Der reitende Forstmeister
Spaziergänger, Radfahrer, Wanderer, Kneipper – alle kennen den Theodor-Hepp-Brunnen und die Hepp-Seen. Aber wer der Mann war, dessen Name hier erscheint, das ist kaum bekannt. Im Backnanger Jahrbuch 2020 bringt Gerhard Fritz Licht ins Dunkel.

© Jörg Fiedler
Der Theodor-Hepp-Brunnen erinnert an den Reichenberger Forstamtsleiter. Vor zwei Jahren wurde dort ein Bronzerelief angebracht, das den Forstmeister hoch zu Ross zeigt. Foto: J. Fiedler
Von Armin Fechter
OPPENWEILER. „Eine der markantesten Gestalten, die es jemals im Forstdienst der Region und weit über diese hinaus gegeben hat.“ Das konstatiert Fritz gleich zu Beginn seines Jahrbuchbeitrags, bei dem es sich, genau genommen, um eine kommentierte Edition der Lebenserinnerungen Hepps handelt. Die Texte hat der Reichenberger Forstamtsleiter kurz vor seinem Lebensende – er ist 1953 gestorben – geschrieben. Sie spiegeln nicht nur erstaunliche militär- und sozialgeschichtliche Facetten, sondern haben dabei auch, wie der Murrhardter Historiker und frühere Backnanger Stadtarchivar Fritz urteilt, „Unterhaltungswert“.
Der erste Teil dieser Lebenserinnerungen umfasst die Zeit bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs und beschäftigt sich mit Hepps privatem, beruflichem und militärischem Leben. Wie nebenbei erhält man Einblicke in die Welt des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts.
Hepp wurde 1876 in Hirsau als Sohn des Oberförsters Ernst Hepp geboren. Er kam schon als Kind viel herum und begegnete unter anderem der Familie des Grafen Zeppelin, eine Bekanntschaft, die später tragische Züge annehmen sollte. Hepp: „Wer hätte damals gedacht, dass ich 25 Jahre später dem alten Grafen Zeppelin in der traurigsten Stunde seines Lebens bei dem Unglück in Echterdingen den Hergang des Unglücks schildern würde, als ich den letzten, vom brennenden Flugzeug abspringenden Monteur zu einem Auto trug und der von Echterdingen herfahrende Graf, mit Tränen in den Augen, mich über den Hergang der Katastrophe befragte.“ Hepp war Zeuge des schrecklichen Luftschiffabsturzes vom 5. August 1908.
Mit Hermann Hesse zusammen auf Forellenfang in der Nagold.
Mit dem Dichter Hermann Hesse verband Hepp eine Kinderfreundschaft: „Zu den schönen Erinnerungen aus jener Zeit, meiner Jugendzeit, gehören auch die Besuche in dem Hesseschen Haus in Calw. Meine Mutter war mit Frau Hesse befreundet und diese Freundschaft brachte manche Anregung ins Haus. Hermann Hesse war häufig mein Spiel- und Schulkamerad und wir bemühten uns beim Forellenfangen in der Nagold möglichst schöne Angelruten zu machen, da wir beide derselben Leidenschaft frönten.“
Hepp traf durch seine Laufbahn zahlreiche prominente Persönlichkeiten, darunter die württembergische Königsfamilie und der deutsche Kaiser, aber auch Winston Churchill, der spätere britische Premierminister. Letzterem begegnete er völlig unerwartet bei einem Kaisermanöver 1912. Churchill begleitete damals als Adjutant das britische Regierungsmitglied Lord Richard Haldane.
Eine besondere Leistung vollbrachte Hepp gegen Ende des Ersten Weltkriegs. Er führte als einfacher Hauptmann ein ganzes Regiment von Mazedonien mitten durch die von Soldatenräten beherrschten Balkanländer, die als Hexenkessel voll Hass und Feindschaft galten, in die Heimat zurück – in voller Ausrüstung.

