Was geschah am . . . 2. April 1725?

Der klassische Verführer Giacomo Casanova wird geboren

Während ihn die einen als charmanten Frauenhelden feiern, kritisieren andere sein rücksichtsloses Verhalten. Vor 300 Jahren wurde Giacomo Casanova geboren – der große Verführer.

Zu Lebzeiten war Casanova derweil weniger für sein ausschweifendes Liebesleben bekannt als für seine Flucht aus den Bleikammern, einem Gefängnis im Dogenpalast Venedigs.

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Zu Lebzeiten war Casanova derweil weniger für sein ausschweifendes Liebesleben bekannt als für seine Flucht aus den Bleikammern, einem Gefängnis im Dogenpalast Venedigs.

Von Markus Brauer/KNA

Sein Name ist als Verführer und Liebhaber sprichwörtlich geworden: Casanova. Der Abenteurer, Schriftsteller und Lebenskünstler Giacomo Casanova wurde vor 300 Jahren, am 2. April 1725, in Venedig geboren. Seit Jahrhunderten wird er vor allem als Frauenheld beschrieben. Eine recht einseitige Rezeption, meinen manche. Denn Casanova habe noch andere Interessen und Talente besessen.

Rücksichtsloser sexueller Egoisten?

Andere wiederum gehen in Zeiten der Me-too-Bewegung deutlich kritischer mit Casanova ins Gericht:So der amerikanische emeritierte Literaturprofessor Leo Damrosch, der 2022 die Biografie „Adventurer. The Life and Times of Giacomo Casanova“ veröffentlichte. Darin zeichnet er das Bild eines „rücksichtslosen sexuellen Egoisten“.

„Er war sicherlich ein Verführer, aber nicht schamlos. Er war der festen Überzeugung, dass seine Begegnungen mit Frauen immer von beiden Seiten erwünscht waren, auch wenn sie sich anfangs zurückhaltend verhielten“, erklärte Damrosch 2022 in einem Interview. „Das könnte man natürlich als unbesiegbaren Narzissmus bezeichnen.“

Nonnen und elfjährige Mädchen

Kein Zwang, keine Gewalt – so liest es sich in der „Histoire de ma vie“ („Geschichte meines Lebens“), der Autobiografie Casanovas, die er als über 60-Jähriger verfasste.

Doch „Casanovas Beharren darauf, dass alles einvernehmlich war, übersieht oder verdrängt die brutale Machtdynamik, die im Spiel war“, heißt es in einer Rezension von Damroschs Buch im englischen „Guardian“.

Zwar habe er im Allgemeinen nicht mit Prostituierten geschlafen, „aber er schlief oft mit Mädchen, die von ihren Eltern oder Beschützern prostituiert wurden, als Gegenleistung für Gefälligkeiten, Beförderung, soziale Vorteile oder auch nur einen dicken Geldbeutel“.

120 Affären werden Casanova nachgesagt

Die Liste der „Eroberungen“ Casanovas ist lang: 120 Affären sind es, von denen der Sohn eines Schauspielerpaars in seinen Erinnerungen berichtet. Er schlief demnach mit Nonnen und elfjährigen Mädchen, war im Bett mit seiner eigenen Tochter oder auch gleich mehreren Frauen gleichzeitig.

Er zeugte vermutlich zahlreiche Kinder – unter anderem mit seiner Tochter –, litt selbst immer wieder an Geschlechtskrankheiten und gab sie weiter. Dennoch ist sein Ruf als Mann, dem auch das Vergnügen der Frau beim Liebesspiel wichtig war, gefestigt.

Berühmt für Gefängnisflucht

Zu Lebzeiten war Casanova derweil weniger für sein ausschweifendes Liebesleben bekannt als für seine Flucht aus den Bleikammern, einem Gefängnis im Dogenpalast Venedigs. Nach mehr als einem Jahr Haft – deren Grund er nie erfährt – befreit er sich mithilfe eines Metallriegels, den er sich während seiner Gefangenschaft zu einer Art Meißel geschliffen hatte.

Die Flucht macht Casanova zur europäischen Berühmtheit. Seine eigene Erzählung von diesen Erlebnissen gehörte für den verstorbenen Publizisten Roger Willemsen zu den „fesselndsten Stücken von Abenteuerschriftstellerei der Weltliteratur“.

Umtriebiges Chamäleon

Willemsen hatte eine Auswahl aus Casanovas Autobiografie herausgegeben. Er war überzeugt, dass sich Casanova sicher gewundert hätte, dass er – wie der Marquis de Sade – einem ganzen Typus seinen Namen geben würde. Denn tatsächlich war Casanova weit mehr als ein Frauenverführer: Er war Übersetzer, Geiger, Glücksspieler, Freimaurer und Spion. Ein Mediziner, Höfling und Mitbegründer der französischen Staatslotterie.

Willemsen beschreibt Casanova als „Chamäleon“, das sich überall habe assimilieren können. Er habe mit Päpsten und Kaisern genauso verkehrt wie mit Zuhältern und Betrügern. Vertrieben aus Venedig, bereiste er zudem halb Europa: Italien, Frankreich, Holland, Deutschland, Spanien, Russland und Polen. Wo immer er auftauchte, sei er zunächst ein Fremder gewesen, schreibt Willemsen.

„Unglaubwürdig als erfundener Held“

In seinen letzten Lebensjahren ließ sich Casanova in Böhmen nieder und schrieb dort seine Memoiren. Ihnen ist laut Willemsen die „vollständigste und farbigste Abbildung“ des 18. Jahrhunderts in der Weltliteratur zu verdanken.

Auch Autor Damrosch hebt den Wert des Werks hervor: Casanova lasse eine ganze Kultur der Vergangenheit mit „romanhaftem Geschick“ lebendig werden. Casanovas Buch bleibe „eine der größten Autobiografien der Welt. Wir lernen ihn besser und eingehender kennen als fast jeden anderen, der vor langer Zeit gelebt hat.“

Casanova verstarb 1798 im Alter von 73 Jahren. Willemsen meinte: „Als erfundener Held, als Figur eines Romans, wäre Giacomo Casanova ganz unglaubwürdig.“

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Erstellt:
31. März 2025, 11:38 Uhr
Aktualisiert:
31. März 2025, 13:07 Uhr

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