Was geschah am . . . 15. Dezember 1890

Der letzte Krieger: Sioux-Häuptling Sitting Bull wird ermordet

Er ist der wohl berühmteste Indianer der Geschichte. Sitting Bull ist aus den Lehrbüchern ebenso wenig wegzudenken wie aus Dutzenden Jugendbüchern. Vor 134 Jahren starb der legendäre Sioux-Häuptling unter bis heute nicht geklärten Umständen. Mit ihm verschwand eine Ära.

Sitting Bull (1831-1890).

© Imago/GRANGER Historical Picture Archive

Sitting Bull (1831-1890).

Von Markus Brauer

Die beiden berühmtesten Indianer der Welt könnten verschiedener kaum sein: Während der vom Schriftsteller Karl May erdachte Winnetou als edler Häuptling mit seinem stolzen Stamm durch grüne Täler ritt, sah die Welt des realen Sitting Bull anders aus: Krieg, Verrat und Vertreibung, Hunger und Kälte, Feuerwasser und Tod.

Sitting Bull war einer der einflussreichsten Indianer der Geschichte. Vor 124 Jahren wurde er unter bis heute nicht endgültig geklärten Umständen erschossen.

Von Springender Biber zu sich setzender Bulle

Geboren wurde „Springender Biber“ in einem Indianerzelt in South Dakota vermutlich im Jahr 1831. Er war der Sohn eines Häuptlings der Lakota, die mit den Dakota und den Nakota die Gruppe der Sioux bilden. Mit zehn jagte er den ersten Bison und mit 14 war er beim Kriegszug gegen die Crow erfolgreich. Wegen seines Mutes erhielt er einen der Ehrennamen seines Vaters: „Sich setzender Bulle“ – Thathánka Íyotake – auf Englisch: Sitting Bull.

Etwa zehn Jahre später tötete er einen Crow und wurde zum Führer der Krieger. Doch als sein Vater 1859 getötet wurde, wurde nicht Sitting Bull der neue Häuptling. Der Stamm war längst zerrissen. Die Kultur der Prärie-Indianer, die viele von Karl May kennen, war nur ein kurzes Kapitel im Geschichtsbuch der Ureinwohner.

Blüte und Niedergang der Lakota

Diese Stämme standen stets unter dem Druck der einwandernden Europäer. Die Regierung in Washington wollte neben Land für die einströmenden Neuamerikaner vor allem Ruhe im Westen und ließ die Indianer notfalls von der Armee „befrieden“. Innerhalb eines Jahrhunderts erlebte die Kultur der Prärie-Indianer ihre höchste Blüte und ihren Niedergang.

Ein Teil der Lakota wollte sich in den 1860er Jahren fügen und in die kleinen unwirtlichen Reservate umziehen, ein Teil nicht. Sitting Bull wurde einer der Führer der Renegaten und nahm für den legendären Häuptling Red Cloud an kleineren Gefechten teil.

1876: Schlacht am Little Big Horn

Bei seinem größten Erfolg war Sitting Bull gar nicht dabei. Er war auch geistiger Führer seiner Krieger und hatte sich beim Sonnentanz so verausgabt, dass er bei der Schlacht am Little Bighorn 1876 fehlte. Eine Woche vor dem 100. Geburtstag der USA rieben seine Krieger unter Führung von Crazy Horse die Truppe von Oberstleutnant George Armstrong Custer auf, Gefangene machten die Indianer nicht.

Der größte Erfolg gegen die US-Armee gelang den Indianern allerdings nicht durch taktische Finesse. Ihre Führung war chaotisch, aber immer noch besser als die des talentierten, aber hoffnungslos arroganten Custer. Es war der letzte Sieg der Indianer. Sitting Bull floh mit seinen Männern nach Kanada, vier Jahre später zog er ins Reservat.

1890: Wilde Schießerei und Tod

Die Weißen behandelten ihn mit Respekt und nahmen ihn auf Vortragstouren mit. Der Weltruhm kam mit William Cody, der als Buffalo Bill mit seiner Wildwest-Show der Welt das Geschrei mit der auf den Mund klopfenden Hand als Kriegsgeheul der Indianer verkaufte.

Zurück im Reservat blieb Sitting Bull ein Rebell. Als die Behörden vom Geistertanz hörten, vermuteten sie in der Religion auch Aufruhr. Sitting Bull sollte als ihr potenzieller Führer festgenommen werden.

Am 15. Dezember 1890 umstellten indianische Polizisten seine Hütte. Einer von Sitting Bulls Leuten schoss und es entwickelte sich eine wilde Schießerei. Nach ein paar Minuten waren 15 Menschen tot. Mit seinem 17-jährigen Sohn starb auch Sitting Bull. Der große Krieger war tot.

