Was geschah am . . . 9. April 1945?

Der Theologe Dietrich Bonhoeffer wird im KZ Flossenbürg hingerichtet

Dietrich Bonhoeffer bezahlte seinen Widerstand gegen die Nazis mit dem Leben. Heute wird der evangelische Theologe von Christen in aller Welt verehrt. Dass er von Radikalen vereinnahmt wird, missfällt seiner Familie.

Der letzte von Dietrich Bonhoeffer  überlieferte Satz lautet: „Dies ist das Ende, für mich der Beginn des Lebens.“

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Der letzte von Dietrich Bonhoeffer überlieferte Satz lautet: „Dies ist das Ende, für mich der Beginn des Lebens.“

Von Markus Brauer/dpa/epd/KNA

„Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar, so will ich diese Tage mit euch leben und mit euch gehen in ein neues Jahr.

Noch will das alte unsre Herzen quälen, noch drückt uns böser Tage schwere Last. Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen das Heil, für das du uns geschaffen hast.“

Überschattetes Gedenken

„Von guten Mächten“: Dieses Gedicht von Dietrich Bonhoeffer hat schon vielen Menschen Trost gespendet. Es sind seine bekanntesten Worte, man hört sie auf Trauerfeiern und liest sie in Todesanzeigen. Geschrieben hat er die Zeilen Ende 1944 in Gestapo-Haft. Wenige Monate später stirbt der evangelische Theologe am 9. April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg.

80 Jahre nach seinem Tod ist das Gedenken jedoch überschattet: Experten hierzulande sind besorgt darüber, dass Bonhoeffer vor allem in den USA vereinnahmt wird. US-amerikanische Rechtspopulisten aus Teilen des evangelikalen Milieus, die zugleich entschiedene Unterstützer von Präsident Donald Trump seien, „haben Bonhoeffer für ihre politischen Ziele gekapert“, sagt der frühere bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm.

„Da wird der gewaltsame Sturm aufs Kapitol mit Bonhoeffers Gedanken zum Widerstand gegen Hitlers Unrechtsregime gerechtfertigt. Das ist völlig absurd.“

Kopfschütteln über Theologiestudium

Bonhoeffer wurde am 4. Februar 1906 in Breslau in eine politisch liberale, großbürgerliche Familie hineingeboren. Er wuchs zusammen mit sieben Geschwistern in Berlin auf, wo sein Vater Karl Professor für Neurologie und Psychiatrie war.

Karl Bonhoeffer war nicht besonders religiös. Die Mutter Paula, eine Pfarrerstochter, vermittelte Dietrich zwar eine christliche Erziehung, aber ohne große kirchliche Bindung. Bonhoeffers Wunsch, Theologie zu studieren, löste in der Familie Kopfschütteln aus.

Schon mit 25 Jahren hatte der theologische Überflieger seine Promotion und Habilitation abgeschlossen. Früh vernetzte er sich international. Als Vikar ging er 1928 in die deutsche Gemeinde nach Barcelona.

Ein weiterer Auslandsaufenthalt 1930 in New York sollte ihn langfristig prägen: In den Kirchengemeinden Harlems lernte er praktische Pastoralarbeit kennen und befasste sich mit Fragen des Friedens und des Rassismus.

„Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist“

Nach Deutschland zurückgekehrt, hielt er an der Berliner Universität zu Beginn der 1930er Jahre Vorlesungen über die Geschichte der Theologie. „Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist“, lautet eine seiner einprägsamen Formulierungen.

Mit der Machtergreifung der Nazis 1933 stand Bonhoeffer sofort in der Opposition. In einem Radiobeitrag forderte er zwei Tage nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler eine Begrenzung der Macht durch rechtsstaatliche Ordnung und Volkswohl. Das Mikrofon wurde ihm abgedreht.

Am Karsamstag 1933 verfasste er seinen Aufsatz „Die Kirche vor der Judenfrage“: Darin machte er die Verteidigung der Menschenrechte zur gesamtkirchlichen Pflicht und trat für das Judentum ein. Zur Not müsse die Kirche „dem Rad in die Speichen fallen“.

Nach der Einführung des Arier-Paragrafen in der evangelischen Kirche am 6. September 1933 schlug Bonhoeffer den oppositionellen Pfarrern den Austritt aus der zum Staatsanhängsel gewordenen Deutschen Evangelischen Kirche vor – ohne großen Erfolg.

