Der Steinkrebs kämpft ums Überleben

Im Naturpark gibt es die selten gewordene heimische Tierart noch, doch sie ist durch den nordamerikanischen Signalkrebs und die über ihn verbreitete Krebspest bedroht. Ein Projekt und Landesgelder sollen die Populationen und ihr Gebiet oberer Wasserläufe über Sperren schützen.

Der acht bis zehn Zentimeter große Steinkrebs kommt (noch) im gesamten Keuper-Bergland vor, wie eine Untersuchung des Regierungspräsidiums nachwies. Es erstreckt sich über sieben Landkreise, unter ihnen der Rems-Murr-Kreis. Fotos: Benjamin Waldmann/Regierungspräsidium Stuttgart

© Benjamin Waldmann

Der acht bis zehn Zentimeter große Steinkrebs kommt (noch) im gesamten Keuper-Bergland vor, wie eine Untersuchung des Regierungspräsidiums nachwies. Es erstreckt sich über sieben Landkreise, unter ihnen der Rems-Murr-Kreis. Fotos: Benjamin Waldmann/Regierungspräsidium Stuttgart

Von Christine Schick

Murrhardt/Rems-Murr. Der Steinkrebs ist mit seinen acht bis zehn Zentimetern ein kleiner Kerl, sein Panzer schimmert mal beige-grau, mal olivgrün-braun. Der dämmerungs- und nachtaktive Krabbler versteckt sich tagsüber in Höhlen, die er am Ufer gräbt, oder unter Steinen und Wurzeln im Wasser. Als Allesfresser ernährt er sich von Pflanzen, Insekten, Schnecken und anderen Weichtieren genauso wie von Aas und kommt in strukturreichen, sommerkalten Fließgewässern mit guter Wasserqualität vor. Zu Hause ist er auch in den Bächen und Flüssen des Naturparks Schwäbisch-Fränkischer Wald. Allerdings muss befürchtet werden, dass sich dies bald ändern könnte. Steinkrebse sind europaweit durch Veränderungen ihres Lebensraums und Verdrängung durch invasive Arten stark gefährdet. Waren es früher vor allem die Eingriffe in Gewässer wie Begradigungen oder radikaler Sohl- und Uferausbau, die dem Steinkrebs den Lebensraum genommen haben, kamen später Gewässerverschmutzungen durch Abwässer und Einträge von landwirtschaftlichen Nutzflächen hinzu. Aktuell stellen invasive, gebietsfremde Flusskrebsarten die größte Bedrohung dar.

Franziska Hornung vom Naturparkteam, die im Team den Themenbereich Biodiversität und ein aktuelles Projekt zum Schutz der Tiere begleitet, verweist auf einen Beitrag des Verbands Deutscher Naturparke, in dem erläutert wird: „Besonders problematisch für unsere Steinkrebse ist der aus Nordamerika stammende Signalkrebs. Er ist deutlich größer als der Steinkrebs und dringt rasch bis in die Quellregionen der kleinen Fließgewässer vor.“ Dieser ist aber nicht allein als Konkurrent gefährlich, sondern auch als Überträger der Krebspest. „Kommen unsere Krebse wie der Steinkrebs mit der Krebspest in Kontakt, beginnt ein Massensterben, welches binnen Wochen ganze Populationen unwiederbringlich auslöschen kann. Die Krankheit wird meist dann übertragen, wenn invasive Krebsarten mit heimischen Arten im Gewässer in Berührung kommen.“ Weitere mögliche Übertragungswege sind nasse Kleidung, Angelutensilien sowie andere Tiere.

Da im Naturpark noch meist isolierte Steinkrebspopulationen vorkommen, will man dort nun mit dem Aktionsprogramm Steinkrebs aktiv werden, das das Regierungspräsidium Stuttgart ins Leben gerufen hat und das mit Landesgeldern gefördert wird. Grundlage in der Region war 2020 eine Untersuchung an 26 Gewässern im Rems-Murr-Kreis sowie den Landkreisen Aalen, Ludwigsburg und Schwäbisch Hall. Seit einiger Zeit ist klar, dass sogenannte Krebssperren eine Erfolg versprechende Schutzstrategie sind. Diese wurde erstmals 2014 im Kreis Ludwigsburg umgesetzt. Durch Barrieren, deren Oberflächen glatt und rutschig sind, werden Signalkrebse gehindert, in die oberen Flussläufe und Gebiete der Steinkrebse vorzudringen. Hilfreich kann zudem eine serielle Anordnung von mehreren Sperren sein, um die Infektionskette der Krebspest zu unterbrechen. Von 95 untersuchten Sperrstandorten haben sich 52 als realisierbar erwiesen, 26 hat das beauftragte „Büro am Fluss“ eindeutig empfohlen.

