Der Schneemann weckt das Kind in jedem
Wenn Schnee fällt, bauen Jung und Alt seit Generationen begeistert Schneemänner. Zum dritten Mal gibt es in Kirchberg in diesem Winter die Schneemann-Challenge. Die Bedingungen waren bislang dürftig, am heutigen Welttag des Schneemanns sind die Aussichten besser.

Ein Prachtexemplar von Schneemann hat Philipp Urban mit seiner Tochter und einer weiteren Vater-Tochter-Konstellation im Winter 2010 bei Erbstetten gebaut. Um die oberste Kugel zu positionieren, haben die Männer eine Rampe verwendet. Foto: Philipp Urban
Von Nicola Scharpf
Kirchberg an der Murr/Backnang. Drei Kugeln aus Schnee, Kohlen oder Kiesel als Augen und Mund, eine Karotte als Nase, ein Topf als Hut, Äste als Arme und schon erstrahlt in winterlicher Pracht ein Schneemann. Schneemänner gehören vermutlich neben Christkind und Weihnachtsmann zu den beliebtesten Winterfiguren weltweit. Die Sportvereinigung Kirchberg hat einen Wettbewerb für Familien und ihre frostigen Freunde geschaffen: Bei der Schneemann-Challenge, die in diesem Winter zum dritten Mal ausgerufen wurde, geht es darum, einen sportlichen Schneemann zu bauen und ein Foto davon beim Verein einzureichen. Der beste Schneemann wird zum Schluss als Sieger geehrt. Aber Prämierung hin oder her und Welttag des Schneemanns hin oder her, was alle Schneemannbauer generationenübergreifend eint, ist die Begeisterung für das zweckfreie Tun. Schneemannbauen macht halt einfach Spaß!

Philipp Klenk hat bei der Kirchberger Challenge den wenigen Schnee, den es im letzten Winter gab, zusammengekratzt und einen Schneemann beim Sonnenbaden gebaut. Für seine Mama Monika Klenk zählt beim Schneemannbau vor allem der Spaß. Foto: Monika Klenk
„Da werde ich sofort wieder zum Kind“, sagt zum Beispiel Monika Klenk, die zusammen mit ihrem Mann und den beiden Söhnen bereits zweimal an der Challenge der Sportvereinigung teilnahm. „Selbst die Oma wird auch noch zum Kind“, begeistert sich Klenk für „alles, was mit Schnee zu tun hat. Schnee mag in meiner Familie wirklich jeder.“ Für einen guten Schneemann, findet sie, ist nicht nur die Konsistenz des Schnees wichtig und eine gute Idee zu haben, sondern „viel macht der Spaß aus“. „Es ist toll, wenn das so ein Familienprojekt wird, man Zeit miteinander verbringt und etwas erschafft. Man weiß gar nicht: Macht es den Eltern mehr Spaß oder den Kindern?“, sagt Jasmin Piesch, die als Abteilungsleiterin des Jugendturnens im Verein die Challenge ins Leben gerufen hat. Im WhatsApp-Status eines Bekannten hatte sie im schneereichen Lockdown-Winter 2020/2021 einen Schneemann im SVG-Trikot gesehen und sich gedacht: „Das können die Kinder nicht allein gewesen sein.“ Also startete sie, um Kontakt zu den Vereinsmitgliedern zu halten, die vereinsinterne Challenge. Es gab 25 sportliche Einsendungen – vom Schwimmerschneemann mit Flossen und Taucherbrille über den Tennisspielerschneemann und den Fußballerschneemann bis zum Schneemann auf einem Skateboard und jenem im Handstand oder Spagat. Im vergangenen Winter, in dem es der Wettergott mit nur einem Schneetag nicht gut mit den SVG-Mitgliedern meinte, wurden auch immerhin sechs Schneemannfotos eingeschickt. Und in diesem Winter, als Piesch am 14. Dezember den Wettbewerb startete, war das erste Foto schon eine halbe Stunde nach dem Aufruf eingeschickt – vom Schneemann eines Mutter-Kind-Projekts.
Bei Philipp Urban war im Winter 2010, als es Schnee im Überfluss gab, der Ehrgeiz auch ohne Wettbewerb geweckt: Auf einem Schlittenhügel bei Erbstetten hat er zusammen mit seiner Tochter und einer befreundeten Vater-Kind-Konstellation einen Schneemannriesen gebaut. Er erinnert sich noch gut daran: „Das war schon ein bisschen ein Kraftakt.“ Um die oberste Kugel in Position zu bringen, haben die beiden Männer mit einer Rampe gearbeitet. „Wir hatten schon den Ehrgeiz, den Größten zu bauen.“ Für die Erwachsenen soll der Schneemann möglichst groß sein, die Kinder sind eher für die Details zuständig, beschreibt Urban die Arbeitsaufteilung. Seine Kinder sind mittlerweile Jugendliche und aus dem Alter des Schneemannbauens „hinausgewachsen“. „Wir praktizieren es aber weiter und bauen eher Schneefiguren, zum Beispiel mal einen Hasen oder eine Meerjungfrau.“ Trotz ihrer Coolnessphase, „da machen die beiden dann schon mit“. Für Philipp Urban sind mit dem Schneemannbauen Kindheitserinnerungen verbunden. „Das zieht sich durch die Kindheitswinter, genauso wie ein Iglu zu bauen, wenn es viel Schnee gab. Bei wenig Schnee habe ich kleine Schneemänner aus handgroßen Kugeln für die Fensterbank gebaut.“

