Wallace wähnte sich schon als Teenager zu Höherem berufen. Da war seine Karriere zum weltweit gefeierten Krimi-Autor allerdings noch nicht absehbar. Mehr als 170 Bücher gehen auf sein Konto, dazu 23 Theaterstücke und fast 1000 Kurzgeschichten.
Auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn bespielte Wallace sein Publikum mit einem Podcast-Vorläufer namens „The World of Crime“ bei der BBC und wagte schließlich den Sprung über den Atlantik nach Hollywood.
Jobs als Zeitungsjunge, Druckergehilfe, Schiffskoch und Bauarbeiter
Am 1. April 1875, vor 150 Jahren, wurde Wallace in Greenwich bei London geboren. Der uneheliche Sohn eines Schauspielerpaares kam bei Pflegeeltern unter, schlug sich zunächst mit Gelegenheitsjobs durch. Sein erstes Geld verdiente er unter anderem als Zeitungsjunge, Druckergehilfe, Schiffskoch und Bauarbeiter. Dann verpflichtete er sich zum Militär und kam 1896 nach Südafrika.
Die Dauerfehde mit den Buren – Nachfahren meist niederländischer Siedler – wurde zu einem Hotspot für alle jene, die sich im Kampf für das britische Empire bewähren wollten. Um ein Haar hätte Wallace Winston Churchill getroffen. Er sei jedoch damals zu schüchtern gewesen, um Celebritys die Aufwartung zu machen, bekannte er später.
Südafrika bescherte ihm zweierlei: Die Erkenntnis, dass er schreiben konnte und die Liebe zu Ivy Caldecott, Tochter eines Missionars, die er 1901 heiratete.
Der rasende Reporter
In der Folgezeit zog er als rasender Reporter um die halbe Welt, berichtete von den antibritischen Unruhen in Kanada 1903, war 1906 beim Attentat auf den spanischen König Alfons XIII. und seine Gattin Victoria Eugénie von Battenberg zugegen und ging den Kongo-Gräueln in Afrika auf den Grund, die dem belgischen Monarchen Leopold II. zur Last gelegt wurden.
Doch so sehr er mit Scoops für Furore sorgte - so sehr brachte sich der „Special Correspondent“ durch seinen freien Umgang mit Fakten immer wieder selbst in die Bredouille. Es zeichnete sich ab, dass seine eigentlichen Stärken im Bereich der Fiktion lagen.
Der erste Bestseller
1905 erschien sein erster Krimi „The Four Just Men“ („Die vier Gerechten“). Das Buch wurde zum Bestseller und trieb den Autor dennoch beinahe in den Ruin. Wem es gelang, die Methode aufzudecken, nach denen die Mörder in dem Buch vorgegangen waren, dem versprach Wallace einen satten Geldgewinn. Im Eifer des Gefechts hatte er jedoch vergessen, die Aktion näher zu begrenzen. Sein Förderer Alfred Harmsworth lieh ihm schließlich 1000 Pfund, damit er sich aus der Affäre ziehen konnte.
Geld war für Wallace da, um es auszugeben. Bei Pferdewetten verlor er ein Vermögen, zu einem seiner Markenzeichen wurde ein gelber Rolls Royce. Doch ein Egomane war er deswegen nicht. Das edelste Ziel im Leben sei es, anderen Freude zu bereiten, sagte er gern. Das bezog sich nicht nur auf seine Arbeit als Schriftsteller. Wallace galt als Familienmensch, auch wenn seine erste Ehe 1919 in die Brüche ging, und äußerst großzügiger Gastgeber.
40 Tassen Tee und 100 Zigaretten
Um Alkohol machte er selbst einen Bogen. Stattdessen schüttete er Tag für Tag 40 Tassen Tee in sich hinein und rauchte bis zu 100 Zigaretten. Sein Arbeitstag begann um 4 Uhr morgens, nicht selten arbeitete er an mehreren Büchern gleichzeitig, die er seinen Mitarbeitern – darunter auch seine zweite Frau Violet King – zu diktieren pflegte. „Der Frosch mit der Maske“, „Der Hexer“ oder „Der schwarze Abt“ erblickten in rascher Abfolge das Licht der Welt.
Das wahnwitzige Arbeitstempo ließ sich bestenfalls in Witze fassen: Ein Mann ruft bei Wallace an und verlangt, den Autor zu sprechen. „Mister Wallace schreibt gerade ein Buch“, lautet die Auskunft. „Na gut, dann bleibe ich kurz dran“, entgegnet der Anrufer.
„King of Thriller“ schreibt „King Kong“
Als wäre das nicht schon genug, erwog der „King of Thriller“ 1930 kurzzeitig eine Karriere als Politiker. Im Jahr darauf ging er nach Hollywood. In einem letzten Kraftakt schrieb er die erste Drehbuchversion für einen der berühmtesten Filme der Geschichte: „King Kong und die weiße Frau“.
Dann forderten die ständige Arbeitsbelastung, eine hartnäckige Erkältung und wohl auch eine Diabeteserkrankung ihren Tribut. Am 10. Februar 1932 verstarb er. Zuletzt soll er nach einer Tasse Tee verlangt haben.