Franziska Hornung berichtet, dass die Fachleute einige Kommunen und Gewässer mit einer hohen Dringlichkeit eingestuft haben und raten, dort Krebssperren zu installieren. „Das heißt, in diesen Gewässern kommen noch Steinkrebse vor, doch die Signalkrebsfront ist nah an sie herangerückt.“ Dies betrifft die Stadt Murrhardt und die Gemeinden Auenwald, Sulzbach an der Murr, Spiegelberg, Oppenweiler sowie Berglen. Hornung erklärt, dass es grundsätzlich zwei Arten von Krebssperren gibt – solche, die über bestehende Abstürze beispielsweise durch das Anbringen von Blechen an Verdohlungen schnell umgesetzt werden können, sowie Neubauten, beispielsweise durch längere Rohre mit rutschiger, unpassierbarer Oberfläche. Empfohlen werden außerdem ein Umwanderungsschutz, regelmäßige Kontrolle und Wartung der Sperren (bei Vermosung und Veralgung gibt es wieder Klettermöglichkeiten für Signalkrebse), Doppelsperren sowie Monitoring- und Managementmaßnahmen wie die Entnahme der invasiven Krebsarten durch die Fischereibehörde. „Da die Signalkrebse rasch vorankommen, wäre eine baldige Maßnahme empfehlenswert“, sagt Franziska Hornung. Den Anfang machen vermutlich die Nachbarn: In Fichtenberg (Kreis Schwäbisch Hall) liefen schon 2014 Untersuchungen. Die Gemeinde hat für den Bau der Krebssperren einen Förderantrag beim Naturpark gestellt und plant nun die Installation. Auch in Murrhardt wird man auf das Naturparkteam zugehen, berichtet Bürgermeister Armin Mößner. In Oppenweiler liefen bereits Vorplanungen, in Berglen zeigt sich der Handlungsdruck: Bei einem Ortstermin mit Vertretern von Regierungspräsidium und Landratsamt wurde klar, dass Signalkrebse bereits an die geplanten Sperrstandorte vorgedrungen waren. Nun heißt es dort, nach einem alternativen Standort bachaufwärts zu suchen, erläutert Andrea Panitz, Pressereferentin des Regierungspräsidiums. In den nächsten Jahren seien im untersuchten Gebiet etwa 20 Krebssperren geplant.

Das Land unterstützt das Vorhaben auch finanziell. Dem Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald stehen Erlöse der Glücksspirale zur Verfügung. Für Projekte im Natur- und Umweltschutz in Baden-Württemberg sind insgesamt 2,88 Millionen Euro reserviert, davon entfallen 750000 Euro auf die sieben Naturparke. Der hiesige erhält 73300 Euro. Das Geld wird für den Bau der Krebssperren, aber auch für die Weiterentwicklung der Naturparkbounds verwendet sowie für weitere Projekte (siehe Infokasten). Grünen-Landtagsabgeordneter Ralf Nentwich freut sich über die Möglichkeit, das Vorhaben zu fördern: „Der Naturpark arbeitet in konkreten Projekten für den Schutz der Artenvielfalt. Mit dem Bau von Krebssperren zum Schutz der Steinkrebse vor der Ausbreitung der Krebspest wird dies im Schwäbisch-Fränkischen Wald angegangen.“

Geplant als neue Projekte sind weitere schulische Angebote, Vespertouren und Waldauszeit

Projektliste Mit den Landesmitteln können im Naturpark die Krebssperren sowie das Projekt Naturparkbounds unterstützt werden. Naturparkgeschäftsführer Karl-Dieter Diemer informiert, dass darüber hinaus eine Reihe von bewährten und neuen Projekten (in Klammer mit Antragsteller falls nicht Naturpark) auf der Liste stehen. Neu sind Unterrichtsangebote von außerschulischen Akteuren zum Thema Naturschutz bei den Naturparkschulen, Naturparkvespertouren, Leitfaden für Naturparkschulen und Waldauszeit (Stadt Murrhardt), bestehende sind Kinder-Natur-Erlebnisfest (Schwäbischer Wald Tourismus), Naturschutztag zum Thema Schutzgebietskategorien, Naturparkmärkte, blühender Naturpark, Naturerlebniscamp (Gemeinde Wüstenrot), Tag des Schwäbischen Waldes und Wandermarathon (Schwäbischer Wald Tourismus) sowie Gaildorf chillt (Stadt Gaildorf).

Naturparkbounds Zur geplanten Weiterentwicklung der digitalen Erkundungsprogramme fürs Smartphone erläutert Diemer: 2022 legt das Team den Schwerpunkt innerhalb der Kooperation mit der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg und deren Studierenden einerseits auf die Evaluation bestehender Bounds in Zusammenarbeit mit den Naturparkschulen, andererseits auf die Entwicklung von Indoorbounds. Letzteres vor allem, um der Naturparkerlebnisschau bis zu deren Erneuerung einen Impuls zu geben. Angedacht sei zudem eine Boundsmeisterschaft als Wettbewerb. Mittelfristig sollen in der Kooperation auch Angebote im Bereich „digitales Draußenlernen“ für die Naturparkschulen, aber auch weitere Interessierte entwickelt werden. Ziel ist, noch nicht bespielte Bereiche im Naturpark mit Bounds zu erschließen und Bounds in direkter Nähe zu den Naturparkschulen zu entwickeln. Die digitale Ausrüstung der Schulen infolge der Coronapandemie ist für das damit angestrebte Lernen außerhalb des Schulgeländes sehr nützlich. „Mit den Naturparkbounds und der Entwicklung von digitalen Angeboten für die Naturparkschulen wird hier ein gutes und innovatives Projekt im Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung umgesetzt“, sagt Ralf Nentwich.

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Erstellt:
18. Februar 2022, 06:00 Uhr

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