© Rolf Kuschnertschuk
Dieser Eintagsschneemann ist Ende Februar 2020 entstanden und symbolisiert den schweren Stand des Schneemanns in Zeiten der Klimaerwärmung. Foto: Rolf Kuschnertschuk
Schneemannbauen ist mehr als zweckfreie Freude. Wer einen Schneemann baut, bekommt frische Luft, bringt den Kreislauf in Schwung, trainiert die Muskeln, verbrennt Kalorien und schüttet Glückshormone aus. Der Schneemann ist außerdem ein Symbol für Vergänglichkeit. Schließlich schmilzt selbst der stabilste und frostigste Geselle irgendwann. Und wenn die Winter wegen der Klimaerwärmung immer milder werden, gehört der Schneemann in hiesigen Gefilden dann wohl auf die Liste der aussterbenden Arten. Spätere Kindergenerationen könnten Schneemänner nur noch aus Bildern, Videos und Erzählungen kennen. Die Tradition und das Wissen vom Schneemannbauen könnten verloren gehen. Wie schade! Drum, Familien und Generationen vereinigt euch, rollt den Schnee – so denn vorhanden – zu Kugeln und baut, was das Zeug hält. Warum? Aus Spaß an der Freud.
Das Datum Dass der Welttag des Schneemanns der 18. Januar ist, hat Gründe: Die „8“ sieht aus wie ein kleiner Schneemann. Die „1“ erinnert an den Stock oder Besen, den er oft in der Hand hält. Und im Januar ist die Chance auf Schnee am größten. Der Ehrentag existiert seit 2010.
Der Initiator Cornelius Grätz aus Reutlingen hat den Welttag des Schneemanns ins Leben gerufen. Seiner Meinung nach ist der Schneemann der perfekte Botschafter: Er ist auf der ganzen Welt als Wintersymbol bekannt, selbst dort, wo es keinen Schnee gibt. Er ist unpolitisch und ohne religiösen Hintergrund. Grätz gehört Deutschlands und wahrscheinlich auch Europas größte Schneemannsammlung mit rund 5000 Objekten.
Der erste Schneemann Der US-Cartoonist und Journalist Bob Eckstein stieß auf einen Schneemann in einem christlichen Gebetbuch von 1380. Mit einer frühen Überlieferung zu einer realen Figur aus Schnee wird Michelangelo in Verbindung gebracht: Der Maler und Bildhauer soll in den 1490er-Jahren eine Schneefigur gestaltet haben.
Das größte Exemplar 2020 hat ein wahrer Koloss von über 38 Metern den Sprung ins Guinnessbuch der Rekorde geschafft und der österreichischen Steiermark den Rekord beschert.