Der Strom vom eigenen Dach

Energiewende vor der Haustür (13) Für eine Fotovoltaikanlage müssen Hausbesitzer einiges beachten und sich mit der Planung früh beschäftigen. Die Montage dauert dagegen nur zwei bis drei Tage.

Höhenangst darf ein Solaranlagenbauer nicht haben. Harald Jung (rechts) montiert mit seinem Sohn Lauritz und einem Mitarbeiter eine Fotovoltaikanlage auf einem Dach im Kammerhof in Unterweissach. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Höhenangst darf ein Solaranlagenbauer nicht haben. Harald Jung (rechts) montiert mit seinem Sohn Lauritz und einem Mitarbeiter eine Fotovoltaikanlage auf einem Dach im Kammerhof in Unterweissach. Foto: Alexander Becher

Von Andreas Ziegele

Rems-Murr. Wer Strom auf dem eigenen Dach produziert, kann damit Geld verdienen und gleichzeitig etwas Gutes für das Klima tun. Doch was ist zu beachten, damit die Fotovoltaikanlage auf dem Dach auch hält, was sie verspricht? Fotovoltaik ist eine Technologie, die eigentlich jeder kennt. Dennoch gibt es immer noch Wissenslücken und Fehlinformationen rund um das Thema. Grundsätzlich ist es kein Problem, eine Anlage auf dem eigenen Dach zu installieren. Es gibt jedoch einige Fallstricke, auf die man achten sollte. Einer der Erfahrenen auf diesem Gebiet ist Harald Jung aus Auenwald. Seit über 15 Jahren bringt er mit seiner Firma Jung Solar Fotovoltaikanlagen auf die Dächer der Region. „Die wichtigste Frage ist: Welche Fläche habe ich auf meinem Dach und welches Solarpotenzial bietet diese Fläche?“

Drohnenflug ist oft notwendig

Ein wichtiges Hilfsmittel ist dabei der Energieatlas Baden-Württemberg (siehe Infotext). „Hier kann jeder für sein Gebäude sehen, welchen Ertrag das Dach bringen könnte“, erklärt der Experte. Um einen Drohnenüberflug durch einen Fachmann kommt man aber nicht unbedingt herum. „Bei dem Überflug werden Breite und Länge des Dachs vermessen, um zu sehen, wie viele Module angebracht werden können“, sagt Jung. Aber kann sich wirklich jeder eine Solaranlage aufs Dach setzen lassen? „Im Prinzip ja“, sagt Harald Jung, schränkt aber ein: „Im Einzelfall kommt es aber auf die Wohnverhältnisse an.“ Bei einem Ein- oder Zweifamilienhaus kann der Hauseigentümer diese Entscheidung in der Regel allein treffen. Bei Eigentums- oder Mietwohnungen müssen die Miteigentümer zustimmen. Theoretisch kann man die Solarmodule auch selbst auf dem Dach anbringen.

Experten wie Harald Jung raten jedoch davon ab, da die Hersteller ihre jahrzehntelangen Garantien von einer fachgerechten Montage abhängig machen. Den Anschluss an die Hauselektrik kann ein Elektrofachbetrieb übernehmen, den Anschluss an ein Stromnetz muss ein vom Energieversorger konzessionierter Elektrofachbetrieb vornehmen.

Die Entscheidung für oder gegen eine Solarstromanlage hängt von den persönlichen Zielen ab. Wenn man etwas für die Umwelt tun möchte, ist die Antwort ein eindeutiges Ja. Aber auch aus rein wirtschaftlichen Gründen lohnt sich eine Fotovoltaikanlage in den meisten Fällen.

Voraussetzungen für die PV-Anlage

Eine wichtige Voraussetzung ist eine möglichst unverschattete Dachfläche mit einer stabilen, asbestfreien Dacheindeckung. Optimal für eine Solaranlage sind eine Südausrichtung und eine Dachneigung von 30 Prozent. Entscheidend sind also die Ausrichtung der Fläche und die entsprechende Sonneneinstrahlung. „Auch die Nordseite, die oft vernachlässigt wird, kann durchaus einen guten Stromertrag liefern“, sagt Harald Jung. Das bringt zwar übers Jahr gesehen nicht den maximalen Ertrag, aber die Stromproduktion verteilt sich besser über den Tag, sodass mehr Strom im eigenen Haus genutzt werden kann.

Die Grenzen für die Größe einer Fotovoltaikanlage werden durch die zur Verfügung stehende Dachfläche und das Investitionsbudget gesetzt. Wer die Anschaffung einer Fotovoltaikanlage plant, sollte sich für die Planung Zeit nehmen, sich vorab gründlich informieren und fachkundigen Rat einholen. „Mit den Informationen aus dem Internet kann man vieles selbst berechnen“, sagt Harald Jung. Der erste Schritt bei der Umsetzung, so der Experte, sei die Prüfung der baurechtlichen Voraussetzungen. Für kleinere Anlagen, die an oder auf Gebäuden installiert werden, ist in der Regel keine Baugenehmigung erforderlich. Es sei denn, Denkmalschutzbestimmungen oder örtliche Bebauungspläne sehen etwas anderes vor. Grundsätzlich empfiehlt es sich, mehrere Kostenvoranschläge von Fachfirmen für die Installation einzuholen. Falls eine Förderung in Anspruch genommen werden soll, muss diese beantragt und bewilligt werden, bevor ein Vertrag mit dem Anlagenhersteller oder Installateur geschlossen wird.