Auf dem Pferd statt im Dienstwagen: So war Theodor Hepp unterwegs. Fotos: Ursula Gina Häffner
Offiziell war er da – nach Studium und verschiedenen Stationen im Forstdienst – längst Leiter des Forstamts Reichenberg. 1915 wurde er ernannt. Kriegsbedingt konnte er seinen Dienst aber erst am 1. Januar 1919 antreten. Am 31. Dezember 1948 trat er in den Ruhestand. Damit war er genau 30 Jahre lang amtierender Forstmeister auf dem Reichenberg.
Vor der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 war Hepp Mitglied der Deutschen Volkspartei und auch deren Landtagskandidat. 1946 wurde er als Einziger seines Berufsstandes Mitglied der Verfassungsgebenden Landesversammlung in Württemberg-Baden.
„Dann kommen Sie morgen früh in mein Büro.“
Und während der Nazijahre? „Beinahe“, so berichtet seine in Oppenweiler lebende Enkelin Ursula Gina Häffner, „wäre seine Laufbahn und vielleicht sein Leben schon früh zu Ende gewesen.“ Als nämlich die Forstleute 1934 bei einem ihrer regelmäßigen Treffen, Forstkranz genannt, in Stuttgart gerade fröhliche Jägerlieder sangen, öffnete sich die Tür und eine Abteilung SA-Leute kam herein. Ob sie sich dazusetzen dürften, fragten sie. Das wurde gestattet. Am Ende fragte der Anführer: „Wie war doch Ihr Name? Hepp? Dann kommen Sie morgen früh in mein Büro.“ Dort zeigte der Gauleiter ihm das Aktenbündel, das von ihm angelegt worden war – und verbrannte es vor seinen Augen mit dem Hinweis, dass er Hepps Bravourtat im Krieg großen Respekt zollte. Sechs Wochen danach soll dieser Mann im Zuge des Röhm-Putsches selbst liquidiert worden sein. Später hat wohl auch, wie die Enkelin weiter berichtet, in Oppenweiler der Ortsgruppenleiter seine schützende Hand über den populären Forstmeister gehalten. Denn Hepp schimpfte des Öfteren auch lauthals gegen Hitler – „diesen Verbrecher“.

Beim Kaisermanöver 1912. Ein kleiner Pfeil deutet auf Theodor Hepp, der als Reserve-Offizier mit Kameraden von der Schießschule Jüterbog an der Übung teilnahm.
Legendär ist Hepps Vorliebe für Wein. Augenzwinkernd berichtet er in seinen Erinnerungen, wie sein Großvater einmal zu ihm sagte: „Guck Junge, Du kannst in Deinem Leben Wein trinken, so viel Du willst, es schadet Dir nichts, aber trink nur immer vom Allerbesten und ja keinen schlechten.“ Hepp fährt fort: „Das habe ich natürlich nie vergessen.“
Eine Anekdote, die heute noch erzählt wird, rankt sich um das Dienstpferd, mit dem Hepp – auf einen Dienstwagen hatte er verzichtet – unterwegs war. Das kluge Tier fand nämlich, wenn der Reiter zu viel getrunken hatte, den Weg nach Hause nächtens ganz alleine. Nur einmal nicht: Da trottete es durch die Eingangstür der katholischen Kirche, wo man den Forstmeister dann schlafend fand.
An Hepp erinnert der vom Strümpfelbacher Ehrenbürger Paul Reusch gespendete Theodor-Hepp-Brunnen, der am 14. November 1954 in Gegenwart der Witwe Renée Hepp der Öffentlichkeit übergeben wurde. Vor zwei Jahren wurde die Anlage auf Initiative der Enkelin Ursula Gina Häffner um ein Relief ergänzt, das den Forstmeister hoch zu Ross zeigt.
Backnanger Jahrbuch, Band 28, 2020, Fr.-Stroh-Verlag, Backnang. 18,50 Euro
im Buchhandel und bei der Backnanger Kreiszeitung. ISBN 978-3-927713-65-9.