Was geschah am . . . 8. Januar 1455?

Der Papst überträgt Portugals König Afrika für Handel und Sklaverei

Unter den Königen aus dem Hause Avis, die das Land bis 1580 regierten, stieg Portugal zur Weltmacht auf. Durch die portugiesischen Entdecker und Eroberer schaffte sich das kleine Land ein Kolonialreich und wurde durch den lukrativen Indien-Handel zu einer führenden Handelsmacht Europas.

Vasco da Gama (re.kniend vor dem König) wird 1497 vom portugiesischen König Manuel I. (ganz re.) mit der Entdeckungsreise nach Indien beauftragt.

© Imago/GRANGER Historical Picture Archive

Vasco da Gama (re.kniend vor dem König) wird 1497 vom portugiesischen König Manuel I. (ganz re.) mit der Entdeckungsreise nach Indien beauftragt.

Von Markus Brauer/dpa

Der 8. Januar 1455 ist ein Datum für die Geschichtsbücher -  auch wenn das zugrundliegende Ereignis heute unverständlich und diskriminierend erscheinen mag: In der Bulle „Romanus Pontifex“ (Bezeichnung für Urkunden, die wichtige päpstliche Rechtsakte verkünden) überträgt Papst Nikolaus V. (1447-1455) dem portugiesischen König Alfons V. (1432-1481), dessen Onkel Heinrich dem Seefahrer (1394-1460) sowie ihren Nachkommen ganz Afrika, das alleinige Schifffahrtsrecht dort, das Handelsmonopol und das Recht, „Ungläubige“ in die Sklaverei zu führen.

Feinde des Christentums sollen überfallen und versklavt werden

Die päpstliche Bulle lobt die Verdienste Heinrichs des Seefahrers im Kampf gegen die Sarazenen (im christlichen Europa eine Sammelbezeichnung für sämtliche islamisierte Völker) und bei der Ausbreitung des Christentums. König Alfons V., seinen Nachfolgern und dem Infanten Heinrich (Titel, der seit dem 13. Jahrhundert von den Kindern der spanischen und portugiesischen Monarchen getragen wird), wird das Recht zugesprochen, die Sarazenen, Heiden und anderen "Feinde" des Christentums zu überfallen, sie "auf ewig" zu Sklaven zu machen und ihren Besitz zu nehmen.

Außerdem wird Portugal das alleinige Recht auf die bisher erworbenen Gebiete und neue Eroberungen hinter Kap Bojador ( Vorgebirge an der Nordwestküste Afrikas, südlich der Kanarischen Inseln, das zur heutigen Westsahara gehört) zugesprochen. Im Gegenzug sollen in den neuen Kolonien Kirchen und Klöster gebaut werden.

Vasco da Gama findet Seeweg nach Indien

Nachdem Vasco da Gama (1469-1524) im Jahr 1498 den Seeweg nach Indien entdeckt hatte, konzentrierten sich die Portugiesen mehr als vier Jahrzehnte lang auf den Handel mit Südostasien. Dabei hatten die portugiesischen Seefahrer im 16. Jahrhundert kaum Konkurrenz zu fürchten. Das änderte sich erst mit der Gründung der Niederländischen Ostindien-Kompanie im Jahr 1602.

Die Nachricht, die das Weltbild Europas maßgeblich verändern sollte, traf erst mit gut einem Jahr Verspätung am Hof von Lissabon ein. Generalkapitän Vasco da Gama hatte am 20. Mai 1498 den Seeweg nach Indien gefunden. Es sollte bis zur Eröffnung des Suezkanals 371 Jahre später die wichtigste maritime Verkehrsader zwischen den Kontinenten bleiben. Für Portugal bedeutete die Entdeckung den Aufstieg zur Weltmacht.

An der südwestindischen Küste bei Calicut, so verzeichnete es das Bordbuch der Armada, gingen an jenem Tag drei portugiesische Schiffe vor Anker. Der Hafen galt als bedeutender und mächtiger Handelsplatz, den vor allem arabische Händler ansteuerten. Diese kontrollierten damals praktisch den gesamten Handel auf den Landwegen zwischen Asien und Europa.

Gier nach märchenhaftem Reichtum Asiens

Die führenden europäischen Seemächte Spanien und Portugal suchten daher nach dem Seeweg in den märchenhaft reichen Osten, aus dem die begehrten Gewürze und viele andere edle Produkten kamen. Asien war im damaligen Weltbild der Europäer ein geheimnisvoller Kontinent, von dem nur wenige Gelehrte und Kaufleute – darunter Marco Polo (1254-1324) – berichteten und Neugierde erweckten.

Die Öffnung der maritimen Route war auch die Triebfeder für die Reise des Seefahrers Christoph Kolumbus (1451-1506) in spanischen Diensten 1492 gewesen. Er verfehlte allerdings eigentliches sein Ziel und entdeckte den amerikanischen Kontinent. Vasco da Gama verfolgte konsequent die in Lissabon entwickelte These, dass Asien auf der Fahrt ostwärts um die Südspitze Afrikas erreichbar sein müsse.

