Heftige Debatte im Bundestag

Der Migrationsstreit und die Frage nach dem „Tor zur Hölle“

Union und SPD liefern sich eine heftige Debatte zum Zustrombegrenzungsgesetz und zum richtigen Umgang mit der AfD. Am Ende gibt es einen überraschenden Ausgang bei der Abstimmung.

CDU-Chef Friedrich Merz verteidigte im Bundestag seinen Gesetzesvorschlag gegen teils massive Kritik

© dpa/Fariha Farooqui

CDU-Chef Friedrich Merz verteidigte im Bundestag seinen Gesetzesvorschlag gegen teils massive Kritik

Von Tobias Peter

Rolf Mützenich gilt als Gentleman der deutschen Politik. Der SPD-Fraktionschef ist ein freundlicher Mann, der auch für die Zwischentöne bekannt ist. Doch an diesem Tag klingt er anders. Seine Botschaft ist deutlich. Es sei noch nicht zu spät, so ruft es Mützenich der Unionsfraktion und ihrem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz zu. „Der Sündenfall wird Sie für immer begleiten“, sagt Mützenich mit lauter Stimme. „Aber das Tor zur Hölle können wir noch gemeinsam schließen.“ Er wendet sich direkt an Merz: „Es wäre gut, wenn Sie von diesem Pult hier sich entschuldigen würden.“

Wortbruch von Merz?

Worauf Mützenich anspielt: Die Union hat am Mittwoch erstmals im Bundestag einen Entschließungsantrag beschlossen, der nur mit Stimmen der AfD eine Mehrheit hatte. Jetzt, an diesem Freitag, steht das Zustrombegrenzungsgesetz im Bundestag zur Abstimmung, das auch nur mit Stimmen der in Teilen rechtsextremen AfD eine Mehrheit erzielen kann. SPD und Grüne werfen Merz vor, damit sein Wort gebrochen zu haben. Denn der CDU-Chef hatte im November noch im Bundestag ausgeschlossen, genau solche Mehrheiten zu bilden.

Merz’ vehementes Dementi

Mützenich und Merz wird eigentlich ein gutes Verhältnis nachgesagt. Als Merz ans Mikrofon tritt, wirft er dem SPD-Fraktionschef vor, nicht die Perspektive der Opfer einzunehmen, die in Magdeburg und Aschaffenburg Opfer der Gewalttaten von Migranten geworden sind. Merz sagt, er lasse sich nicht in die Nähe der AfD rücken. „Von meiner Partei aus reicht niemand der AfD die Hand“, sagt Merz. Es gibt Gelächter auf der linken Seite des Plenums.

Es ist eine laute Debatte an diesem Tag im Parlament – voller gegenseitiger Vorwürfe. Und mit unterschiedlichen Versionen der Realität. Die FDP hatte zunächst vorgeschlagen, den Gesetzentwurf zurück in den Innenausschuss zu überweisen. Das hätte bedeutet: Zeit für Verhandlungen mit der Chance, dass Union, FDP, SPD und Grüne sich einigen. Die Sitzung des Bundestags soll nur kurz unterbrochen werden, damit die Union sich beraten kann. Es kommt noch einmal zu Gesprächen zwischen den Fraktionsvorsitzenden. Am Ende dauert die Unterbrechung mehrere Stunden. Ein gemeinsames Ergebnis gibt es nicht. Mützenich betont, SPD und Grüne wären zur Überweisung in den Ausschuss bereit gewesen. CDU und FDP werfen ihnen wiederum vor, keine echte Veränderungsbereitschaft signalisiert zu haben. Danach kommt es zum Schlagabtausch im Bundestag.

AfD: Union ist „unglaubwürdig“

In der Sache geht es eigentlich um das Zustrombegrenzungsgesetz. Es sieht unter anderem vor, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte aufzuheben. Ziel ist auch, die Befugnisse der Bundespolizei zu erweitern. Und zwar dahingehend, dass sie vollziehbar Ausreisepflichtige auch ohne Genehmigung der Ausländerbehörden in Abschiebehaft nehmen und unter bestimmten Bedingungen Zurückschiebungen vornehmen kann. Außerdem soll das Ausländeraufenthaltsgesetz wieder dahingehend umformuliert werden, dass es auf die Begrenzung des Zuzugs von Ausländer zielt.

Das ist für SPD und Grüne schwer hinzunehmen. Sie wiederum dringen darauf, Union und FDP sollten ihr Sicherheitspaket mittragen. Und sie wollen eine schnelle Umsetzung der europäischen Asylrechtsreform. Auch hier keine Einigung.

Die Frage des Herrn Banaszak

Die AfD wirft der Union vor, sie sei in der Migrationspolitik „unglaubwürdig“. Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Bernd Baumann, beschuldigt Merz, „zu zaudern und zu tänzeln“.

Am Ende unternehmen SPD und Grüne noch einen letzten Anlauf mit einem Antrag, das Gesetz für weitere Gespräche doch in den Innenausschuss zu überweisen. Doch ihr Vorhaben bekommt keine Mehrheit. Zum Schluss dann die überraschende Wendung: Der Gesetzentwurf wird, trotz erwarteter Mehrheit, abgelehnt. Es gibt nur 338 Ja-Stimmen und 350 Nein-Stimmen. An Friedrich Merz werden sich in den kommenden Tagen viele Fragen richten.

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Erstellt:
31. Januar 2025, 17:54 Uhr
Aktualisiert:
31. Januar 2025, 18:45 Uhr

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