Zehn Dinge, die Sie über Indianer wissen sollten

Indianer kennen keinen Schmerz

Dieses weitverbreitete Klischee hat seine Wurzel in den literarischen Fantastereien Karl Mays. Der sächsische Romancier beschreibt die Ureinwohner Nordamerikas als furchtlose Krieger, die jeder Folter und jedem Schmerz standhalten würden. „Ein Indianer wird von frühester Kindheit an in dem Ertragen körperlicher Schmerzen geübt . . . Ein jammernder Mann am Marterpfahle ist bei den Roten eine Unmöglichkeit.“

Bleichgesicht spricht mit gespaltener Zunge

Noch so eine Redensart, die den Indianern angedichtet wurde (auch wenn sie durchaus zutrifft). Im Lucky-Luke Band 61 „Der Apachen Canyon“ spricht Häuptling Patronimo“: „Das Bleichgesicht spricht mit gespaltener Zunge.“ Dabei will der gute Lucky Luke nur, dass zwischen dem roten und weißen Mann Frieden herrscht.

Edle Wilde

Karl Mays Indianerbild hat Generationen von abenteuerlustigen Lesern geprägt. Für ihn gibt es zwei Arten von „Wilden“: Zum einen die roten „Teufel“, die ihre Opfer am Marterpfahl langsam zu Tode quälen und sie bei lebendigem Leib skalpieren; zum anderen die edlen Wilden. Sie sind Sinnbild für den unverdorbenen Naturmensch, der an den Naturzustand der Menschheit und die unverdorbenen Anfänge der Geschichte erinnert.

Tipi & Co.

Die Ureinwohner Amerikas waren geschickte Häuslebauer. Ihre bekannteste Behausung war das Tipi, das aus einem Stangengerüst und Überzug aus abgeschabten und mit Sehnen zusammengenähten Bisonhäuten bestand. Desweiteren gab es das Wigwam, Earth Lodge, Wickiup, Hogan, Pueblos und Chickee.

Auf dem Kriegspfad

Dass rote und weiße Krieger gemeinsam auf Kriegspfad gingen, war keine Seltenheit. Die folgende Szene zeigt den Shawnee-Häuptling Tecumseh zusammen mit General Brock während des Britisch-Amerikanischen Krieges von 1812. Ein Freund der Weißen war Tecumseh dennoch nicht. „Sollen wir kampflos zusehen, wie unser Volk vernichtet wird, sollen wir das Land verlassen, das uns der Große Geist gegeben hat, die Gräber unserer Toten und alles, was uns heilig ist? Niemals! Niemals!“

„The only good Indians I ever saw were dead“

Dieser Ausspruch stammt von Philip Henry Sheridan (1831-1888), Oberbefehlshaber des US-Heeres. „Die einzig guten Indianer, die ich jemals sah, waren tote.“ Wahrscheinlich waren tatsächlich alle Indianer, die Sheridan sah, mausetot. Sein Biograf Richard O’Connor schreibt: „Obwohl der allgemein ihm zugeschriebene Grundsatz ‚Der einzig gute Indianer ist ein toter Indianer‘ ein ungenaues Zitat dessen ist, was Sheridan wirklich sagte, dachte er jedoch genau so und handelte entsprechend.“

„Lords of the Plains“

Im 19. Jahrhundert standen die Plains-Indianer im Ruf, die beste leichte Kavallerie der Welt zu sein. Gegen die Übermacht der weißen Soldaten und Siedler mit ihren modernen Waffen halfen letztendlich aber auch Todesmut und artistische Reitkünste nichts.

„Ein guter Tag zum Sterben

„Es ist ein guter Tag zum Kämpfen! Es ist ein guter Tag zum Sterben!“ Mit diesem Schlachtruf stürmte Häuptling Crazy Horse (Foto) in die Schlacht am Little Big Horn. Am 25. Juni 1876 trafen dort Sioux, Arapaho und Cheyenne unter Sitting Bull, Crazy Horse und Gall auf die 7. US-Kavallerie unter General Armstrong Custer. In 20 Minuten fielen 267 Kavalleristen, die Indianer hatten 32 Gefallene zu beklagen. Trotz ihres größten Sieges verloren sie den Krieg gegen die Weißen.

Propheten, Seher, Visionäre

Einer der berühmtesten Propheten war Chief Seattle, Häuptling der Duwamish-Indianer. 1855 prophezeite er in einer Rede vor dem US-Kongress: „Auch die Weißen werden vergehen, eher vielleicht als alle anderen Stämme.“ Wo einst die Jagdgründe der Duwamish waren, verpesten heute rund um Seatle Stahlwerke, Fabriken, Werften und die Boeing-Werke die Umwelt.

Thathánka Íyotake

Bull war einer der größten Häuptlinge der roten Völker. 1831 am Grand River in South Dakota geboren war er von Manitou dazu auserwählt, die Hunkpapa-Lakota-Sioux als Stammeshäuptling und spiritueller Anführer gegen den weißen Mann zu führen. Am 15. Dezember 1890 wurde er in der Standing Rock Reservation (North Dakota) von Indianerpolizisten bei einer versuchten Verhaftung erschossen (mit dpa-Agenturmaterial).

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Erstellt:
14. Dezember 2024, 16:16 Uhr
Aktualisiert:
14. Dezember 2024, 18:26 Uhr

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