Schon seit dem Jahr 1416 schickten die portugiesischen Herrscher ihre Segelschiffe entlang der unbekannten und gefürchteten Küste Afrikas gen Süden. Im Jahr 1474 überquerten die Seefahrer erstmals den Äquator, 1488 umrundete Bartholomäus Dias (1450-1500) als erster Europäer das Kap der Guten Hoffnung.

Mit 170 Mann zum Indischer Ozean

Mit vier Schiffen machte sich Vasco da Gama am 8. Juli 1497 auf Befehl König Manuels I. (1469-1521) auf die lange und beschwerliche Reise, um den Seeweg ins reiche Indien zu öffnen. Der Monarch traf die Entscheidung gegen die Empfehlung seines Kronrates.

Der 120 Tonnen schwere Dreimaster „Sao Gabriel“, Flaggschiff da Gamas, und die gleich große „Sao Rafael“ mit jeweils 20 Kanonen an Bord liefen unter dem Jubel der Bevölkerung aus, begleitet von der kleineren Karavelle „Berrio“ und einem 200 Tonnen großen Versorgungsschiff. An Bord befanden sich 170 Mann Besatzung, viele davon erfahrene Männer, die schon manche gefährliche Reise in Richtung „Südmeer“ miterlebt hatten.

Ende Dezember 1497 erreichten die Segler die Küste bei Natal in Südafrika und am 7. April den ostafrikanischen, von arabischen Händlern beherrschten Hafen von Mombasa. Am 24. April 1498 schließlich setzte Vasco da Gama im etwas nördlicher gelegenen Malindi Segel zur Fahrt über den Ozean zur indischen Küste. Zur Unterstützung hatte er einen arabischen Navigator an Bord genommen.

Spannungen mit arabischen Kaufleuten

Die arabischen Händler im indischen Calicut (heute Kozhikode) zeigten sich über das Eintreffen der Fremden schockiert. Sie fürchteten um ihr Monopol. Die Spannungen zwischen den Portugiesen und den muslimischen Geschäftsleuten veranlassten den lokalen Herrscher Samorin, einen Handelsvertrag mit den Europäer abzulehnen.

Die Europäer rächten sich später grausam für diese Entscheidung, die Vasco da Gamas und Portugals Verdienste schmälerten. Denn die Fahrten sollten – außer dem Erschließen neuer Gebiete – handfeste materielle Vorteile und Zusagen bringen.

Im Spätsommer verließ Vasco da Gama den Hafen Calicut ohne eine Niederlassung errichtet zu haben. Die Rückfahrt verlief tragisch. Etwa drei Monate brauchten die Schiffe bei Flaute bis zur afrikanischen Küste, zahlreiche Besatzungsmitglieder starben, vor allem an der Vitamin-Mangelkrankheit Skorbut. Der Generalkapitän musste sogar ein Schiff aufgeben, da nicht mehr genügend Seeleute zur Verfügung standen. Vom Versorgungsschiff hatte er sich schon auf der Hinfahrt getrennt.

Sicherung von Machtansprüchen im Indischen Ozean

Als Vasco da Gama im September 1499 in Lissabon eintraf, bereitete ihm die Bevölkerung einen begeisterten Empfang. Ein Kurier hatte den Hof bereits unterrichtet. Der König erhob den Seefahrer in den Adelsstand und machte ihn zum Admiral. Dieser nahm 1502 mit einer weit größeren Flotte wieder Kurs auf Calicut. Sein Auftrag: Sicherung der Machtansprüche Portugals im Indischen Ozean.

Der Edelmann zeigte sich dabei von seiner brutalen Seite. Er brachte einen arabischen Segler mit Passagieren an Bord – angeblich waren es 200 bis 400  Menschen – vor der Küste auf. Seine Mannschaften holten alle Waren von Bord, ehe sie das Schiff mit allen Personen in Brand steckten. Anschließend nahmen sie mit den Bordkanonen Calicut unter Beschuss. Die lokalen Herrscher waren fortan aus Furcht zur Zusammenarbeit mit Portugal bereit.

Absetzung und Vizekönig

Nach seiner Rückkehr im November 1503 gab es keinen neuen Auftrag für Vasco da Gama. Der Seefahrer und Entdecker fühlte sich trotz materieller Zuwendungen und Privilegien um seinen Lohn betrogen, da andere Männer als Vizekönige im neuen Reich Portugals herrschten.

Erst König Manuels Nachfolger Johann III. (1502-1557) schickte Vasco da Gama im Frühjahr 1524 wieder nach Indien, wo inzwischen in der Kolonialverwaltung die Korruption blühte und zahlreiche Missstände herrschten.

Der neue Vizekönig griff sofort mit eiserner Hand durch. Seine Regentschaft dauerte aber nur kurz. Am Weihnachtsabend des selben Jahres starb er 1524. Portugals koloniales Netz in Asien erstreckte sich zu diesem Zeitpunkt schon bis Malakka im heutigen Malaysia und bis Macau.

Zum Artikel

Erstellt:
5. Januar 2025, 12:46 Uhr
Aktualisiert:
5. Januar 2025, 17:25 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen