Katholische Kirche
Der Papst besucht Belgien in schwierigen Zeiten
Mitgliederschwund und Missbrauchsskandale erschüttern die katholische Kirche in Belgien. Der Jubel über die Visite des Pontifex ist deshalb verhalten.
Von Knut Krohn
In Brüssel werden wieder einmal Straßensperren aufgebaut. Routiniert nehmen die Einwohner die Unannehmlichkeiten in Kauf. Erstaunen ruft allerdings hervor, dass dieses Mal nicht Europas Staatenlenker zu einem EU-Gipfel erwartet werden. Papst Franziskus wird von Freitag bis Sonntag Belgien einen Besuch abstatten. Zuvor stand am Donnerstag noch eine Kurzvisite im benachbarten Luxemburg auf dem Programm.
Einen rauschenden Empfang kann der Pontifex allerdings nicht erwarten. Die katholische Kirche hat in Belgien seit Jahren einen sehr schweren Stand. Nur noch jeder zweite Belgier bezeichne sich als Katholik, ergab eine Umfrage des Senders RTL info. Und von dieser Gruppe besuche nicht einmal jeder zehnte wenigstens einmal im Monat einen Gottesdienst. Für Belgien hat das auch als Staat fatale Folgen. Denn die Kirche war immer ein wichtiger Faktor für den Zusammenhalt zwischen Flamen und Walonen. Doch die in der älteren Generation noch stark verankerte Volksfrömmigkeit war ist längst verloren gegangen.
Zwei Treffen mit Studierenden in Löwen
Diese zunehmende Säkularisierung, die sich nicht nur auf Belgien beschränkt, dürfte eines der zentralen Themen sein, wenn Franziskus am Freitag und am Samstag Studierende und Dozenten der flämischen Katholieke Universiteit Leuven und der französischsprachigen Université Catholique in Louvain-la-Neuve trifft. Eigentlicher Anlass des Papst-Besuchtes ist das 600-jährige Bestehen der Katholischen Universität Löwen. Sie gilt noch heute als eine europaweit renommierte Stätte der wissenschaftlichen Theologie.
Kritik an Umgang mit Missbrauchsopfern
Ein besonders heikler Punkt der Reise wird die Auseinandersetzung mit den zahlreichen Missbrauchsskandalen, die auch die belgische Kirche in den vergangenen Jahren schwer erschüttert haben und das Ansehen und die gesellschaftliche Relevanz der Kirche dramatisch sinken ließen. Auf dem Programm steht ein Gespräch des Papstes mit 15 Missbrauchs-Betroffenen. Das soll allerdings unter dem Siegel strengster Diskretion geschehen, eine Form der Aufarbeitung, die nicht alle gutheißen. Ihn erinnere ein solches Treffen an das System des Missbrauchs selbst, zitierte der belgische Sender „sudinfo“ den Priester Rik Deville. „Opfer werden wieder in ihre frühere Rolle gepresst, aus der nichts nach außen dringen konnte“, kritisiert der Ordensmann und Gründer der Arbeitsgruppe „Menschenrechte in der Kirche“. Breiter bekannt wurde der Priester, als im vergangenen Jahr eine TV-Dokuserie des Senders VRT namens „Godvergeten“ (Gottvergessen) für große Debatten sorgte. Grundlage dafür war die Arbeit von Rick Deville.
Papst-Messe im Stadion als Abschluss der Reise
Die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle wird allerdings nicht allein der Kirche überlassen. In diesen Tagen gab der Justizausschuss in der Ersten Kammer des belgischen Bundesparlaments grünes Licht für die Einsetzung eines weiteren parlamentarischen Ausschusses zum sexuellen Missbrauch in der Kirche. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode hatte es einen solchen Gremium gegeben.
Höhepunkt für Zehntausende Papst-Fans wird schließlich am Sonntag die Abschlussmesse im Brüsseler König-Baudouin-Stadion. Bei der Feier spricht Franziskus die spanische Karmeliterin Anna von Jesus (1545-1621) selig. Die Messe fällt auf den katholischen Welttag der Migranten und Flüchtlinge. Papst Franziskus dürfte sich bei der Messe diesem Thema und der damit einhergehenden sozialen Ungleichheit breit widmen.