Wolfgang Joop wird 80
Der Mann, der Deutschland die Mode erklärte
Zuerst wird Karl Lagerfeld genannt, dann Jil Sander – dabei hat Wolfgang Joop viel getan für die Mode in Deutschland. Auch mit bald 80 macht der Potsdamer das, was er stets getan hat: arbeiten.
Von Theresa Schäfer
„Ich bin nicht gern alt, aber wer will denn jung sterben?“ Ein typisches Joop-Bonmot, von denen der Designer immer eines im Ärmel seines Designer-Sakkos zu haben scheint. Wolfgang Joop, der am Montag 80 Jahre alt wird, parliert gerne. Eloquent und geschliffen – und nicht nur über Mode.
Dass man erst Karl Lagerfeld und dann Jil Sander nennt, wenn man über deutsche Couturiers spricht, ist Joops Schicksal. „Er stand immer ein bisschen im Schatten der beiden“, sagt Dirk Wolfes, Professor für Modedesign an der Hochschule Trier. „Dabei ist er ein ganz großartiger Designer.“
Joops Vater wollte nicht, dass er Maler wird
Zur Mode kam Joop, weil er gern zeichnete. Er wurde 1944 in Potsdam geboren und lebte, bis er knapp zehn war, auf dem Gut seiner Großeltern beim Park von Sanssouci. Dann zog die Familie nach Braunschweig, der Abschied von der Heimat war für Wolfgang ein herber Verlust. In der Schule zeichnete Joop für einen Mitschüler leichtbekleidete Mädchen im Austausch gegen die Hausaufgaben. Der Vater wollte auf keinen Fall, dass sein Sohn Maler wird, also studierte Joop ein paar Semester Werbepsychologie und Kunsterziehung.
1970 gewann er mit seiner damaligen Frau Karin einen Wettbewerb der Modezeitschrift „Constanze“. Erst arbeitete er als Freelancer für verschiedene Modemarken, 1978 präsentierte er seine erste eigene Kollektion: Pelzmäntel – was Joop, der später immer wieder mit der Tierschutzorganisation Peta zusammenarbeitete, heute nach eigenem Bekunden nicht mehr machen würde.
Joops große Zeit waren die 1980er und 90er Jahre: Sogar die „New York Times“ war angetan vom Stil des „Prussian Designer“, des preußisch-aristokratischen Couturiers aus Deutschland. 1983 wurde er mit dem Fil d’or ausgezeichnet, so etwas wie dem Oscar der Modewelt. Attraktiv, blond, hochgewachsen und schmal, immer mit einem etwas blasierten Zug im Gesicht fiel Joop kaum auf zwischen seinen Models. Joop wurde zur Marke, plötzlich stand sein Name auf Parfüms, Taschen, Handtüchern und Boxershorts. Geschäftlich lief es glänzend, aber Joop fühlte sich irgendwann entfremdet von den Produkten, die in seinem Namen verkauft wurden. „Das Lizenzgeschäft ist für jeden Designer auch ein Risiko. Man gibt Kontrolle ab, die eigene Handschrift verwischt, die klare Designbotschaft geht verloren“, meint Professor Wolfes. 2001 stieg Joop ganz aus dem Unternehmen aus, das seinen Namen trug.
Sein neues Baby war das Label Wunderkind, das er 2003 gründete. Wunderkind, glaubt der Modeexperte Wolfes, war die Marke, mit der Joop ganz bei sich war. „Das war der poetisch-erzählerische Stil, der ihn auszeichnet, seine eigene markante Handschrift.“ Joop habe ein „fantastisches Farb- und Materialgefühl“, findet Wolfes. „Er hat einen unfehlbaren Blick für Proportionen und Silhouetten. Seine Mode hat etwas Verträumtes, Spielerisches, aber sie ist auch lebensnah und lässt sich in den Alltag integrieren.“ Doch wirtschaftlich konnte Joop mit Wunderkind nicht an seine früheren Erfolge anknüpfen. 2023 belebte er die Marke wieder – in Kooperation mit dem Öko-Textilunternehmen Hess Natur macht er jetzt nachhaltige Mode.
Wolfgang Joop hat stets viel zu sagen. „Er hatte immer eine große Medienpräsenz, weil er unterhaltsam ist und eloquent, aber auch provokant“, sagt der Professor für Modedesign Wolfes. Heidi Klum holte ihn 2014 in die Jury ihrer Castingshow „Germany’s Next Topmodel“. Er blieb nur zwei Staffeln, wurde aber dank seiner Potsdamer Schnodderschnauze zum Publikumsliebling.
Angela Merkel empfahl Joop mehr Dekolleté
Vor vielen Jahren empfahl er Angela Merkel, mehr Dekolleté zu tragen. 2021 verstieg er sich im „Spiegel“ zu der Aussage, die frühere Modewelt sei „so wunderbar frivol und frigide“ gewesen. „Alles war käuflich – die Agenturen gaben die Schlüssel zu den Zimmern der Models, die nicht so viel Geld brachten, an reiche Männer.“ Später entschuldigte er sich dafür.
„Ich bin – typisch Modeleute – leicht verführbar, das Maul aufzumachen“, sagte Joop der „taz“ über sich. Der Mode habe er mit seiner Präsenz in Talkshows oder auf dem „Wetten, dass...?“-Sofa erst Geltung verschafft, findet Professor Wolfes. „Joop hat der Mode einen Stellenwert in der deutschen Gesellschaft gegeben, er hat ihr einen Platz erkämpft.“ Lagerfeld habe immer einen Blick von außen auf Deutschland gehabt, aus der Metropole Paris – Joop wirkte dagegen als Modebotschafter von innen. „Er hat erst ein Bewusstsein geschaffen für den ganzen Berufsstand der Designer.“
Seit vielen Jahren lebt Joop wieder auf Gut Bornstedt bei Sansoucci, das für ihn stets ein „Sehnsuchtsort“ geblieben sei. Dort wohnt der Designer mit seinem langjährigen Lebenspartner Edwin Lemberg und mehreren Hunden. Seine Ex-Frau Karin, die zwei Töchter Jette und Florentine und fünf Enkel machen die Patchwork-Familie Joop komplett.
2025 wird es im Potsdamer Museum eine Retrospektive über sein Lebenswerk geben. Joop sei nicht zuletzt ein „unglaubliches Zeichentalent“, findet auch Modeexperte Wolfes. Seine Zeichnungen und Skizzen, ist sich Wolfes sicher, „wird man noch sehr lange in Museen ausstellen.“ Die Arbeit, sagte Joop kürzlich der „Zeit“, halte ihn agil. „Ich stöhne nicht über Arbeit – ich bin lieber überbeschäftigt als unterbeschäftigt.“ Dem Alter kann Wolfgang Joop hingegen nicht viel abgewinnen. Der „Süddeutschen Zeitung“ sagte er: „Age sucks“. Auf gut deutsch: „Alt sein, macht wirklich keinen Spaß.“