Daraufhin gründete er mit Martin Niemöller und anderen den Pfarrernotbund zum Schutz der bedrohten Amtsbrüder jüdischer Herkunft. „Wer gregorianisch singt, muss auch für die Juden schreien“, forderte er 1938.

Exil mehrmals abgelehnt

Weil Bonhoeffer in der „häretischen Reichskirche“ nicht Pfarrer sein wollte, ging er als Auslandspfarrer nach London. 1935 kehrte er trotz drohender Gefahren zurück, um das Predigerseminar der Bekennenden Kirche in Finkenwalde zu leiten.

Es wurde zwei Jahre später geschlossen, aber illegal weitergeführt. Bonhoeffer schlug zwei Chancen aus, ins amerikanische Exil zu gehen. Er bekam Lehr-, 1940 sogar Rede- und 1941 auch Schreibverbot.

1940 schloss er sich der Widerstandsgruppe um seinem Schwager Hans von Dohnanyi, Admiral Wilhelm Canaris und Generalmajor Hans Oster an. Offiziell reiste Bonhoeffer im Auftrag der Militärischen Abwehr in die Schweiz, nach Norwegen, Schweden und Italien, um sich über die Pläne der Engländer und Amerikaner zu informieren. Tatsächlich aber weihte er Kirchenmänner im Ausland in Putschpläne gegen Hitler ein.

„Von guten Mächten“ entstand in Haft

In seiner „Ethik“ legte er im Jahr 1940 dar, dass seine Kirche versagt habe: „Sie war stumm, wo sie hätte schreien müssen, weil das Blut der Unschuldigen zum Himmel schrie.“ Einen Tyrannenmord akzeptierte Bonhoeffer.

Am 5. April 1943 wurde er wegen seiner Kontakte zu NS-Gegnern des Hoch- und Landesverrats beschuldigt und zunächst in Tegel, dann im berüchtigten Gestapo-Gefängnis in der Prinz-Albrecht-Straße inhaftiert. Dort schrieb er für seinen Weihnachtsbrief an seine Verlobte das Gedicht „Von guten Mächten“, das noch heute weit über Kirchenkreise hinaus Menschen Trost gibt.

„Nichts wäre ihm fremder als Weltflucht“

Dietrich Bonhoeffer war ein Pfarrer, der sich nicht nur auf die spirituelle Ebene des Glaubens verlassen hat, der tätig wurde. Bedford-Strohm sagt dazu: „Bonhoeffer hat immer wieder eingeschärft, dass ich mich nicht auf Gott einlassen kann, ohne mich radikal auf die Welt einzulassen. Nichts wäre ihm fremder als fromme Weltflucht.“

Die Figur Dietrich Bonhoeffer könne auch heute den Menschen viel sagen. „Bonhoeffers Leben war ein kurzes Leben, das auch viel Leid gesehen hat. Aber es war ein erfülltes Leben und es hat viele Menschen inspiriert. Man kann daraus lernen, dass Zivilcourage, das Eintreten für Andere, insbesondere für besonders Verletzliche, zwar Nachteile bringen kann. Sie wiegen aber viel weniger als das Gefühl, etwas Sinnerfülltes zu tun“, unterstreicht Bedford-Strohm.

Bonhoeffer sei Heldenverehrung fremd gewesen. „Aber Vorbild, Inspiration, Kraftquelle kann Bonhoeffer ganz bestimmt heute sein.“

„Dies ist das Ende, für mich der Beginn des Lebens“

Wenige Monate nach dem Stauffenberg-Attentat vom 20. Juli 1944 fand die Gestapo Beweise für Bonhoeffers Verwicklung in die Umsturzpläne. Angesichts der herannahenden Roten Armee wurde er zunächst ins KZ Buchenwald bei Weimar, dann über Regensburg und Schönberg im Bayerischen Wald nach Flossenbürg gebracht, wo er am 9. April 1945 auf ausdrücklichen Befehl Hitlers zusammen mit Canaris, Oster und anderen erhängt wurde.

Die Hinrichtung von Regime-Gegnern kurz vor Ende des Krieges sei ein bewusst geplanter Akt gewesen. Es traf auch Georg Elser in Dachau oder Hans von Dohnanyi in Sachsenhausen. Es habe einen Führerbefehl gegeben: „Das Regime räumt auf, es war ein letzter Akt der Rache“, sagt Jörg Skriebeleit, Chef der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg.

Der letzte von Dietrich Bonhoeffer überlieferte Satz lautet: „Dies ist das Ende, für mich der Beginn des Lebens.“

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Erstellt:
8. April 2025, 05:14 Uhr

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