Kosten der Solaranlage

Die Preise sinken tendenziell mit zunehmender Anlagengröße, da die Fixkosten geringer werden. Neben dem Preis sollte auch auf die Qualität und den Umfang der Leistungen geachtet werden. Hier können zum Beispiel auch die Kosten für Gerüstbau, Umbau des Zählerschranks oder das Verlegen von Leitungen eine Rolle spielen. „Brauche ich zum Beispiel eine doppellagige Unterkonstruktion oder Doppelschienen in den Halterungen für eine bessere Belüftung? Das sind Fragen, die jeder für sich beantworten muss“, sagt Solarexperte Jung. Die Fotovoltaikanlage sollte auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten sein, denn die oft angebotenen so genannten Standardpakete passen nicht auf jedes Dach. Einen Preis lässt Jung sich nicht entlocken. Dafür spielen aus seiner Sicht zu viele Faktoren eine Rolle.

Der Weg zur eigenen Solaranlage ist auch mit einigen Formalitäten gepflastert. In der Regel meldet der Installateur die Anlage beim Netzbetreiber an. Dieser ist Ansprechpartner für den Netzanschluss. Er nimmt in der Regel auch den erzeugten Strom über den Eigenverbrauch ab und vergütet jede eingespeiste Kilowattstunde. Ihm müssen regelmäßig bestimmte Daten gemeldet werden. Die meisten Netzbetreiber bieten den Abschluss eines Einspeisevertrags an. „Dieser Vertrag ist nach dem EEG nicht erforderlich und kann für den Anlagenbetreiber nachteilig sein, wenn er einseitige Haftungsbeschränkungen zugunsten des Netzbetreibers enthält“, so die Verbraucherzentrale. Steckersolaranlagen, also Minisolaranlagen mit einer Leistung bis 600 Watt, müssen seit dem 16. Mai dieses Jahres nicht mehr beim Netzbetreiber angemeldet werden. Eine weitere Formalität ist die Registrierung der Anlage und gegebenenfalls des Batteriespeichers im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur. Auch wenn die Finanzämter manchmal etwas anderes behaupten: Privatpersonen, die eine Solaranlage auf einem Einfamilienhaus betreiben, müssen dafür kein Gewerbe beim Ordnungsamt anmelden.

Ständige Wartung ist nicht erforderlich

Die Installation selbst ist dann in etwa zwei Tagen erledigt. „Den ersten Tag brauchen wir für die Unterkonstruktion und die Verkabelung, am zweiten können wir dann die Module montieren“, erklärt Harald Jung. Länger kann die Installation dauern, wenn zum Beispiel die Verkabelung vom Dach zum Zähler aufwendiger ist oder der Platz im Zählerschrank knapp wird. „Meist ist der Zählerplatz leider viel zu klein“, weiß Jung aus Erfahrung. Lieferengpässe bei den einzelnen Komponenten gebe es derzeit nicht. „Man bekommt alles und mit vertretbaren Lieferzeiten und die Preise sind zum Beispiel bei den Modulen von Januar bis heute um rund 30 Prozent gefallen.“ Die meisten Solarmodule kommen nach wie vor aus China. „Deutsche Hersteller gibt es nur noch wenige und die Preise sind entsprechend höher“, bedauert Jung.

Sobald die Anlage in Betrieb ist, sollten Funktion und Ertrag regelmäßig überprüft werden. Die meisten Wechselrichter speichern die Daten der Energieproduktion und stellen sie auf dem Display des Zählers, auf einer Internetseite oder über eine Smartphone-App zur Verfügung. Spätestens alle fünf Jahre sollte ein Fachmann die Anlage auf Sicherheit und Funktion überprüfen. Nach zehn Jahren kann eine professionelle Reinigung der Solarmodule sinnvoll sein. „Viele Firmen bieten auch einen Wartungsvertrag an, aber der ist aus meiner Sicht nicht unbedingt notwendig“, sagt Harald Jung. Die Begründung liefert er gleich mit: „Die App auf dem Smartphone zeigt zuverlässig und tagesaktuell den Zustand der Anlage an.“ Ein tatsächlich häufig auftretendes Problem ist, dass sich Tauben unter den Modulen einnisten. Dadurch sammelt sich Nistmaterial wie Äste und Zweige unter den Modulen und Taubenkot auf den Modulen und Kabeln. Dies führt dazu, dass das Regenwasser nicht mehr vollständig ablaufen kann und es zu einem Wasserrückstau und in der Folge zu Wasserschäden kommt. Aber auch dafür haben Jung und seine Mitarbeiter Lösungen.

Individuelle Planung

Potenzial Wie gut sich ein Dach für eine Solaranlage eignet und wie viel Sonneneinstrahlung für das Gebäude zu erwarten ist, kann im Energieatlas Baden-Württemberg selbst überprüft werden. Hier kann jeder eine genaue Berechnung der solaren Einstrahlung und der Verschattung durch umliegende Gebäude und Vegetation durchführen. Weitere Informationen unter: https://www.energieatlas-bw.de/sonne/dachflachen/solarpotenzial-auf-dachflachen

Bestand Zahlen zum Ausbau und Potenzial der Fotovoltaik in Baden-Württemberg, aufgeschlüsselt nach Landkreisen, zeigt ein neues Dashboard im Daten- und Kartendienst der Landesanstalt für Umwelt in übersichtlicher Form. Das Dashboard findet man unter: https://umweltdaten.lubw.baden-wuerttemberg.de

Förderung Der KfW-Kredit und die EEG-Vergütung sind bundesweite Fördermaßnahmen. Darüber hinaus sollte man sich auch über regionale Initiativen informieren, die die Anschaffung einer Fotovoltaikanlage und eines Batteriespeichers finanziell unterstützen. Erste Informationen gibt es bei der Stadt- oder Gemeindeverwaltung.

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Erstellt:
29. Juni 2024, 09:00 Uhr

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